Rheinland-Pfalz Frauenarzt muss bald in Haft

SCHIFFERSTADT

/KARLSRUHE. Etwa vier Wochen dürfte es noch dauern, dann muss der Frauenarzt aus Schifferstadt seine Haftstrafe antreten: Dreieinhalb Jahre soll er hinter Gitter, weil er Patientinnen jahrelang heimlich bei der Untersuchung fotografierte. Dieses Urteil hatte das Frankenthaler Landgericht schon im November 2013 verhängt, doch rechtskräftig ist es erst jetzt geworden. Denn der Mediziner hatte sich gewehrt: Auf 26 Seiten breitete sein Anwalt Götz Stuckensen die Kritik an der Frankenthaler Entscheidung aus. Daher ging das Verfahren an Deutschlands oberste Instanz für solche Fälle, den Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Der hat gestern seinen Beschluss verkündet – und ist in einem Punkt tatsächlich auf Anmerkungen des Verteidigers eingegangen. Hintergrund: Wer mit heimlich gemachten Fotos die Privatsphäre anderer Menschen verletzt, macht sich strafbar. Doch bestraft wird so ein Täter nur, wenn das Opfer das auch fordert. Also konnte die Staatsanwaltschaft im Prozess nur Fälle vorbringen, in denen die Patientinnen einen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Der Bundesgerichtshof allerdings hat in diesem Punkt Lücken in den Prozessakten entdeckt, deutet seine Bedenken in seiner Stellungnahme aber nur an. Klar ist: Es geht jeweils um minderjährige Patientinnen. Die Karlsruher Richter bestehen darauf, dass Strafanträge von beiden Elternteilen unterschrieben werden, wenn beide das Sorgerecht haben. Doch im Frauenarzt-Fall hatten nach RHEINPFALZ-Informationen oft nur die Mütter unterzeichnet. Daher haben die Karlsruher Richter zwölf von insgesamt 1467 Fällen der „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ aus dem ursprünglichen Urteil ausgeklammert. Doch zugleich sind die Karlsruher Richter überzeugt: Wäre der Gynäkologe nur wegen 1455 Fällen verurteilt worden, wäre doch das gleiche Ergebnis herausgekommen. Also bleibt es bei dreieinhalb Jahren Haft für den 60-Jährigen. Einen Gutteil der Strafe hat er sich ohnehin nicht mit den Fotos eingebrockt. Neben insgesamt etwa 36.000 Fotos auf Computern, externen Festplatten und CDs hatten Ermittler auch kurze Filmaufnahmen von Untersuchungen entdeckt. Ein Gynäkologie-Professor sagte als Gutachter vor Gericht: In drei Fällen sehe er auf diesen Sequenzen, wie sein Kollege in der Schifferstadter Praxis Handlungen vornehme, die für ihn medizinisch nicht begründbar seien. Für die Frankenthaler Richter war damit klar: Der Angeklagte hatte sexuelle Gründe. Also verurteilten sie ihn auch wegen sexuellen Missbrauchs. Obendrein griffen sie auf ein Spezialgesetz zurück. Es sieht besonders harte Strafen für Ärzte vor, die ihre Stellung ausnutzen, um sich an Patienten zu vergreifen. Doch die Vorschrift bezieht sich auf die „Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses“. In der Schifferstadter Praxis allerdings fanden auch viele Vorsorge-Untersuchungen statt. Dass die mitgemeint sind, ist unter Juristen umstritten. Der Bundesgerichtshof schweigt dazu ebenso wie zu weiteren Kritikpunkten des Arzt-Verteidigers Stuckensen. Er hatte unter anderem angeführt, dass die Richter die psychischen Probleme seines Mandanten zu wenig berücksichtigt hätten. Nun reagiert er zurückhaltend: „Ich habe das zur Kenntnis zu nehmen und nicht zu bewerten.“ Unbefriedigend findet der Frankenthaler Jurist vor allem, dass der Bundesgerichtshof auf eine mündliche Verhandlung verzichtet und sich mit dem bloßen Studium der Frankenthaler Akten begnügt hat. „Ich hätte meine Argumente gerne selbst vorgebracht“, sagt Stuckensen. „Ich kann nur hoffen, dass die Richter den Fall wirklich sorgfältig geprüft haben.“ Mit ihrem Beschluss haben die Karlsruher Richter nicht nur die meisten Einwände des Frauenarztes ignoriert, sondern auch zwei Patientinnen abblitzen lassen. Ihr Anwalt Tobias Hahn hatte das Frankenthaler Urteil als zu milde eingestuft. Begründung: Schon das heimliche Fotografieren sei als sexueller Missbrauch zu werten. Nun allerdings sagt er: Sein wichtigstes Anliegen sei gewesen, dass die Strafe nicht abgemildert wird. Dass es bei dreieinhalb Jahren Haft bleiben wird, sei für ihn und seine Mandantinnen eine gute Nachricht.

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