Rheinland-Pfalz Erdsterne, Zwergsäger und Stierkäfer

NEUSTADT (jüm). Das Online-Meldeportal „Artenfinder“ entwickelt sich zur Erfolgsgeschichte: Über 200.000 Beobachtungen von heimischen Tieren, Pflanzen und Pilzen umfasst die allgemein zugängliche und völlig kostenlose Datenbank inzwischen. Das ist das Verdienst von Hunderten Rheinland-Pfälzern, die mit offenen Augen durch die Natur wandern und ihre Entdeckungen in das Artenfinder-Portal eingeben. Jeder kann mitmachen, auch jetzt im Winter, sagt Artenfinder-Koordinator Oliver Röller.

Seit 2011 existiert das Artenfinder-Projekt, das inzwischen deutschlandweit Anerkennung findet. Es führte zu neuen Erkenntnissen, von denen auch der Naturschutz profitiert. Vor allem aber wurde die Begeisterung für die heimische Natur bei vielen Teilnehmern neu entfacht, weiß Röller, Geschäftsführer der Pfälzer Naturschutz-Organisation Pollichia, der das Projekt von Anfang an betreut. Allein im zu Ende gehenden Jahr speisten die ehrenamtlich tätigen Artenfinder 65.000 Meldungen in die Datenbank ein. Und immer neue Mitstreiter stoßen dazu. „Arten finden kann süchtig machen“, weiß Röller aus eigener Erfahrung. „Viele von uns würden am liebsten jeden Tag rausgehen, um wenigstens ein paar Arten zu finden, zu fotografieren und die Funde dann zu posten.“ Das gilt auch für den Winter: „Da gibt es viel Spannendes zu entdecken, mehr als viele zunächst vermuten.“ Wenig bekannt, aber umso interessanter sind zum Beispiel die ungewöhnlichen Erdsterne. Dabei handelt es sich um eine Pilzgattung. Gute Chancen, um sie in der Natur zu finden, hat man bei stark verrotteten erdigen Komposthaufen oder auch an verrotteten Ameisenhaufen. An den Flüssen und Seen fallen in diesen Tagen wieder zahlreiche gefiederte Wintergäste aus dem Norden auf. Viele dieser Wasservögel lassen sich in ihren Winterquartieren sogar einfacher studieren, als in ihren abgelegenen Brutgebieten in Skandinavien oder Russland. Typische Beispiele für solche Wintergäste sind der Zwergsäger oder die Blässgans. Heimische Vögel, die es nicht in die Fremde zieht, können im Winter teilweise bequem an Futterplätzen in Gärten und Parks beobachtet und fotografiert werden. In milden Wintern wie diesem blasen manche Exemplare die Reise Richtung Süden kurzerhand ab. Dazu zählen Mönchsgrasmücke oder die Singdrossel. Auch Kernbeißer und Erlenzeisige sind Vögel, die wir vor allem im Winter zu Gesicht bekommen. Dass im Winter regelmäßig auch Beobachtungen von Säugetieren eingehen, verwundert wenig. Eichhörnchen können in Dörfern und Städten ebenso wie in Wäldern an den aufgrund der Jahreszeit laubfreien Gehölzen leicht entdeckt werden. In der Welt der Insekten führte der milde Dezember zu einigen ungewöhnlichen und für die Naturforschung interessante Beobachtungen. So flatterte an den wenigen sonnigen Tagen an einigen Stellen in der Pfalz der Admiral. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Art, die früher nur als Wanderfalter hierzulande auftrat, inzwischen alljährlich in der Pfalz erfolgreich überwintert. Auch eine Winterlibelle, die einzige Libellenart, die hierzulande als ausgewachsenes Tier überwintert, wurde gesichtet. Der bundesweit seltene Stierkäfer, der wie Artenfinder-Meldungen zeigen, in der Pfalz weit verbreitet ist, kann an milden Wintertagen ebenfalls gesichtet werden. Und zwar vor allem an Pferdemist auf Waldwegen. Auch auf Blütenpflanzen lohnt es sich zu achten, denn in diesem Jahr blühen sie wieder erstaunlich lange. Für die scheinbar immer länger werden Blühzeiten vieler Arten interessieren sich Wissenschaftler insbesondere im Zusammenhang mit Klimaveränderungen und damit verbundenen Veränderungen der Biotope und ihrer Artenzusammensetzung. Übrigens sind nicht nur die erwähnten Erdsterne, sondern auch andere Pilzarten nach wie vor gut zu erkennen, da ihnen noch keine starken Fröste auf den Leib rückten. Ganz erstaunlich: Im Dezember gingen zwei Meldungen von Echten Pfifferlingen im Artenfinder ein. Die Art wächst vorzugsweise im Spätsommer und im milden Herbst und wird im Winter eigentlich nicht beobachtet. Welche Arten sich besonders gut für Meldeprojekte im Artenfinder und anderen Erfassungsportale eignen, darüber informiert ein neues Buch mit dem Titel „Citizen Science – eine Chance für Naturforschung und Naturschutz“, das von Oliver Röller verfasst wurde. Das 144 Seiten umfassende, reich bebilderte Werk, in das viele Erfahrungen aus vier Jahren Artenfinder eingeflossen sind, erläutert nicht nur die verschiedenen Projekte mit unterschiedlichen Artengruppen, es liefert auch viele Hintergrundinformationen zum Artenfinder und teilweise kooperierende Plattformen. Das Buch erscheint Ende Januar und kann bei der Pollichia-Geschäftsstelle zum Preis von acht Euro (inklusive Porto und Versand) erworben werden. Bestellungen sind per Mail an kontakt@pollichia.de zu richten.

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