Panorama Tote Haustiere: Das zweite Leben von Boxer Oscar

Boxer Oscar wurde nur acht Monate Alt. Dank Präparator Michael Sens kehr er „ausgestopft“ zu seinem Besitzer zurück. Foto: dpa
Boxer Oscar wurde nur acht Monate Alt. Dank Präparator Michael Sens kehr er »ausgestopft« zu seinem Besitzer zurück.

Ob Jagdtrophäen oder Familienmitglied auf vier Beinen: Tierpräparator Michael Sens haucht toten Tieren wieder Leben ein. Zumindest optisch. Jahrelang arbeitete er vor allem für Jäger und Trophäensammler. Seit einiger Zeit hat er eine weitere Zielgruppe.

Maschen. Boxer Oscar ist nur acht Monate alt geworden. Dann musste der junge Hund wegen Herzproblemen eingeschläfert werden. Sein Besitzer wollte trotzdem nicht auf Oscar verzichten. Dank eines Tierpräparators aus Norddeutschland muss er das auch nicht. Seit wenigen Tagen steht der braune Vierbeiner stolz im Wohnzimmer des Lübeckers. „Er ist ein Blickfang. Und wie er uns anschaut. Das ist eine tolle Sache“, sagt Lenhard Wagner. Es sei fast so, als stünde er wie früher vor ihnen.

Von der Nase bis zur Schwanzspitze hatte Michael Sens aus dem niedersächsischen Maschen zuvor den eingeschläferten Boxer zu einem lebendig wirkenden Haustier gemacht. „Ich bin zufrieden. So wie er aussieht, da ist Leben drin“, sagt Sens und reibt mit einem feuchten Wattestäbchen die Glasaugen des Hundes sauber.

Dass Haustiere präpariert werden, sieht Sens als neuen Trend. Noch 2018 wurden ihm nur wilde Tiere gebracht. Von der Antilope und den Leoparden über den Rehbock und den Fuchs bis hin zum Dachs und zum Fasan. In diesem Jahr hat der 56-Jährige schon zwei Hunde präpariert – und eine Katze wartet darauf, in ihrem Körbchen lebensnah drapiert zu werden.

Für ihn sei die Arbeit an Haustieren deutlich aufwendiger als die an wilden Tieren. „Die Jäger wollen nur eine Trophäe. Die Besitzer der Haustiere erwarten, dass das Tier danach so aussieht wie vorher.“ Das Modellieren des Gesichts sei deshalb schwieriger. „Das dauert dreimal länger.“

Um aus einem toten Tier ein haltbares Abbild machen zu können, braucht Sens nur die Haut mit den Haaren, also das Fell. Knochen und Innereien werden entsorgt oder können von den Besitzern beerdigt werden, wenn sie das mögen. Bei eingeführtem Fell von exotischen Tieren prüft der Zoll vorher, ob das Tier legal geschossen wurde.

Der Körper des Tieres wird schließlich aus hartem, weiß-gelblichem Schaumstoff modelliert. Für die meisten wilden Tiere wie Rehe, Füchse, Wölfe, Antilopen oder Wildkatzen kann Sens die Formen im Fachhandel kaufen. Für Hunde oder Katzen muss er dagegen selbst Hand anlegen.

Kopf und Körper für den Boxer Oscar formte Sens aus einem Wolfs-Modell. Für die Modellage nutzt er handelsübliche Feilen, eine Schleifmaschine, eine Drahtbürste und Sandpapier. Hier und da wird auch mal gespachtelt. „Da kommt mir meine Ausbildung zum Autolackierer zu gute“, sagt er. Am Ende wird das gegerbte Fell auf die Schaumstoff-Form gezogen, fixiert und mit Glasaugen und einem leichten Farbauftrag vollendet.

Obwohl der Begriff „Ausstopfen“ im Volksmund noch immer üblich ist, hat das tatsächliche Prozedere damit seit mehr als 100 Jahren nichts mehr zu tun. Präparator ist ein Beruf, den man auch lernen kann. Dem Verband der Präparatoren in Deutschland zufolge haben im vergangenen Jahr fast 30 Menschen die Ausbildung abgeschlossen. Bundesweit gibt es mehrere hundert Präparatoren, die sowohl an Menschen als auch an Tieren und Fossilien arbeiten. 240 von ihnen sind im Verband organisiert.

Dessen Vorsitzender, Frank-Michael Weigner, geht davon aus, dass mehr als 2000 geologische, zoologische, botanische und medizinische Präparatoren in Deutschland arbeiten – zum Beispiel für Museen oder wissenschaftliche Institute. Gleichzeitig gibt es auch viele privat arbeitende Präparatoren – wie Michael Sens.

Den Trends zu mehr Dermoplastiken – so der Fachbegriff – von Haustieren bestätigt auch Weigner. „Das ist mehr geworden, weil die Liebe zu den Tieren immer größer wird.“

Für das Lübecker Herrchen des jungen Boxers war die Entscheidung, sich das Tier präparieren zu lassen, schnell ausgemachte Sache. „Ich streichel' ihn jeden Tag. Das ist wunderbar“, sagt der 68-Jährige. dpa

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