Kreis Bad Dürkheim Erinnerungen zum Jahrestag des Tornados: „Stumm, starr – und in Todesangst“

Tornadoalarm: Die Windsäule aus dem Auto gesehen.
Tornadoalarm: Die Windsäule aus dem Auto gesehen.

Ein Tornado F1 ist für den Deutschen Wetterdienst nichts Besonderes. Für zwei Gemeinden im Kreis Bad Dürkheim aber war der 12. Juli 2019 ein Schock – als eine Windhose durch ihr Dorf wirbelte, Häuser abdeckte und Reben umknickte. Die Spuren sind längst beseitigt, finanziell aber wirken die Schäden nach. Gänsehaut bekommen jene, die es erlebt haben, noch heute.

„Plötzlich herrschte Totenstille. Alle Vögel waren wahnsinnig schnell weg.“ Winzer Markus Hinterbichler, 33, erinnert sich noch genau an jenen Freitagnachmittag, als sich der Himmel über Bobenheim am Berg (Kreis Bad Dürkheim) verfinsterte und ihm klar wurde: „Da ist was im Busch.“ Etwas, das er noch nie zuvor erlebt hatte.

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Er fuhr gerade in eine andere Rebparzelle, als er in Richtung Nordwesten, auf dem erhaben liegenden Battenberg „eine große Plane oder ein Zelt“ hochfliegen sah. Er drehte ein Video und dachte, „mein Gott, was ist das? – ein kleiner Tornado“. Als die kreisende Luftsäule zehn, fünfzehn Minuten später bei ihm im Ort ansauste, sprach er nicht mehr von „klein“. „Ich bekomme jedes Mal Gänsehaut, wenn ich daran denke, was passiert ist“, sagt der Winzer ein Jahr danach.

Abgedeckte Dächer, umgeknickte Reben

Passiert war folgendes: Ein Tornado der Kategorie F1 fegte am 12. Juli gegen 17 Uhr über die Verbandsgemeinde Freinsheim und das Leiningerland. Am schwersten getroffen wurde die Gemeinde Bobenheim am Berg – in der Stichstraße Dackenheimer Weg. Dort wurden elf Häuser teils massiv beschädigt, zwei Gebäude waren unbewohnbar, später sprach die Feuerwehr von bis zu 20 betroffenen Häusern – manche hatten Schäden im Inneren.

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In Battenberg traf es die protestantische Kirche. Eine Frau wurde leicht verletzt. In der ganzen Region stürzten Bäume um, Reben knickten samt der Metallpfähle reihenweise um. Allein in Bobenheim waren an jenem Abend 120 Einsatzkräfte vor Ort, darunter 80 Feuerwehrleute sowie das Technische Hilfswerk (THW) – teils bis spät in die Nacht.

Stille statt Panik

Bodo Wenngatz, 55, Sprecher der Feuerwehr der Verbandsgemeinde Freinsheim, traf an jenem Freitag gegen 17.30 Uhr in Bobenheim ein und erinnert sich, dass dieser Einsatz „ganz anders war als andere“. Schon die Alarm-Textnachricht hatte ihn irritiert. „Ich habe sie drei Mal gelesen.“ Da stand die Zahl zehn. Er dachte, ein Sturm habe die Hausnummer zehn im Dackenheimer Weg getroffen. Es waren aber gleich zehn Häuser betroffen. Und anders als sonst, wenn beim Eintreffen der Wehr „Panik und angsterfüllte Rufe“ die Atmosphäre vor Ort prägten, „herrschte hier eine unheimliche Stille“. Es wehte nur noch ein laues Lüftchen.

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„Die Leute standen stumm und starr da. Erst langsam kamen sie aus den Häusern. Sie hatten Todesangst.“ Je weiter die Einsatzkräfte im Dackenheimer Weg gingen, desto größer die Verwüstungen. „Am Ortsrand war alles abrasiert.“ In manchen Gebäuden rann das Regenwasser durchs ganze Haus, einige Dachstühle sahen aus, als seien sie im Rohbau. Auch für Wenngatz war es der erste Tornado. Das Bild der Mutter mit ihren zwei Kindern, die „zitternd und klappernd“ vor ihm standen, bleibt. „Ich muss das nicht noch einmal haben“, sagt er. Das empfinden im Dorf sicher viele so. Aber nicht alle wollten und wollen mit der Presse darüber reden, nachdem das Ereignis etliche Fernsehteams, Fotografen und auch Schaulustige angelockt hatte. Das gefiel nicht allen.

Wieder alles „wie vorher“

Im Dorf sind sie froh, dass niemand ernsthaft verletzt wurde. Noch am Abend hatte eine Dachdeckerfirma mit der Arbeit begonnen, das THW eine Giebelwand abgestützt, überall wurden umgeknickte Bäume abgesägt und zur Seite geschafft, ebenso Ziegel. Der Sachschaden wurde zunächst in „sechsstelliger“ Höhe angegeben; das dürfte nicht reichen.

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Allein die Sanierung der Battenberger Kirche wurde zuerst mit 100.000 Euro beziffert – bei der Begutachtung wurden auch ältere Schäden entdeckt. Jetzt geht die Kirchengemeinde eher von 300.000 Euro aus, bis wieder alles gemacht ist. Seit einem Jahr schon ist die Glocke stumm. In Bobenheim sind längst alle Häuser wieder bezogen und repariert. „Alles wie vorher“, sagt der 78-jährige Bernd Schuhmann aus dem Dackenheimer Weg heute. Bei ihm und seiner Frau wurden damals das Hausdach, das Gewächshaus und das Auto demoliert. „Über 40.000 Euro Schaden.“ Die Versicherung habe alles übernommen. „Das Prämie zahlen hat sich mal gelohnt“, findet er und lacht.

200 000 Euro und 12 000 Stickel

Einen deutlich größeren Schaden beklagen manche Winzer. Als der Tornado anfegte, war im Weingut Spielmann-Schindler so gut wie alles vorbereitet für die Weinlese. Vor allem in den Wiederaufbau im Wingert hätten sie rund 200.000 Euro gesteckt, sagt Chefin Maren Schindler, 42 Jahre. 12.000 Stickel, Metallpfähle, die die Reben stützen, mussten erneuert werden, und auch etliche Pflanzen. „Die Stickel waren wie abgeflext.“ Auf fast 25 Hektar ihrer 65 Hektar Gesamt-Anbaufläche hätten Reben „umgelegen“. Es gab viel zu tun. „In vier Tagen hatten wir 1500 Arbeitsstunden, wo es sonst etwa 40 sind“, so Maren Schindler.

Weinbauer Hinterbichler beziffert seine Einbußen durch den Ernteausfall 2019 auf bis zu 40.000 Euro. Auch die Qualität des Weins habe gelitten: „Die verletzten Trauben haben zu mehr Bittertönen geführt“, sagt er. Beide Winzer rechnen noch mit „Nachwehen“, die sich auch künftig finanziell niederschlagen werden.

Zwei Meter hochgerissen

Eines hat der Tornado aber offensichtlich auch gezeigt: viel Nachbarschaftshilfe. Kaum jemand, der das nicht erwähnt. „Gigantisch“, heißt es dann stolz im Gespräch. Am Sonntag, am Jahrestag, wird privat an das Ereignis erinnert: mit einem kleinen Straßenfest, einem Tornado-Helfer-Brunch.

Und noch jemand wird sich an den Tag im Juli erinnern: das Ehepaar Monica und Marco Weßling aus Ludwigshafen. Sie bereiteten an dem Freitag gerade ihre Hochzeit auf der Burg Battenberg für den darauffolgenden Tag vor, als die Windhose den Bräutigam zwei Meter hoch in die Luft riss und das zwölf Meter lange Festzelt ruinierte. Dessen Plane hatte Winzer Markus Hinterbichler vermutlich gesehen, als ihm schwante, dass da „etwas im Busch ist“.

Stichwort: Tornado

Erst drei Tage nach dem Unwetter vom 12. Juli 2019 bestätigte der Deutsche Wetterdienst (DWD), dass es sich dabei um einen Tornado gehandelt hatte. Zur Einordnung waren Augenzeugenberichte und Videobilder nötig, die belegten, dass der Wirbel den Boden berührte. Laut dem DWD-Tornado-Beauftragten, Andreas Friedrich, war es ein schwacher bis mäßiger Tornado der Kategorie F1 mit einer Schadenslänge von fünf Kilometern. Tornados sind keine Seltenheit – in Deutschland werden pro Jahr bis zu 60 nachgewiesen. Der stärkste Tornado Deutschlands jüngerer Zeit traf Pforzheim am 10. Juli 1968 (Kategorie F4) – ein tödlicher Wirbel. Zwei Menschen starben, rund 200 wurden verletzt. Ereignisse der Stärke F5 gab es Experte Friedrich zufolge zweimal in Deutschland: vor rund 120 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt. Alte Stiche zeigen demnach die Folgen der Verwüstung aus dem Jahr 1800. Eine Häufung von Tornados ist laut DWD nicht zu beobachten – der Klimawandel zeige sich hier nicht.

Abgedeckt: Haus in Bobenheim im Dackenheimer Weg, Juli 2019.
Abgedeckt: Haus in Bobenheim im Dackenheimer Weg, Juli 2019.
 Umgefegt: Der Battenberger Wolfgang Pahlke zeigt die Schäden im Wingert.
Umgefegt: Der Battenberger Wolfgang Pahlke zeigt die Schäden im Wingert.
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