Speyer Wochenchronik :

Politik ist manchmal ein schmutziges Geschäft, heißt es. Politik ist auch gnadenlos. Mitleid und Dank sind selten in der Branche. Darin sind die Christlichen Demokraten nicht anders als die Mitbewerber. Fraktionschef Gottfried Jung hat es in dieser Woche indirekt bestätigt, als er die Koalitionsverhandlungen mit der Speyerer Wählergruppe und deren Vorsitzenden Frank Scheid würdigte. Scheids Tage als hauptamtlicher Beigeordneter sind gezählt. Selbst in einer neuen Koalition mit CDU und Grünen, wie sie kurzzeitig durchaus denkbar war („Wir haben beide Varianten nebeneinander gesehen.“), wäre nur noch ein Ehrenamt für ihn herausgesprungen. Jetzt ist es im kommenden Jahr aber ganz aus. Er ist komplett raus aus dem Rathaus – und hat mit Ende seiner Dienstzeit vorerst gar keinen Job mehr. „Das ist das Los, wenn man von einem Wahlergebnis abhängig ist“, kommentierte der Unionsmann so lapidar wie konsequent. Und macht dann Andeutungen, wie ungeschickt sich die SWG in den Gesprächen angestellt, wie „eigenwillig“ sie sich etwa bei Terminfragen gezeigt habe. Er möchte aber nicht nachkarten und betont: „Wir haben uns die Sache nicht leicht gemacht.“ Dann geht sein Blick nach vorne: „Die Wahl liegt hinter uns, vor uns liegt die neue Periode.“ Kein Platz mehr für Sentimentalitäten. Bayern und Pfalz, das ist eine besondere Geschichte und eine besondere Beziehung. In Sachen Dirndl etwa. Da sind die Weltrekorde beide in Speyer – seit 2013 der mit der Anzahl der Dirndlträgerinnen und seit wenigen Wochen der mit der Polonaise im Trachtengewand auf der Straße. Das kann der Bayer natürlich nicht so einfach mit sich geschehen lassen. Nicht nur die Bayern-Kicker aus München wollen alle Titel und verlieren ungern. Auch der bayerische Dirndl- und Lederhosenträger lässt sich ungern schlagen. Er sinnt auf Rache, will Revanche. Nach Bad Schussenried in Oberschwaben schickt sich nun auch der frühere Titelträger Straubing in Niederbayern, selbst an, den Titel wieder zurückzuerobern. In Speyer regt das keinen wirklich auf. „Schau’n mer mal“, heißt es beim Verkehrsverein entspannt. Viel Feind, viel Ehr. Bayern und Pfalz, Gott erhalt’s. Mitten in Schwabing, in der Kurfürstenstraße, nur einige Schritte weg von Englischen Garten, steht übrigens ein wunderbares Zeugnis bayerisch-pfälzischer Geschichte, das selbst schon Geschichte ist: das „Rheinpfalz“. „Das kleine holzvertäfelte, etwas in die Jahre gekommene Lokal gilt als Treffpunkt für Künstler, Spinner, Professoren und andere echte Schwabinger“, heißt es in einer Besprechung. Wie lange es die Kneipe schon gibt, weiß angeblich keiner genau. Seit über 40 Jahren steht der Wirt „Hänsel“ hinter dem Tresen. Und die große im München erscheinende Tageszeitung zitiert den Wirt mit der Aussage, das „Rheinpfalz“ sei die Kneipe mit dem höchsten IQ in der Weltstadt. Und dennoch wüsste keiner der klugen Leute dort genau, woher der Name der Kneipe komme. Genau wissen wir in der RHEINPFALZ es natürlich auch nicht, aber wir haben eine Vermutung: Nachzulesen unter anderem in den Speyerer Stadtgeschichten von Hans Ammerich, Fritz Klotz oder Wolfgang Eger, die Joachim Kemper und Bernd Reif zusammengefasst haben: „Mit dem Übergang an das Königreich Bayern im Jahr 1816 wurde Speyer zur Hauptstadt des neu gebildeten bayerischen Rheinkreises (Rheinpfalz).“ Sich und andere in München daran zu erinnern, macht einen Spaziergang durch Schwabing und ein Bier im „Rheinpfalz“ für einen Speyerer noch reizvoller, zumal für einen, der Mitarbeiter der Zeitung dieses Namens ist: Von wegen Mia san mia. Mer sin des ach. Es gibt nur einen Rudi Völler, sangen die Fans von „Tante Käthe“ früher. „Es gibt nur einen Wolf Böhm“, können die Speyerer singen. Mit seiner Verabschiedung im Rat aus dem Amt des ehrenamtlichen Beigeordneten für Integration und Ehrenamt begannen noch einmal „Festspiele“ des hochintelligenten Vielredners, Pädagogen, Geschichtskenners, Ex-FDP-Mitglieds und badischen Kopfrechenmeisters, wie er sich mit Fug und Recht selbst gerne nennt. In der Sitzung begeisterte er mit Geschichten aus dem Leben eines Beigeordneten mit dem Titel „Der ehemalige Bundespräsident Wulff, der Bischof und ich“. Im Stadtratssaal wurde auch bekannt, dass Böhm, zuständig für Integration, Kontakte in die USA angeleiert hat. Ziel: Partnerschaft über den großen Teich. Ausgang offen. Im Rückblick bei einem Glas Bier oder Schorle erinnerten sich frühere Koalitionäre daran, dass Böhms Rededrang mitunter so „nervig“ war, dass er bald nicht mehr zu Koalitionsrunden eingeladen wurde. Dass und wie er reden kann, hat Böhm zuletzt am Samstag im TV bewiesen. Zwölf Minuten Werbung pur für Speyer in der Talk-Show „Menschen der Woche“. Zweifellos ein Höhepunkt der Fernseh-Geschichte. „Auch Frank Elstner hatte Schwierigkeiten, den Redefluss unseres Ex-Beigeordneten in geordnete Bahnen zu lenken“, kommentierte ein Speyerer amüsiert. Vielleicht folgt noch Böhms Karriere als Tourismus-Manager für Speyer. Er könnte dazu wirklich viel erzählen. Ein Sommermärchen soll in der kommenden Woche mitten in Speyer wahr werden: Die Schützenstraße ist fertig saniert und wird am Mittwoch wieder für den Autoverkehr geöffnet. Hat jedenfalls das Rathaus auf Anfrage verkündet. Erst mal abwarten. Das Ereignis wurde schon mehrfach in Aussicht gestellt. Die äußeren Umstände an der Baustelle – Straße gekehrt und markiert – deuten nun allerdings verstärkt darauf hin, dass es tatsächlich geschieht. Fahren Sie am Mittwoch dennoch zunächst mal vorsichtig in die Richtung. Und wenn Sie durchkommen, schreien Sie ihre sicher tief empfundene Freude aber bitte nicht laut heraus. Unter Ihnen liegt Flüsterasphalt!

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