Rheinland-Pfalz Land hält an Jagd auf Kormoran fest

Seit 2009 darf in Rheinland-Pfalz auf den Kormoran geschossen werden.
Seit 2009 darf in Rheinland-Pfalz auf den Kormoran geschossen werden.

Mainz/Berlin. Er ist seit 1979 europarechtlich geschützt, dennoch darf der Kormoran in Rheinland-Pfalz seit 2009 abgeschossen werden. In der abgelaufenen Jagdperiode 2016/16 wurden den Angaben zufolge landesweit 826 dieser Wasservögel getötet. Das sind 27 Tiere weniger als in der Saison davor, aber deutlich mehr als in der ersten Jagdsaison 2009/10: Damals waren es 613 erlegte Kormorane. Die Bundesregierung hält die Kormoranjagd inzwischen – anders als die Landesregierung – für eher kontraproduktiv.

Zur Vorgeschichte. Seit Anfang der 1980er-Jahre hatte der Kormoran zunehmend von seiner Unterschutzstellung profitiert: Es erfolgte eine Bestandserholung dieser zuvor massiv verfolgten Art, die bis auf Reste dezimiert worden war. Aber durfte man deshalb erneut Jagd auf den Kormoran machen? „Ja“, meinte die damalige SPD-Landesregierung in Mainz und hatte 2009 mit einer Verordnung die Kormoranjagd jeweils vom 15. August bis zum 15. Februar ermöglicht. Begründet wurde dies mit dem Schutz bedrohter oder wieder angesiedelter Fischarten wie dem Lachs. Der Kormoran steht in dem Ruf, ein unersättlicher Fischfresser zu sein. Deshalb hatten Angler und Fischteichbesitzer immer wieder dessen Dezimierung gefordert. Rechtlich ist das Vorgehen in Ordnung: Zwar war der Kormoran durch die Europäische Vogelschutzrichtlinie 1979 unter Schutz gestellt worden, doch nach dem Bundesnaturschutzgesetz können die Bundesländer Ausnahmen von den strikten EU-Vorschriften zulassen. Dennoch war die rheinland-pfälzische Abschussverordnung von Anfang an umstritten. Zweifel hatte unter anderem auch die Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Die Abschüsse hätten keinen Einfluss auf die Bestände gehabt. Die entstandenen Lücken seien durch den Zuzug aus anderen Gebieten umgehend wieder aufgefüllt worden, lautete 2010 ein erstes Fazit der Vogelschutzwarte. Sie war mit dem Kormoran-Monitoring beauftragt – also der Untersuchung und Zählung der Bestände in Rheinland-Pfalz. Für das Mainzer Umweltministerium sprechen solche Befunde freilich nicht gegen, sondern für ein Festhalten an der Verordnung. Der letzte Monitoringbericht über den Zeitraum Winter 2015/2016 zeige, dass der Kormoranbestand weiterhin stabil ist, sagte Ministeriumssprecherin Stefanie Lotz. Der Bericht gebe daher – genau wie in den vergangenen Jahren – auch aus Sicht des Naturschutzes „keinen Anlass zu einer Überarbeitung der Verordnung“. Ursprünglich war ein solcher Schritt für 2017 in Aussicht gestellt worden, doch die Überarbeitung der Verordnung ist jetzt offensichtlich erst einmal vom Tisch. Rheinland-Pfalz nehme aber nach wie vor am „Runden Tisch Kormoran“ des Bundes teil, um auch über die Ländergrenzen hinweg die aktuelle Entwicklung des Kormorans im Blick zu behalten und gegebenenfalls handeln zu können, sagte Lotz. Diese Bund-Länder-Arbeitsgruppe war 2011 auf Beschluss der Agrarministerkonferenz eingerichtet worden. Sie hat seither fünfmal getagt. Vom ursprünglichen Ziel eines nationalen Kormoran-Managements auf Bundesebene hat sich die Arbeitsgruppe freilich bereits verabschiedet: Dies sei wegen der Zuständigkeit der Länder nicht durchführbar, teilte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), mit. Rheinland-pfälzische Umweltverbände wie Nabu, BUND und Gnor haben die Landesverordnung in der Vergangenheit mehrfach kritisiert: Allenfalls in Ausnahmefällen sei es sinnvoll, gegen Kormorane vorzugehen. Eine Vertreibung oder Tötung der Tiere könne gerechtfertigt sein, wenn etwa ein konkreter Fischzüchter durch die Vögel erhebliche wirtschaftliche Einbußen erleide. Landesweit sei die Regulierung der Kormoranbestände aber nach wie vor unnötig. Die Jagd entlang der großen Flüsse habe vielmehr dazu geführt, dass aufgeschreckte Kormorane sich zunehmend an kleineren Gewässern niederließen. Auch die Bundesregierung hat sich unlängst ähnlich kritisch über die Kormoran-Bejagung geäußert. Dadurch würden „weder die Brut- noch Rastbestände der Art dauerhaft dezimiert“; die durch die Abschüsse erzielten Lücken würden vielmehr „durch Zuzügler aus anderen Gebieten gefüllt“, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Abgeordneten der Linken-Fraktion. Durch Abschüsse und andere Vergrämungsmethoden werden nach Auffassung der Bundesregierung „in vielen Fällen noch zusätzliche Probleme hervorgerufen“. Dazu zähle das Ausweichen von Kormoranen auf Gewässer, an denen die Art bisher nicht vorkam. Durch die Vertreibungs- und Jagdaktivitäten komme es außerdem vermehrt zum „fluchtartigen Auffliegen“ der Kormorane; dies führe zu einem Energieaufwand, den die Vögel durch verstärke Nahrungsaufnahmen kompensieren müssten. Dass man auf sie Jagd macht, schürt also erst recht den Hunger der Kormorane auf Fisch. Bedroht die Gefräßigkeit der Kormorane nun tatsächlich fischwirtschaftliche Betriebe in ihrer Existenz? In Rheinland-Pfalz und in den meisten anderen Bundesländern offensichtlich nicht, wie eine Abfrage der Bundesregierung für den Zeitraum ab 2010 zeigt. Zwei Ausnahmen gibt es allerdings: In Niedersachsen haben in den vergangenen sieben Jahren ein Betrieb der Fluss- und Seefischerei sowie zwei Karpfenteichwirtschaften den Betrieb eingestellt, in Schleswig-Holstein war es ein Haupterwerbsteichwirt. Maßgeblich zu diesen vier Geschäftsaufgaben beigetragen hätten „insbesondere auch die anhaltend hohen Fischverluste durch Kormorane“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linken-Fraktion.

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