Speyer „Desillusionierend“

Tagungsort: der Sitzungssaal im Kreishaus in Ludwigshafen.
Tagungsort: der Sitzungssaal im Kreishaus in Ludwigshafen.

«Rhein-Pfalz-Kreis.» Es sind die Kleinen, die andere vor große Herausforderungen stellen. Vor fünf Jahren hat alles auf Kleinniedesheim gewartet. Dieses Jahr hängt’s an Birkenheide, damit das Kreistagsergebnis endlich vollständig wird. Diesmal wollen sich verschlüsselte Daten nicht entschlüsseln lassen. Und alle warten. Gehangen hat es bis 16.33 Uhr. Dann war klar, dass es die Linken in den Kreistag geschafft haben. Mit einem Sitz. Die meisten Sitze ergattert immer noch die CDU, wenngleich drei weniger als 2014. Die SPD verliert gleich vier Mandate und kommt noch auf elf. Drittstärkste Fraktion bleiben die Grünen und bauen mit drei Sitzen mehr ihr Gewicht noch aus. Die AfD folgt mit sechs Sitzen. Die Freien Wähler bleiben zu viert. Und die FDP darf drei Mandatsträger entsenden. „Desillusionierend“, sagt Landrat Clemens Körner (CDU). CDU und SPD werden immer schwächer. „Die Wähler differenzieren nicht. Dabei machen wir hier doch ganz konkrete Arbeit – für die Bürger im Kreis“, sagt er und nennt als Beispiele das sanierte Kreisbad in Römerberg und das Inschusshalten der Kreisstraßen. „Abgestraft“, wählt Körner als Vokabel für das Bürgervotum. „Da rackert man sich sieben Tage in der Woche ab – und bekommt quasi ein Zeugnis mit der Note mangelhaft.“ Aber immerhin: „In Depressionen verfalle ich deshalb nicht.“ Körner will weitermachen und fertigbringen, was angestoßen wurde. Und damit liegt er auf einer Linie mit Parteifreund und CDU-Fraktionschef Peter Christ. „Zufrieden bin ich nicht, auch wenn wir vom Prinzip her das Ziel erreicht haben, stärkste Fraktion im Kreis zu bleiben.“ Christ rechnet: „27 Sitze insgesamt, es würde wieder reichen.“ Was er meint, ist die Zusammenarbeit mit der SPD. „Nächste Woche in der Fraktionssitzung wird es um neue Bündnisse gehen.“ Auch die SPD hat schon einen Termin für ihr Treffen gefunden – am Montag. Fraktionschef Hans-Dieter Schneider spricht von einer „positiven Grundstimmung“, die er gegenüber einer Neuauflage der großen Koalition verspürt: „Die Zusammenarbeit war stets gut und konstruktiv.“ Zugleich räumt er ein: „Offenbar ist es uns nicht zu 100 Prozent gelungen, die gute Arbeit der Koalition zu transportieren.“ Acht Prozentpunkte hat die SPD verloren. Deshalb bezeichnet Schneider das Ergebnis als „bedauerlich und niederschmetternd“. Für ihn würde die große Koalition in vielen Bereichen ein „Weiter so“ bedeuten, was er jedoch nicht als Nachteil ansieht. „Wir haben viele gemeinsame Ziele“, sagt er. Über die Personalie Kukatzki als Kreisbeigeordneter sei noch nicht gesprochen worden. Als dieser Beigeordneter wurde, war er noch nicht Chef der Landeszentrale für politische Bildung. „Man muss prüfen, ob das zeitlich noch miteinander zu vereinbaren ist“, sagt Schneider. Besser drauf als Körner, Christ und Schneider ist Elias Weinacht, der sich über das gute Abschneiden der Grünen freut. Weinacht stand auf Listenplatz eins und war bislang Stellvertreter von Heinz-Peter Schneider. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen hat sich jedoch aus der Kommunalpolitik zurückgezogen. Weinacht würde den Chefposten übernehmen. Er möchte mit seiner Fraktion mehr für den Klimaschutz tun, Alternativen zum Auto finden und Familien unterstützen. Was mögliche Bündnisse im Kreistag anbelangt, seien die Grünen „völlig offen“. Nur verbiegen lassen würden sie sich nicht. Verbiegen lässt sich auch der Freidemokrat Jürgen Creutzmann nicht. Er ist für offene Worte bekannt. „Ich nehme mal an, dass wir kritische Opposition bleiben“, sagt er. Er freut sich über den Sitz mehr. Aber dass es zusammen mit CDU und Grünen zu einer Jamaika-Koalition kommt, glaubt er nicht. „Dazu müsste die Union auf uns zukommen. Ich glaube aber, dass es bei einer großen Koalition bleibt, weil das einfach bequemer ist für die CDU. Die SPD ist freundlich und pflegeleicht.“ Die FDP werde über die ordentliche Aufstellung des Haushalts wachen, versuchen, die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben und die Entwicklung der Müllgebühren im Auge behalten. Neu im Kreistag werden die Linken sein. Gestern war jedoch niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Die Freien Wähler werden wieder vier Plätze einnehmen. „Einen mehr hätten wir schon haben wollen, aber wir sind zufrieden“, sagt Fraktionschef Jürgen Jacob. Er hofft, dass es wegen irgendwelcher Bündnisse und Beigeordnetenämter keine Scharmützel gibt. „Es geht darum, themenorientiert den Kreis voranzubringen.“ Bei dieser Aufgabe gelobt auch die AfD Besserung, denn nicht zuletzt Landrat Körner schüttelt bei ihrem Ergebnis mit dem Kopf: „Die AfD hat nichts für den Kreis gemacht und gewinnt an Zustimmung“, sagt er. AfD-Kreis-Chef Stefan Scheil sieht das naturgemäß anders: „Natürlich sind wir bereit, sinnvolle Sachvorschläge der Kreisverwaltung im Einzelfall durchaus mitzutragen“, schreibt er in einer Stellungnahme. Aus seiner Sicht neige die Verwaltung zu intransparentem Verhalten. „Erste Aufgabe der Opposition ist es daher, Informationen zu beschaffen und die unter anderem der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen“, schreibt Scheil. Für ihn ist das gute Abschneiden der Alternative Ausdruck einer Oppositionshaltung in großen Teilen der Bevölkerung „gegen den allgemeinen Kurs der Altparteien“. Auch hier gilt offenbar: Es sind die Kleinen, die die Großen vor Probleme stellen.

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