Rheinland-Pfalz „Der Pfälzer kann wie ein Dopsball sein“

Christian Habekost (52) ist in Mannheim aufgewachsen, seit 1994 wohnt er in der Pfalz. Er hat über die karibische Performance- und Musik-Dichtung promoviert. Doch dann wechselte er von den Wissenschaften auf die Bühne. Als „Chako“ macht Habekost seit 1994 Kabarett, Musik und Comedy. In zwei „lokalpatriotischen Reiseführern“ hat der Wortakrobat jetzt seine Heimat links und rechts des Rheins auf ganz persönliche Art beschrieben. Wir haben „Chako“ gefragt, wie der Pfälzer tickt.

Sie haben eine schöne Begründung geliefert, wieso Sie zwei Bücher über die Pfalz und die Kurpfalz gemacht haben: Wer auf der Bühne so den Lokalpatrioten raushänge, der brauche irgendwann für seine Glaubwürdigkeit mehr als nur Sprüche und Pointen. Also ein Buch! Wie gut kennen Sie sich denn in der Pfalz tatsächlich aus?

Das ist eine gute Frage. Ich kenne mich bestimmt nicht so gut aus wie mancher Pfälzerwaldvereins-Mitgliedsbegeisterter, der jede Woche Hunderte von Kilometer abwandert. Und dabei die entlegensten Bergrücken und tiefsten Täter dieses wunderbaren Landes erforscht. So kenne ich mich auf keinen Fall aus Aber? Aber ich komme natürlich durch meine Auftritte schon ziemlich viel herum. Wenn man angekommen ist und den Soundcheck gemacht hat, bleibt bis zum eigentlichen Auftritt immer Zeit. Dann laufe ich durch den jeweiligen Ort, dann gucke ich mir ein Café ein, dann gucke ich mir da ’ne Kirche an, dann treffe ich da jemand und treffe dort jemand. Und so hat man schon über die Jahre einiges gesammelt an Orten, wo ich normalerweise nicht gewesen wäre. Keine Angst, wir wollen jetzt keinen Pfalztest mit Ihnen machen. Aber das interessiert uns doch: Sind Sie schon einmal vom Flughafen Zweibrücken geflogen? Nee, das werde ich in Zukunft jetzt wahrscheinlich auch nicht mehr machen können. Braucht die Pfalz denn einen eigenen Flughafen? Warum stellen Sie mir jetzt so e schlimmi Frog, da mach′ ich mir in Zweibrücken lauter Feinde, wenn ich dazu jetzt was sag′ Macht sich der Kabarettist nicht immer Feinde? Oder lautet die Maxime von Chako etwa: niemanden weh und allen wohl? Nein, das stimmt nicht. Der Kabarettist macht sich immer Feinde. Aber der Künstler will natürlich von allen geliebt werden. Das ist das Spannungsverhältnis, in dem man steht. Dann bleiben Sie da mal stehen: Flughafen Ja oder Nein? Wir haben ja hier in der Pfalz den größten US-amerikanischen Flughafen außerhalb der USA. Es wäre schön, wenn der endlich einmal weg wäre. Do det ich misch freeä. Da würde ich mich auch ganz weit aus dem Fenster lehnen und das groß auf rotes Tuch schreiben: Alla donn, gut dass ihr fort seid. Dann würde ich auch in Zweibrücken sagen: Schää, dass wir da den Flughafen haben. Vom Künstler zurück zum Pfälzer: Wie ist der denn? Stimmt das Klischee „trinkfest, gemütlich, bodenständig“? Die drei Eigenschaften würde ich auf jeden Fall stehen lassen. Bodenständig würde ich aber immer gerne etwas erklären. Denn das klingt zunächst einmal wie zurückgeblieben und ein bisschen provinziell. Bodenständig heißt für mich beim Pfälzer: Das, was er hat, das schätzt er, das ist ihm bewusst, und das will er sich auch nicht gerne wegnehmen lassen. Aber wenn einer jemals einen Pfälzer erlebt hat, wenn er sich aufregt und dann plötzlich de Zornnickel raus losst, dann weiß er: Der Pfälzer kann aktiv, dynamisch und fast schon wie ein Dopsball sein. Aber er regt sich auch ganz schnell wieder ab. Ein Freund von mir sagt immer, wenn es etwas toll findet: „Das ist gar nicht mal so superschlecht“. Ja nichts überschwänglich zu loben, ist das auch typisch pfälzisch? Ich glaube, der Pfälzer ist von Natur aus cool, der Pfälzer ist naturcool. Das was Jugendliche gerne wären und sich antrainieren oder das, was Amis irgendwo in den schwarzen Ghettos als Attitüde erfunden haben, das haben wir automatisch, des is uns genetisch ogebore: Wir sind naturcool. Und deshalb können wir auch nicht bei jedem Ding aus der Haut fahren und rufen „Ach, ist das toll!“. Do saache mir donn halt in unserer überschwänglische Art: Net schlescht. Komma losse ... Sie selbst lieben aber die Superlative? Ja natürlich. Wenn Du nach außen die Pfalz oder die Kurpfalz vertreten willst oder darfst, dann musst Du den Leuten auch etwas erklären. Denen außen erscheint das alles oft provinziell, da heißt es: Was ist das schon? Und wie die da sprechen Adressat der Superlative sind also die Nicht-Pfälzer? Genau. Die Superlative musst Du immer in der Hinterhand haben. Das gilt übrigens auch für jeden normalen Pfälzer, der nicht auf der Bühne steht. Auch der hat immer ein paar Superlative in der Hinterhand, die er dann locker unners aussergewärtige, ungläubige Ketzervolk streuen kann, nach dem Motto: Ich Pälzer – du nix. Ihrem neuen Buch über die Kurpfalz merkt man ein Anliegen an: Der Rhein soll keine Grenze, nichts Trennendes sein, er soll etwas Verbindendes sein. Der pfälzische Sprachraum ist eben nicht am Rhein zu Ende. Der geht weiter. Nach Mannheim, nach Heidelberg, bis in den Odenwald. Mir geht es oft so: Ich steige in Bad Dürkheim ins Auto und ich steige in Eberbach aus und denke: Bis auf ein paar Laute, die bissel verschobe sin, babbeln die doch fascht genauso wie bei uns. Sie sind fürs Brückenschlagen. Aber in Ihrem Buch heißt es dazu: „riwwer un niwwer, vun de schää uff die dabbisch Seit“. Warum sollte ich denn „riwwer uff die „dabbisch Seit“ wollen? Damit man die schää Seit noch schääner empfindet. Denn grad des Schääne nimmt man ja oft für selbstverständlich. Je nach Betrachtungsweise ist die schää Seit immer die, auf der man gerade steht. Also sind beide Seiten schää oder beide Seiten dabbisch – genau des macht unser Region jo aus, des dabbisch-schääne hiwwe-driwwe-Gebabbel.

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