Rheinland-Pfalz Genug gerüstet?

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Nach den „Charlie Hebdo“-Attentaten haben die Spezialkräfte der rheinland-pfälzischen Polizei schwerere Waffen gekauft. Nun haben islamistische Terroristen in Paris noch mehr Menschen ermordet. Und das Mainzer Innenministerium steht vor der Frage, ob seine Elitekämpfer noch weiter aufrüsten müssen.

MAINZ. Seit Freitagnacht sind sie wieder in „erhöhter Bereitschaft“: Mehr Elitepolizisten als sonst sollen auch dann binnen 30 Minuten losschlagen können, wenn der Terror außerhalb normaler Bürozeiten nach Rheinland-Pfalz kommt. Gleichzeitig wird konferiert, telefoniert und analysiert. Ein Sprecher des Mainzer Innenministeriums sagt: Die Antiterror-Experten werten intensiv aus, was in Paris passiert ist. Das hatten sie vor wenigen Monaten schon einmal getan. Nach den Attentaten auf die „Charlie Hebdo“-Redaktion und einen jüdischen Supermarkt im Januar bestellten sie für etwa 1,6 Millionen Euro Sturmgewehre, Schutzwesten und einen gepanzerten Transporter. Außerdem verordneten sie sich neue Strukturen: Die Kämpfer vom Spezialeinsatzkommando (SEK) und die ebenso kampfbereiten, aber vor allem unauffällig observierenden Beamten des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) bekommen eine gemeinsame Führung. Und zusätzliche Kollegen. Die Observationsspezialisten der einzelnen Polizeipräsidien sollen zwar vor Ort – also zum Beispiel in Ludwigshafen und Kaiserslautern – bleiben, sie verlassen aber ihre Fachkommissariate und werden den Spezialkräften zugeschlagen (wir berichteten). Im Moment kümmern sich mehrere Arbeitsgruppen und eine zentrale Steuerungsgruppe in Mainz um die Details, sagt der Ministeriumssprecher. Zum ersten Mal nennt er der RHEINPFALZ auch einen groben Zeitplan für die Organisationsreform: „Im Laufe des Jahres 2016“ soll sie abgeschlossen sein. Neue Sturmgewehre und Schutzwesten liegen derweil schon bereit. Auf das gepanzerte Fahrzeug mit Platz für ein knappes Dutzend Beamte, eine Einzelanfertigung, müssen die Spezialkräfte aber noch warten. Geordert haben sie die schwere Ausrüstung, weil die Paris-Attentäter im Januar selbst Schutzwesten trugen und mit Kalaschnikows schossen. Diese russischen Kriegswaffen feuern 300 bis 400 Meter weit. Die Polizisten hingegen können mit ihren Maschinenpistolen nur Ziele in etwa 50 Metern Entfernung sicher anpeilen. Schusswaffen mit größerer Reichweite hatte selbst das SEK früher nur für manche Beamte. Nun gibt es armeetaugliche Sturmgewehre für jeden einzelnen Elitepolizisten. Schließlich war schon im Januar klar: Auch in Deutschland könnten islamistische Terroristen so ähnlich angreifen wie in Paris. Außerdem könnten Attentäter nach einem Anschlag in Frankreich versuchen, nach Deutschland zu fliehen. Und so zum Beispiel in der Pfalz landen. Der Sprecher des Innenministeriums sagt: Falls im Grenzgebiet etwas passiert, dürften die Spezialeinheiten beider Länder nach Absprache auch aufs jeweils andere Territorium vorrücken und dort eingreifen. Gemeinsame Einsätze deutscher und französischer Einheiten sind prinzipiell ebenfalls denkbar. Immerhin gibt es schon seit 2001 eine Arbeitsgemeinschaft der europäischen Spezialeinheiten: Im Atlas-Verbund verabreden sie gemeinsame Standards für Ausbildung, Ausrüstung und Einsatzverfahren, sie treffen sich aber auch zu gemeinsamen Übungen. Aufgebaut haben diese Plattform unter anderem die französische „Groupe d’intervention de la Gendarmerie“ (GIGN, auf Deutsch etwa: „Eingreiftruppe der Gendarmerie“) und die GSG 9 der deutschen Bundespolizei. Auch das SEK Baden-Württemberg mischt mittlerweile mit. Die rheinland-pfälzischen Spezialkräfte hingegen sind nicht in diesem elitären Club. Doch der Sprecher des Mainzer Innenministeriums beteuert: „Deutschland wird durch die beiden teilnehmenden Spezialeinheiten sehr gut repräsentiert.“ Sie gäben ihre Erkenntnisse aus den Atlas-Konferenzen auch an ihre rheinland-pfälzischen Kollegen weiter. Ob die nach den Anschlägen vom Freitag gleich wieder neue Ausrüstung ordern müssen, ist laut Ministeriumssprecher noch völlig offen. Einerseits haben die Mörder wieder Kalaschnikows verwendet – und damit Waffen, auf die sich die rheinland-pfälzischen Elitekämpfer schon eingestellt haben. Doch obendrein trugen die Terroristen diesmal auch Sprengstoffwesten. Und mittlerweile hat die französische Polizei bei Razzien auch noch eine Panzerfaust entdeckt. Und einen Raketenwerfer.

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