Zweibrücken Aparte Klangfarben aus Polen

„Ich bin wegen Tschaikowskys Klavierkonzert gekommen,“ erzählte Carsten Brall beim Gastspiel der Musikfestspiele Saar am Samstagabend in der Zweibrücker Festhalle. „Und ich bin zutiefst beeindruckt von der Virtuosität des jungen Pianisten. Ich spiele selbst Klavier und weiß, wie schwierig das ist. Diese Leichtigkeit, mit der er das hinkriegt, begeistert mich,“ strahlte der Klassik-Fan aus Homburg.

Das dreisätzige Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23 von Peter Tschaikowsky (1840-1893) zeichnete sich in der Interpretation der polnischen Gäste durch seinen lebhaften, kontrastreichen Ausdruck und eine ausgeprägte, typisch romantische Farbigkeit des Klangs aus. Breit flutende hymnenartige Themen änderten sehr schnell ihren Charakter, aus malerischen Klängen wurden fanalartig mahnende Motive, die durch die dezenten Pizzicato-Akzente der Streicher eine vibrierende Spannung entstehen ließen. Virtuose Läufe von Pianist Jonathan Fournel, die sich jedoch nie in reinem Schönklang erschöpften, sondern einen dezidierten Gestaltungswillen erkennen ließen, gaben Impulse für ein neues Orchesterthema, das sich im Dialog mit dem Pianisten mit immer größerer dramatischer Erregung entfaltete. Einen markanten Kontrast dazu stellte das träumerische Klaviersolo des ersten Satzes dar, in dem Jonathan Fournel in sehr subtilem, ausgereiftem Spiel – wie bei einer Ballade ohne Worte im Stil von Franz Liszt oder Frédéric Chopin – einen idyllischen Ruhepunkt setzte, bevor das Orchester seinen Entwicklungsprozess wieder aufgriff und im korrespondierenden Wechselspiel mit dem Pianisten fortführte. Einen weiteren Ruhepunkt stellte eine elegische Holzbläsermelodie dar, die eine volkstümliche Note in das Werk einbrachte und sich zu einem malerischen orchestralen Klangpanorama entfalten sollte, das die Filharmonia Podkarpacka in federnder Elastizität mit vielen Klangfarben- und Ausdrucksschattierungen ausgestaltete. Der dritte Satz des Konzertes bezog seine Spannung und Dynamik aus dem Gegensatz zwischen dem hochvirtuosen, nuancenreich und sehr souverän interpretierten Klaviersolo von Jonathan Fournel und dem marschähnlichen, beschwingten Orchesterthema, das sich zu einem furiosen Finale steigerte. Ein spannungsreiches und doch ausgewogenes hochromantisches Klangbild zeichnete auch die Interpretation von Tschaikowskys Sinfonie Nr. 3 D-Dur op. 29 durch die Filharmonia Podkarpacka unter Leitung von Wojciech Rajski aus. Aus dezenten Impulsen baute das Orchester in apartem, kontrastreichem Klangfarbenspiel kraftvolle, höchst expressive dramatische Entwicklungsprozesse auf, die in ein breites Thema voll schwelgerischer Klangfülle einmündeten. Im Gegensatz dazu klang der zweite Satz mit seiner weich phrasierten, elegischen Holzbläsermelodie, durch subtile Pizzicati der Streicher und verhaltene Tempi akzentuiert, wie eine malerische Ballade, in der ein Hauch von Trauer und Schwermut mitschwang. Unter Rajskis sehr differenziertem Dirigat verdichtete sich das Klangbild immer mehr, schwankte immer wieder zwischen Erregung und Beschwichtigung, wobei das Orchester viele Artikulations- und Ausdrucksnuancen auslotete. Im bewegten dritten Satz schwangen latente Spannung und Unruhe in jedem Ton mit, aus dem Orchester hoben sich verschiedene instrumentale „Stimmen“ hervor und traten miteinander in einen angeregten Dialog. Ein tönend bewegtes Relief mit barocktypischer kontrapunktischer Melodieführung ließ die Filharmonia Podkarpacka in der markant konturierten Polonaise des Schlusssatzes entstehen, der die Sinfonie auch ihren Beinamen „die Polnische“ verdankt. Einen Einblick in die Klangwelt der polnischen Frühromantik, in der die Einflüsse von Ludwig van Beethoven und Carl Maria von Weber unverkennbar sind, gaben die Gäste aus Polen mit dem Konzert für Klarinette und Orchester B-Dur von Karol Kurpinski (1785-1857), in dem Klarinettist Daniel Bollinger mit einem Solo brillierte. Für den begeisterten Applaus der etwa 150 Besucher in der Festhalle bedankten sich Wojciech Rajski und die Filharmonia Podkarpacka mit einer Filmmusik von Wojciech Kilar, der Suite aus Andrzej Wajdas Film „Pan Tadeusz“ nach dem Epos des polnischen Nationaldichters Adam Mickiewicz.

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