Spinnentiere Spinnenläufer breiten sich auch in der Pfalz aus

Mit 30 Beinen gut zu Fuß: Ein Spinnenläufer, fotografiert vor kurzem in einem Darmstädter Wohnzimmer.
Mit 30 Beinen gut zu Fuß: Ein Spinnenläufer, fotografiert vor kurzem in einem Darmstädter Wohnzimmer.

Obwohl ihr Körper nur drei Zentimeter misst, gelten sie als ungemein flinke Muskelprotze: Immer häufiger werden Spinnenläufer auch in der Pfalz gesichtet. Für ihre Ausbreitung sorgt nicht nur der Klimawandel, wie der Haßlocher Biologe Oliver Röller beobachtet hat. Diese Krabbler wissen auch den Öffentlichen Nahverkehr zu schätzen.

Wer einem Spinnenläufer das erste Mal begegnet, wird dies so schnell nicht vergessen. Mit ihren 30 Beinen wirken die Tiere, als kämen sie direkt aus einem tropischen Urwald. Meist gehen die Krabbler nachts auf die Jagd. Dann durchstöbern sie Keller, gerne aber auch Bad, Wohn- oder Schlafzimmer nach Insekten und Spinnen. Mit ihren antennenartigen Fühlern finden sie auch im Dunkeln zuverlässig ihre Beute. Flucht ist meist zwecklos: Ihre langen, dünnen Beine weisen jeweils 34 verschiedene Muskeln auf. Und ein hoch entwickeltes Atmungssystem sorgt dafür, dass ihnen nicht die Luft ausgeht. Solchermaßen ausgestattet können diese tierischen Sportskanonen bis zu 42 Zentimeter pro Sekunde zurücklegen.

Flinker Insektenjäger

Wer nach dem ersten Schrecken versucht, diesen Mitbewohner zu fangen, um ihn ins Freie zu komplimentieren, wird in der Regel ins Leere greifen: Eben noch da, hat sich der Spinnenläufer schon wieder aus dem Staub gemacht.

Das ist vielleicht auch besser so. Diese Tiere besitzen nämlich zwei kräftige Giftklauen, mit denen sie ihre Beute blitzschnell betäuben. Anschließend werden die Insekten und Spinnen „ausgezuzelt“, zurück bleibt nur die leere Chitinhülle. Aus dem badischen Kehl gibt es einen Bericht, wonach ein Spinnenläufer einen Mann in den Fuß gestochen habe, als der nachts aus dem Bett stieg. Erst nach drei Tagen sollen die Schmerzen wieder verschwunden sein. Biologe Röller hält die Krabbler aber dennoch für harmlos. In Südeuropa werden sie nach seinen Worten als nützliches Haustier geschätzt, das die Wohnung von lästigem Ungeziefer frei hält.

Im Winter lockt das Haus

Während die Spinnenläufer in der warmen Jahreszeit meist ein verborgenes Leben im Freien führen, verlegen sie im Winter ihr Jagdrevier nicht selten in Häuser, sagt Röller, der in Haßloch das Institut für Naturkunde in Südwestdeutschland leitet. Doch wie verbreitet sind diese ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammenden Tiere? Bereits im Juli 2016 hat der Biologe die RHEINPFALZ-Leser nach entsprechenden Beobachtungen gefragt. Schon damals gab es 115 Rückmeldungen.

Da die RHEINPFALZ-Berichte auch über das Internet verbreitet wurden, erreichen Röller seitdem immer wieder Meldungen von Lesern mit entsprechenden Fotos von ihren Spinnenläufer-Begegnungen. Dadurch liegen dem Biologen inzwischen Sichtungen aus einer Region zwischen Saarbrücken im Westen und dem bayerischen Klingenberg am Main im Osten vor. Worms und Darmstadt markieren die nördliche Grenze, aus dem Süden kamen Beobachtungen unter anderem aus Neuburg (Kreis Germersheim) und dem badischen Ettlingen. Schwerpunkt ist der Rheingraben und dort insbesondere Neustadt und die Weinstraße.

Allerdings, so Röller: „Anfangs fand man die Tiere in Rheinland-Pfalz nur in den wärmebegünstigten Region, zum Beispiel an Trockenmauern in Weinbergen und in den dortigen Siedlungsgebieten. Vor allem im Mittelrheintal.“ Eine Ausbreitung in weniger wärmebegünstigte Gebiete sei zunächst nicht beobachtet worden. „Doch das hat sich inzwischen geändert.“ Erste Nachweise, wenn auch bisher nur wenige, gebe es inzwischen zum Beispiel auch aus dem Pfälzerwald, so aus Lambrecht und Ramberg.

Von Gleisanlagen angezogen

Im Zusammenhang mit dem Bauprojekt Stuttgart 21 hat der Biologe auch an einer Mauereidechsen-Umsiedlung im Rangierbahnhof von Stuttgart-Untertürkheim mitgearbeitet. Bei dieser Gelegenheit hat er dort auch eine enorme Anzahl der Spinnenläufer beobachtet. Außerdem gab es bei dem RHEINPFALZ-Leseraufruf im Sommer 2016 Hinweise, wonach ein Exemplar in der Regionalbahn bei Edenkoben sowie mehrere Tiere an Bahnhöfen wie Mannheim, Osterburken und Bensheim gesichtet worden waren.

Nach einem Vergleich der Fundorte mit den Bahnlinien in der Region besteht für Röller kein Zweifel: Die Spinnenläufer verbreiten sich offensichtlich entlang der Gleisstrecken. Dafür gibt es nach seinen Worten auch eine einfache Erklärung. Die wärmeliebende Art weiß eben nicht nur Weinbergterrassen, sondern auch den Schotter der Bahnstrecken zu schätzen. Der heizt sich vor allem im Sommer auf. In dessen Klüften können die Tiere auch überwintern. Selbst die Spritzmittel, mit denen das Unkraut in den Gleisanlagen bekämpft wird, können ihnen dort offensichtlich nichts anhaben.

Beobachtungen melden

Röller ist weiter an dem Thema interessiert. Deshalb bittet er RHEINPFALZ-Leser, die selbst schon Spinnenläufer beobachtet und fotografiert haben, per Mail um Hinweise unter o.roeller@natur-suedwest.de. Und um Verwechslungen mit anderen Krabblern auszuschließen, bittet der Biologe darum, die Meldung möglichst auch mit einem „Beweisfoto“ zu versehen.

Hat Appetit auf Insekten und Spinnen: der Spinnenläufer.
Hat Appetit auf Insekten und Spinnen: der Spinnenläufer.
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