Meine Meinung Der Zweibrücker Stadtrat funktioniert auch ohne Koalition

Im Zweibrücker Stadtrat geht es gesitteter zu als zum Beispiel im Parlament der Ukraine auf diesem Foto aus dem Jahr 2015.
Im Zweibrücker Stadtrat geht es gesitteter zu als zum Beispiel im Parlament der Ukraine auf diesem Foto aus dem Jahr 2015.

In Berlin hat die neue Regierungskoalition ihre Arbeit aufgenommen. Rot-Gelb-Grün hat Schwarz-Rot abgelöst. Die Macht wechselte selbstverständlich friedlich, unaufgeregt und ohne böse Worte – so funktioniert Demokratie.Auf Bundesebene schließen sich Fraktionen immer zu Koalitionen zusammen, um die Regierungspolitik in einer Wahlperiode zu bestimmen. Das müsste nicht so sein. Ein Land kann auch von wechselnden Mehrheiten im Parlament regiert werden. Aber im Deutschen Bundestag war das noch nie so.

Wohl aber im Zweibrücker Stadtrat. Im Jahr 2019 haben sich die Bürger einen neuen Stadtrat zusammengestellt. Das ist jetzt zweieinhalb Jahre her, die Wahlperiode ist zur Hälfte um – aber bisher hat sich noch keine Regierungskoalition gebildet. Die Fraktionen machen auch überhaupt keine Anstalten, ein Bündnis zu schmieden.

Rechnerisch wären viele Bündnisse möglich

Gut, der Bürger hat so gewählt, dass immerhin neun Gruppierungen zumindest einen Vertreter ins Stadtparlament bekamen. Da ergibt sich nicht auf Anhieb ein Bündnis. Rein rechnerisch wäre trotzdem einiges möglich. Eine große Koalition aus CDU (elf Ratsmitglieder) und SPD (zehn) zum Beispiel. Oder ein Bündnis aus CDU, Grünen, FWG und FDP. Oder eine Koalition aus SPD, Grünen, Linken (oder FDP) und FWG. Der Möglichkeiten gäbe es noch einige mehr.

Doch die Erfahrung der letzten beiden Jahre hat gezeigt: Es geht oben – der Rat tagt ja meistens oben im Hofenfels-Gymnasium – auch ohne Koalition.

Neun Lager und trotzdem kein Chaos

Obwohl Vertreter aus neun verschiedenen politischen Lagern im Rat sitzen, ist kein Chaos ausgebrochen. Im Gegenteil: Es geht ausgesprochen manierlich zu. Öffentlich trauert kein Stadtratsmitglied der großen Koalition nach, die zwischen 2012 und Januar 2019 das Zepter schwang.

Warum funktioniert das Ganze?

Das liegt zum einen am Stadtvorstand. Dieses Gremium besteht aus Oberbürgermeister Marold Wosnitza, Bürgermeister Christian Gauf und der Beigeordneten Christina Rauch. Gauf und Rauch gehören der CDU an, Wosnitza der SPD. Obwohl die Union also eine Mehrheit im Stadtvorstand hat, spielt sie diese Macht nie aus. Nach außen ist Oberbürgermeister Marold Wosnitza der Macher, aber auch nur, weil die CDU ihn machen lässt. Dadurch fällt auch nicht sonderlich auf, dass Wosnitza sein Amt schon arg lässig führt und ihm die Meinung seiner eigenen Partei recht häufig ziemlich schnuppe ist.

Nur wenige Selbstdarsteller

Das Ganze funktioniert aber auch, weil fast alle Stadtratsmitglieder an der Sache orientiert arbeiten und nicht auf den parteipolitischen Vorteil aus sind. Es gibt im Stadtrat auch nur wenige Selbstdarsteller.

Und obwohl CDU und SPD offiziell nicht mehr gemeinsame Sache machen, sind es doch diese beiden Parteien, auf die sich der Stadtvorstand gemeinhin verlassen kann. Beide Parteien haben ihre Fraktionen enorm verjüngt. Das fällt bei der CDU ins Auge, gilt aber auch für die SPD, bei der der nächste Altersschnitt schon ansteht, weil talentierte Jüngere nachdrängen. Die Jüngeren haben mit den Schlachten der Vergangenheit nichts am Hut. Sie handeln politisch eher pragmatisch als ideologisch.

Und dann gibt ja noch Dirk Schneider Senf dazu

Und so ist es auch kein Wunder, dass in Zweibrücken recht viele Koalitionen denkbar wären. Alle können mit (fast) allen reden. Grüne, FWG, Linke, FDP und die Fraktion „Bürgernah“ betreiben eine konstruktive Politik, sind kompromissfähig und tragen viele Vorhaben von CDU und SPD mit. Selbst die AfD, die sich in Stadträten andernorts mit Schaumschlägereien und Provokationen hervortut, gibt sich in Zweibrücken harmoniebedürftig und trägt viele Beschlüsse mit.

Der Stadtrat: Zu brav? Zu ruhig? Zu einig? Na ja, da gibt es ja noch Dirk Schneider, den abtrünnigen Sozialdemokraten und seine Fraktion „Bürgernah“. Und selbst ein Dirk Schneider, der sich leider zu gern reden hört, tut dem Rat irgendwie gut. Denn bei allem Senf, den er unnötigerweise zu allem und jedem geben muss, legt er zuweilen den Finger in Wunden, die andere gar nicht sehen.

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