Rheinland-Pfalz „Die Erwartungen übertroffen“

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Aufatmen bei Pfälzerwald-Verein und Naturfreunden: Ehrenamtlicher Hüttendienst und ein paar Euro als finanzielles Dankeschön werden einander auch künftig nicht ausschließen. Doch die Vereine müssen sich umstellen: Wer als Minijobber gemeldet ist, muss Mindestlohn bekommen.

BONN/NEUSTADT (jüm). „Die Kuh ist vom Eis“, freute sich gestern Nachmittag Stephan Schenk, der stellvertretende Vorsitzende der Naturfreunde Rheinland-Pfalz. „Wir sind mit geringen Erwartungen nach Bonn gefahren“, sagte ein ebenfalls erleichterter Martin Brandl, Vize-Vorsitzender des Pfälzerwald-Vereins (PWV). „Aber unsere Erwartungen wurden übertroffen.“ Die Rede ist vom „Hüttengipfel“, zu dem Fachleute der Arbeits- und Finanzministerien sowohl der Bundesregierung als auch der Landesregierung Rheinland-Pfalz die Vereinsvertreter eingeladen hatten.Das Problem bisher: Ehrenamtliche haben zwar laut Gesetz keinen Anspruch auf einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Aber – und daran ließen die Fachleute auch gestern keinen Zweifel – wer als geringfügig Beschäftigter bei der Minijobzentrale gemeldet ist, gilt als Arbeitnehmer. Und für Arbeitnehmer muss seit 1. Januar nun mal Mindestlohn bezahlt werden. Doch der würde die wirtschaftliche Existenz vor allem der kleineren Hütten beider Vereine ernsthaft gefährden. Die Erkenntnis aus dem gestrigen Expertengespräch lautet daher: Die Ortsgruppen werden ihre ehrenamtlichen Hüttendienstler voraussichtlich nicht mehr über die Minijobzentrale anmelden. Dieses bisher in der Regel angewandte Verfahren hatte unter anderem den Vorteil, dass Steuern und Sozialabgaben pauschal abgeführt werden konnten. Künftig sollen die Helfer zwar wie in der Vergangenheit im Schnitt pro Stunde zwei bis vier Euro erhalten. Aber diese Beträge müssen sie dann in ihrer persönlichen Steuererklärung angeben. Denkbar wäre, dass diese Gelder als „sonstige Einkünfte“ deklariert werden, wie PWV-Steuerexperte Jürgen Thomas meinte. Damit sind aber noch nicht alle Probleme ausgeräumt, weshalb sich PWV-Vize Brandl nach der gestrigen Expertenrunde auch nur „verhalten optimistisch“ zeigen mochte. Bekanntlich stecke der Teufel im Detail. Und diese Detailfragen müssten nun geklärt werden. So müssen die Vereine als weiteres Ergebnis des Bonner Hüttengipfels klären, ob jeder der 2000 bis 3000 Hüttendienstler auch wirklich als Ehrenamtlicher oder doch eher als Arbeitnehmer tätig ist. Das Problem dabei: Es existiert keine Einkommensgrenze, ab der jemand nicht mehr als Ehrenamtlicher, sondern als mindestlohnpflichtiger Arbeitnehmer anzusehen ist. Vielmehr gibt es eine Reihe von Anhaltspunkten, die für das eine oder das andere sprechen können. So suchen sich die ehrenamtlichen Hüttendienstler ihre Termine freiwillig aus, gibt es keine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, keine Weisungsabhängigkeit und keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen, wenn sie mal kurzfristig absagen. Auch können sie, wenn wenig los ist, sich zu den Gästen setzen und sich mit ihnen unterhalten oder Karten spielen. Die Geselligkeit, die gelebte Hüttenkultur motivieren denn auch die meisten dazu, ein paar Mal im Jahr einen Sonntag lang am Tresen zu stehen oder Bratwürste zu brutzeln. Die paar Euro, die es dafür gibt, stehen dabei für sie nicht im Vordergrund, werden aber natürlich gerne genommen. Vor diesem Hintergrund ist PWV-Geschäftsführer Bernd Wallner überzeugt: Für mindestens 90 Prozent der Hüttendienstler wird diese Prüfung eindeutig ausfallen: Ehrenamtliche Tätigkeit, daher keine Verpflichtung für die Ortsgruppe, Mindestlohn zu zahlen. Und damit entfallen für diese Helfer auch die umfangreichen Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten, die nach dem Mindestlohngesetz vorgesehen sind. Vor allem in den größeren Hütten wird es aber den einen oder anderen Mitarbeiter geben, der regelmäßig bestimmte Aufgaben wie etwa den Wareneinkauf übernimmt. Hier, davon gehen Brandl und Wallner aus, wird man eine Arbeitnehmer-Tätigkeit und damit einen Mindestlohnanspruch anzunehmen haben. Dies werde aber nicht dazu führen, dass damit automatisch alle Hüttendienstler dieser Ortsgruppe als Arbeitnehmer anzusehen sind. Fazit Brandl: „Wir werden noch jede Menge Hausaufgaben zu machen haben.“ So würden die Gespräche mit der Fachebene der Ministerien fortgesetzt. Ein Kriterienkatalog solle erarbeitet und abgestimmt werden. Zweifellos würden die Einzelfallprüfungen die Ortsgruppen viel Kraft kosten. Aber Brandl hegt auch die Hoffnung, dass damit „ein gangbarer Weg“ gefunden sei. Wie steinig sich dieser Weg erweisen werde, müsse nun der Praxistest zeigen. Geschäftsführer Wallner ist überzeugt, dass sich das Thema Mindestlohn in einem halben Jahr oder einem Jahr bei den Ortsgruppen eingependelt haben werde. Auch im Bundesarbeitsministerium herrscht Zuversicht: „Der Weiterbetrieb von Hütten, die tatsächlich von Ehrenamtlichen betrieben werden, ist gesichert.“ Der Bezirkstagsvorsitzende Theo Wieder zeigte sich erleichtert: „Wir werden nun zeitnah mit dem Pfälzerwald-Verein und den Naturfreunden die weiteren Themen um die Hütten im Wald besprechen und eine Konzeption erstellen, die dieses wichtige Alleinstellungsmerkmal langfristig zukunftsfähig macht.“ Aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion zeige sich, wie dringend beim Mindestlohn nachgebessert werden müsse, erklärte ihr stellvertretender Vorsitzender Christian Baldauf. Für die FDP sind die Probleme der Hüttendienstler ein Beleg für die schlechte gesetzgeberische Arbeit der großen Koalition.


Einwurf: Die Vorreiter

Von Jürgen Müller Auf den ersten Blick erscheint die gestern für die Hüttendienstler gefundene Lösung simpel. „Warum nicht gleich so“, mag man sich fragen. Allerdings wurde in der Expertenrunde auch rasch klar, wie kompliziert die Materie ist. Zum einen, weil sich in den einzelnen Vereinen sehr vielfältige Strukturen herausgebildet haben. Zum anderen, weil Steuer-, Arbeits- und Vereinsrecht ineinandergreifen. Als hilfreich erwies es sich, dass Fachleute aller beteiligten Behörden gestern gemeinsam nach gangbaren Wegen durch den Paragrafendschungel suchten. Juristische Sackgassen konnten in dieser interdisziplinären Runde rasch erkannt werden. Außerdem saßen Vertreter des Zolls mit am Tisch, die seit Jahresbeginn auch über die Einhaltung des Mindestlohns wachen. Damit dürfte die eine (Behörden-)Hand künftig also wissen, was die andere macht. Dank seiner Hartnäckigkeit kann der Pfälzerwald-Verein als bundesweiter Vorreiter für die Anwendung des Mindestlohns bei Vereinen angesehen werden. Andere Organisationen können nun darauf aufbauen.

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