Rheinland-Pfalz Das Pfälzer Gute lag doch so nah

Wer auf die falsche Rhein-Seite kommt, den bestraft das Leben. Das hat vor ein paar Wochen Heidi Klum erfahren. Mit dem Finale von „Germany’s Next Topmodel“ – eine Dauerwerbesendung für Kosmetika und Kleinwagen mit immer noch gut zwei Millionen Zuschauern – hatte sie die Pfalz knapp verfehlt, sich stattdessen in die Mannheimer SAP-Arena gemietet. Die Quittung folgte prompt: Bombendrohung, Abbruch, Flucht. Doch auch im Nachhinein war die Frau mit der entsetzlichen Stimme kein bisschen schlauer: Obwohl das Pfälzer Gute so nahe lag, suchte sie das Weite. Und kürte ihre Gewinnerin in New York. Dazu durften die Finalistinnen ein paar Freunde und Bekannte mitbringen, das Publikum in der Halle war also ungefähr so zusammengesetzt wie das Auditorium beim Auftritt einer Musikschul-Anfängergruppe. Oder beim Jahreskonzert eines mit brüchigen Stimmen seiner Selbstauflösung entgegenzitternden Männergesangvereins. Dabei hätten Klum und ihre Kleiderpüppchen mit etwas mehr Geduld und in nur 31,8 Straßenkilometern Entfernung von der SAP-Arena eine großartige Kulisse haben können. In der Sommerfesthalle in Otterstadt (Rhein-Pfalz-Kreis) findet heute der Otter-Rock statt. Dessen Erfinder holt seit 2004 alljährlich Legenden der Musikgeschichte in sein 3000-Einwohner-Dorf: die österreichischen Klamauk-Popper von der „Ersten Allgemeinen Verunsicherung“ etwa, den selbst ernannten „Meister“ Guildo Horn oder die legendären rosa Franken-Kracher von „J.B.O.“. Als Vorgruppe treten diesmal die Lokalmatadore von „Grand Malör“ an. Und als Stars des Abends die – vermutlich buchstäblich – unsterblichen Herren von der „Spider Murphy Gang“. In der Pause zwischen beiden Kapellen hätte Klum Zeit gehabt, um zu erledigen, was zu erledigen ist: ohne nähere Erläuterung der Kriterien aus drei verbliebenen Bewerberinnen die zum nächsten Topmodel zu ernennen, die es halt werden soll. Vorteil für die „Meeedchen“: Sie hätten sich bis dahin beim Otterstadter Fasnachtsverein Bratwürste holen und so an einem gesünderen Aussehen arbeiten können. Vorteil für die Jury: Neben der „Spider Murphy Gang“ hätte nicht nur die alternde Blondine, sondern sogar ihr Ko-Juror Wolfgang Joop relativ jung ausgesehen. Vorteil für die Geldgeber: Dank Nähe zum Rhein ließen sich neben den üblicherweise arg plump in Großaufnahme gefilmten Kosmetika auch Autan-Fläschchen ungezwungen beschleichwerben. Überhaupt, der Rhein: Schon das Übersetzen mit der schnittigen Altriper Fähre hätten die Möchtegern-Models für ein glamouröses Fotoshooting nutzen können. Auch Leberwurstinsel sowie Biersieder-, Kuhunter- und vor allem der Gänsedrecksee wären inspirierende Locations gewesen. Und wenn’s noch ein bisschen verruchter hätte sein sollen, hätte man die Bewerberinnen ja auch zwischen die Nacktbader am Binsfeld-Strand stellen können. Vor allem aber: Die jungen Frauen hätten vom Otter-Rock wirklich Bleibendes mitnehmen können. Das zeigt der „J.B.O.“-Musiker Hannes „G. Laber“ Holzmann. Er ist nach eigenen Angaben für „Vokalmasochismus, Saitensprünge, Kniebanjo, Bohrmaschine, hochgradig verzerrte elektrische Stromgitarre, Bratpfanne, Gesang, Gebrüll und alles zwischendrin“ zuständig. Und genau so führt er sich auch auf. Trotzdem ist es ihm gelungen, nach seinem Otter-Rock-Auftritt im Jahr 2006 Zwillinge zu zeugen. Also: Selbst Leute, denen man es gar nicht zutrauen würde, kriegen hier etwas hin, was Hand und Fuß hat. Vielleicht ist das ja eine Perspektive für die Teilnehmerinnen der nächsten Topmodel-Staffel. Falls sie nicht wieder auf der falschen Rhein-Seite landen.

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