Speyer Offen gegenüber dem Anderssein

Heute ist es die integrative Kindertagesstätte „Pusteblume“, bei der Eröffnung vor 40 Jahren war es der Städtische Kindergarten Birkenweg mit drei Gruppen. Seither hat sich viel verändert. Aktuell besuchen 20 Kinder mit „besonderem Förderbedarf“ und 40 „Regelkinder“ die Einrichtung in Speyer-Nord. Zum Jubiläum wird heute beim Tag der offenen Tür hinter die Kulissen geblickt.

„Wir freuen uns auf den Besuch von vielen Ehemaligen, Freunden, Anwohnern und Interessierten und haben ganz bewusst auch Angebote in den Gruppen“, erklärt Bettina Hampel im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Seit 1994 ist die Erzieherin mit heilpädagogischen Zusatzqualifikationen in der städtischen Kindertagesstätte tätig, seit zwei Jahren Leiterin. Zu Beginn besuchten 75 Kinder die städtische Einrichtung am früheren Siedlerfestplatz. Der Stadtteil veränderte sich, der Bedarf wuchs, und so wurde der Kindergarten zweimal erweitert – auf bis zu fünf Gruppen mit 125 Kindern. Das war nicht die einzige Neuerung: „Kinder mit Förderbedarf sollten in der Stadt die Möglichkeit haben eine Kindertagesstätte zu besuchen“, erinnert Hampel. In Speyer-Nord wurden dafür die Weichen gestellt, und im Oktober 1998 erfolgte nach einer Um- und Anbauphase die Wiedereröffnung als integrative Kindertagesstätte, die auf Wunsch der Eltern „Pusteblume“ getauft wurde. Die Gruppen waren auf vier reduziert, da verschiedene Zusatzräume für „Querschnittsaufgaben“ und Therapien benötigt wurden. Gelände und Räume sind seither komplett barrierefrei. Zehn Kinder mit verschiedensten Beeinträchtigungen machten den Anfang. „Wir waren eine der ersten integrativen Einrichtungen im Bundesland und voller Enthusiasmus“, erklärt Bettina Hampel stolz. Ein Kollege war Heilpädagoge, zwei Erzieherinnen machten berufsbegleitend die heilpädagogische Ausbildung. Die Erzieher, die 70 anderen Kinder und deren Eltern waren ganz aufgeregt, erinnert sich die 42-Jährige. Das „Besondere“ für Stadt, Öffentlichkeit und Erwachsene war für die Kinder nicht berichtenswert: „Ich glaube, die Behinderten kommen nicht mehr, wir haben zwar Neue bekommen, die waren aber ganz normal“, erinnert sich die Leiterin an den Bericht einer Mutter über den Kommentar ihrer Tochter. Der Start gelang, gemeinsam wurde gelernt, gelacht und geweint. „Kinder gehen unvoreingenommen auf den anderen zu und sind offen gegenüber dem Anderssein“, sagt die Fachfrau. Überhaupt zeichne nach ihrer Erfahrung der soziale Umgang untereinander die „Pusteblume“ aus, gefördert durch kleinere Gruppen, einen höheren Erzieherschlüssel, die Mitarbeit von Therapeuten, Psychologen, Medizinern und die Erfahrungen der Eltern. 2002 wurde die nächste Gruppe integrativ, zwei Jahre später war dann die komplette Kindertagesstätte umgestellt. Seitdem besuchen 20 Kinder mit besonderem Förderbedarf die Kita, dazu kommen 30 Ganztags- und zehn Teilzeit-Regelkinder. Seit 2009 werden Kinder ab zwei Jahren aufgenommen; Waschräume und Außengelände wurden dafür umgestaltet. Integration und Inklusion sind in der „Pusteblume“ gelebter Alltag: Im Kinderbett im Nebenraum der Löwengruppe liegt liebevoll zugedeckt ein Kuscheltier, daneben steht ein Gitterbett für ein Kind mit Entwicklungsverzögerung. Im Flur steht ein mit Spenden angeschaffter Spezialbuggy für ein Kind, das nicht allein laufen kann. In der Hasengruppe hängen selbstgebastelte Mobiles an der Decke, aus einem Holzbaukasten ist der Speyerer Dom entstanden. Einladend ist der Blick in den Garten. Bei den Katzen und Spatzen fallen bunte Vorhänge ins Auge, Kleinkind-Stühle, Hocker und eigens angefertigte Sitzgelegenheiten stehen nebeneinander. Im Ergotherapieraum findet eine Besprechung statt, Kinderstimmen sind aus dem Logopädieraum zu hören. Im Bewegungsraum laden verschiedene Ebenen und Klettergeräte zum Bewegungsparcours ein, auf dem Freigelände wird nach einer zu heftig genommenen Kurve für ein beschädigtes Fahrzeug „der ADAC benötigt“. Schwerpunkte setzen Hampel und ihr Team bei Sozialkompetenz, Bewegungs- und Sprachförderung sowie Naturerfahrung. Dabei werde darauf geachtet, dass alle teilhaben können. Beispielsweise seien spezielle Pinsel und Stifte angeschafft oder diese mit Schaumstoff und Klebeband „umgebaut“ worden. „Ganz wichtig bei der Bewegungserziehung ist unser 2000 Quadratmeter großes Außengelände“, sagt die Leiterin. Spielanreize bietet unter anderem ein Bachlauf. Der Bedarf für die integrativen Plätze in der „Pusteblume“ wächst, inzwischen gibt es eine Warteliste: „Dieses Jahr ist das erste Mal, dass uns der besondere Bedarf überrascht hat“, sagt Hampel. Alternativen gebe es wenige. Hintergrund seien Zuzüge in die Stadt und die positiven Entwicklungen infolge medizinischen Fortschritts.

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