Rheinland-Pfalz „Uffbasse!“

Rote Mahnung auf Pfälzisch: Tempoanzeige in Niederhorbach.
Rote Mahnung auf Pfälzisch: Tempoanzeige in Niederhorbach.

«Niederhorbach». Viele Lastwagen, und noch mehr Pkw. Die Bundesstraße 38 zwischen Landau und Bad Bergzabern ist eine viel befahrene Strecke. Der 500-Einwohner-Ort Niederhorbach hat zwar seit 2002 eine Ortsumgehung. Doch sie führt so nah an dem Weindorf vorbei, dass ein kleiner Teil der Häuser auf der anderen Seite liegt. Deshalb gilt in diesem B 38-Abschnitt Tempo 50. Wer dennoch zu schnell heranrauscht, der wird von der Leuchtschrift einer Tempomessanlage zur Ordnung gerufen: „Uffbasse“, heißt es dann zusätzlich zur angezeigten Geschwindigkeit. Ein freundliches „Basst“ erhalten all jene, die das Tempo rechtzeitig gedrosselt haben. Dass hier nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern mit Pfälzer Humor Verkehrsberuhigung betrieben wird, hat sich als Volltreffer erwiesen. „Die meisten halten sich dran“, sagt Ortsbürgermeister Ralf Lorenz. Als die Anlage im September installiert wurde, habe man sie erst einmal eine Woche lang ohne Anzeige betrieben – aber trotzdem schon gemessen. Das Ergebnis war niederschmetternd: 76 Prozent der Autofahrer hätten das Tempolimit missachtet, berichtet Lorenz. Seit aber jetzt das „Uffbasse“ bei Verstößen aufleuchtet, ist die Welt an der Niederhorbacher Orts-Vorbeifahrt eine völlig andere: Rund 80 Prozent der Verkehrsteilnehmer beachten nun die vorgeschriebene Geschwindigkeit. Die Erfahrung, die der Südpfälzer Weinort macht, deckt sich mit den Ergebnissen einer Langzeit-Studie aus dem Jahr 2009, für die Verkehrswissenschaftler der Technischen Universität Dresden rund 9,4 Millionen Geschwindigkeitswerte von mehreren Anlagen in Berlin ausgewertet hatten. Dabei wurde vor allem die Wirksamkeit von Geschwindigkeitsanzeigen mit einem sogenannten Dialog-Display untersucht. Das sind Anlagen, die mit Lob und Tadel arbeiten: Autofahrer, die sich an die Vorgaben halten, bekommen zusätzlich zur angezeigten Geschwindigkeit eine positive Rückmeldung. In der Regel in Form eines freundlichen „Danke“ oder eines lachenden Smiley-Gesichts; Rasern leuchtet dagegen ein warnendes „Langsam“ oder ein enttäuscht blickender Smiley entgegen. Die Ergebnisse waren eindeutig: Tempoanzeigen verringern die Durchschnittgeschwindigkeit innerorts um 1,6 bis 6 km/h. Am wirksamsten sind dabei Tafeln, die nicht nur die gefahrene Geschwindigkeit anzeigen, sondern obendrein eine bewertende Rückmeldung geben. Wie „Langsam“ und „Danke“. Oder eben „Uffbasse“ und „Basst“. Der Verband der Deutschen Versicherungswirtschaft, der die Studie in Auftrag gegeben hatte, sieht solche Dialog-Displays deshalb positiv: Durch die „dynamische Rückmeldung“ in Abhängigkeit von der gefahrenen Geschwindigkeit erhöhe sich die Aufmerksamkeit der Autofahrer. Und es entstehe eine Art soziale Kontrolle: Denn Lob und Tadel sind für alle anderen Verkehrsteilnehmer sichtbar. Mit den Appellen auf Pfälzisch funktioniert diese Art Dialog offensichtlich noch besser. Als im Niederhorbacher Gemeinderat die Idee aufkam, die Anlage Pfälzisch „sprechen“ zu lassen, nahm der Beigeordnete Rainer Keller die Ausgestaltung in die Hand: „Als Kommunikationsdesigner und Werbetexter fühlt man sich da natürlich herausgefordert.“ Das Ergebnis war „Uffbasse“ und „Basst“. Und an dieser Stelle passt es doppelt. Denn der Übergang zwischen dem Ortskern und den Häusern auf der anderen Seite der Bundesstraße liegt in einer Kurve „Das ist nicht ungefährlich“, weiß Keller. Mit der Pfälzer Tempoanzeige wurde die Situation deutlich entschärft. Das Wortspiel sei griffig und exakt, sagt der Beigeordnete: Um was es gehe, werde damit zwar mit Charme, aber unmissverständlich auf den Punkt gebracht. Das besondere Interesse der Versicherungswirtschaft an gut funktionierenden Tempowarnanzeigen gerade im Ortsbereich liegt auf der Hand: Die meisten Verkehrsunfälle ereignen sich innerorts. Zudem sind dort Fußgänger und Radfahrer am häufigsten unterwegs: 95 Prozent aller im Straßenverkehr verletzten Fußgänger und 90 Prozent aller Radfahrer verunglücken innerhalb der Stadt- und Ortsgrenzen. Gerade dort können Tempomessanlagen mit Dialog-Display dazu beitragen, die Unfallzahlen zu senken. In Rheinland-Pfalz empfehlen deshalb beispielsweise Verkehrswacht und Unfallkasse den Eltern bei der Wahl des sichersten Schulwegs für ihre Kinder: „Gut sind mittels Dialog-Displays gesicherte Straßen, die vorsichtiges Fahren loben und Raser ermahnen.“ Dass sich das „Uffbasse“ abnutzt, glaubt Ortsbürgermeister Lorenz nicht: „Wenn ich von mir ausgehe, will ich bei anderen Anlagen immer wieder den Smiley zum Lachen bringen.“ Der Studie der Dresdener Verkehrswissenschaftler stützt diese Erkenntnis: Bei Anlagen mit Dialog-Display gab es – anders als bei konventionellen Anzeigen – keine Gewöhnungseffekte. Allerdings: Sie wirken nur, wenn sie aktiv sind. Werden die Geräte abgebaut, kehren die Verkehrsteilnehmer schnell wieder zu ihrem ursprünglichen Tempoverhalten zurück. Der Niederhorbacher Gemeinderat hat auch hier längst die richtigen Konsequenzen gezogen. Gerade wurde eine zweite Tempomessanlage bestellt. Damit das „Uffbasse“-„Basst“ jetzt auch in der Gegenrichtung aufleuchten kann. Info Die Bilanz der Verkehrsunfälle in Rheinland-Pfalz für 2018 stellt der Mainzer Innenminister Roger Lewentz heute vor.

Grünes Lob bei der Ortsdurchfahrt: Basst.
Grünes Lob bei der Ortsdurchfahrt: Basst.
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