Speyer Die Tabuzone neue Bestattung

Eine Urnengrabstätte mitten unter den Lebenden ist ein gesellschaftliches Tabu, das die Seebacher Kirchengemeinde mit ihrem Kolumbarium erfolgreich gebrochen hat. Sie gilt als Vorbild einer möglichen Grabeskirche in Speyer. Auch hier wandelt sich die Bestattungskultur gewandelt, wie Standesamtsleiter Hartmut Jossé berichtet.

Im Dürkheimer Stadtteil Seebach gibt es seit 2008 eine Urnengrabstätte, sprich ein Kolumbarium, in der Ruine des ehemaligen linken Seitenschiffs der Klosterkirche. Die Idee dazu hatte die protestantische Dekanin Ulla Hoffmann. Sie musste gegen Widerstände vor allem der Anwohner kämpfen. Doch mittlerweile sind die Klagen verstummt, wie sie berichtet. Die Speyerer Katholiken, die sich das Modell einer Grabeskirche St. Ludwig vorstellen könnten, wollen wie berichtet nach Seebach fahren und sich bei Hoffmann informieren. Das Seebacher Modell funktioniert so: Die dort verwendeten Urnen bestehen aus ungebrannter tonhaltiger Erde und lösen sich schnell auf. Sie werden in einen Schacht eingelassen, der mit Erde verfüllt wird. Der Lagerplatz wird festgehalten, so dass jederzeit der Platz der Urne angezeigt werden kann. In jedem Schacht werden mehrere Urnen übereinander gelagert. Der Name des Verstorbenen wird in Stein graviert und im Seitenflügel des Triptychons angebracht. 25 „Gräber“ zum Preis ab 1200 Euro sind laut Hoffmann bereits verkauft. „Ich habe ganz bewusst gesagt, es können dort alle Getauften beerdigt werden. Das bedeutet: egal, ob sie aus der Kirche ausgetreten sind oder nicht“, erklärt Hoffmann. Das Kolumbarium ist Eigentum der protestantischen Kirchengemeinde und wird von ihr verwaltet. „Wir sind der Träger, nicht die Stadt“, betont Hoffmann. Die Kirchengemeinde fungiere als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Eine Stiftung, wie im Speyerer Fall in der Diskussion, wäre aber auch denkbar gewesen. Gut 60.000 Euro hat der Umbau des Geländes von April bis Oktober 2008 laut Hoffmann gekostet. „Die Finanzierung hat ziemlich schnell geklappt über professionelles Spendensammeln“, berichtet sie. Das Kirchengelände bildet eine kleine Insel auf dem Dorfplatz von Seebach. Die Anwohner hatten befürchtet, dass während der Kerwe Trauerfeiern stattfinden könnten. „Wir haben mit dem Ortsbeirat im Vorfeld geklärt, dass an diesen Tagen keine Beerdigungen stattfinden werden“, sagt Hoffmann. Auch die befürchtete Grundwasserbelastung gäbe es nicht. „Asche hat keine Verunreinigung“, erläutert sie. Seitdem es das Kolumbarium gibt, hat sich einiges verändert: „Wir holen die Leute zurück in die Kirche“, sagt die Dekanin. Manchen Sterbenden oder deren Angehörigen ist es wichtig, wieder kirchlich bestattet zu werden trotz Kirchenaustritts. „Nach der Beisetzung interessieren sich einige Angehörige auch für den finanziellen Erhalt des Kolumbariums“, sagt Hoffmann. Und auch kirchenpolitisch fordert sie: „Wichtig ist, dass die Kirche sich in Sachen Bestattungskultur positioniert.“ Mit der Diskussion über ein Kolumbarium befände man sich aber in einem gesellschaftlichen Tabubereich. In Speyer hat sich das Verhältnis Erd- zu Urnenbestattungen gewandelt, wie der Leiter des Standesamts, Hartmut Jossé, auf RHEINPFALZ-Anfrage mitteilt: „In den Jahren 2013 und 2014 war das Verhältnis nahezu 50:50. Die Nachfrage nach Urnengräbern steigt“, berichtet er. Gründe liegen seiner Einschätzung nach beispielsweise darin, dass die Kinder nicht mehr dort lebten, wo ihre Eltern seien. Zudem seien die Gräber pflegeleichter, kleiner, billiger. Auf dem städtischen Friedhof gebe es derzeit acht Möglichkeiten der Urnenbeisetzung. Zu den neuen alternativen Bestattungsformen zählen Baumgräber, Baumhaingräber und Gartengrabfelder für Urnen. „Der Friedwald ist immer noch eine große Konkurrenz“, sagt Jossé. Er betont aber, dass dort im Gegensatz zu den Urnengräbern im städtischen Friedhof die Gestaltung nicht individuell sei. Ein ähnliches Problem sieht er bei einer möglichen Grabeskirche St. Ludwig: „Die Grabplatten der Urnen sind meist einheitlich. Man kann man sie nicht schmücken oder individuell ausgestalten“, sagt Jossé. Ein weiteres Problem seiner Ansicht nach: „Was passiert mit den Urnen, wenn die Liegezeit oder der Pachtvertrag abgelaufen ist?“ Auf dem städtischen Friedhof würden die Metall-Urnen oder die Porzellan-Überurnen im Boden belassen. Bei einem Kolumbarium ginge das nicht. „Da müsste man sich Gedanken darüber machen, was dann mit der Asche passiert“, sagt Jossé. Dekanin Hoffmann sagt im Hinblick auf St. Ludwig: „Man kann verrottbare Urnen in den Boden einlassen. Wenn im Vorfeld archäologische Untersuchungen notwendig sind, hat man das Gebiet unter der Kirche gleich mit untersucht.“ MEHR ZUM THEMA

x