Speyer Pädagogischer „Grauzonen-Kollaborateur“

Der Pädagoge Eduard Spranger ist Namensgeber für ein Landauer Gymnasium. Und das seit 1964. Jetzt wird das Vorbild zum Problem. Neue Forschungen zeigen, dass der gebürtige Berliner ein Nazisympathisant war. Die Schule handelt.

Eduard Spranger (1882 bis 1962) war Pädagoge und Philosoph. Dem gebürtigen Berliner wird zugeschrieben, die Pädagogik als wissenschaftliche Disziplin etabliert zu haben. Im Nachkriegsdeutschland genoss er einen so guten Ruf, dass er von acht Schulen als Namenspatron gewählt wurde. Darunter in Landau das Eduard-Spranger-Gymnasium (ESG). Spranger war aber auch ein Kind seiner Zeit. Er verabscheute den Parlamentarismus der Weimarer Republik, denn „zur Hälfte haben wir eine Judenherrschaft“, war Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei und trat 1933 in ihren bewaffneten Arm, den Stahlhelm-Bund, ein. Dieser wurde bald darauf in die SA integriert. Spranger war nie in der NSDAP, er kritisierte ihren „übersteigerten Antisemitismus“. Der Namenspatron sei ein „Stahlhelm-Pädagoge“ gewesen, sagt Benjamin Ortmeyer von der Forschungsstelle NS-Pädagogik an der Frankfurter Goethe-Universität. Der Professor befasst sich mit den pädagogischen „Grauzonen-Kollaborateuren“, wie er sie nennt, des NS-Regimes. „Spranger war Elitist, die NSDAP war ihm zu völkisch-primitiv“, sagt Ortmeyer. Er habe von den Deportationen gewusst. 1943 bezeichne Spranger in einem Brief den Selbstmord einer alten Frau, die in den Osten gebracht werden sollte, als gelöstes Problem. Für ihn spricht: Spranger trat 1933 kurz von seinen universitären Ämtern zurück. Aus Protest unter anderem gegen einen Stundentenaufruf, der antisemitische Ausfälle enthielt. Auch sei ihm beim Institut für politische Pädagogik an der Uni Berlin keine Rolle zugedacht worden. 1944 wurde er kurzzeitig von der SS verhaftet. Diese kurze Haft sei einer der Gründe, weswegen Spranger auch in der Bundesrepublik in Amt und Würden geblieben sei, sagt Ortmeyer. Er hat seine Erkenntnisse im Spätjahr 2016 in eine Broschüre gepackt und an alle Eduard-Spranger-Schulen geschickt. Die Post ging auch nach Landau. Schulleiterin Dagmar Linnert handelte. Sie diskutierte mit der Schulgemeinschaft, der Stadt, der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, den Eltern und dem Verein der Freunde. Das Ergebnis: In der zweiten Unterrichtswoche des neuen Schuljahres werde es eine öffentliche Diskussion in der Schule geben. Alles solle auf den Tisch kommen, danach werde entschieden. Die Stadt als Schulträger hält fest: Die Entscheidung über eine Namensänderung liege zwar letztlich beim Stadtrat, aber sie wolle der Schule keine Vorgaben machen. Sowohl für die Beibehaltung des Namens als auch für die Umbenennung gibt es für Linnert gute Gründe. Den Namen als Dokument der Zeitgeschichte zu behalten und damit Sprangers pädagogisch-wissenschaftliche Leistung zu würdigen, sei auch eine Möglichkeit. Für Ortmeyer darf ein Mensch wie Spranger auf keinen Fall durch einen Schulnamen geehrt werden. Damit stelle man das Bündnis der Deutschnationalen mit den Nazis als vorbildlich dar, „das ist eine ganz falsche Konsequenz, die man aus der NS-Zeit zieht“.

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