Speyer Der Klang des Herzens

Schnuckenack Reinhardt war sein Schwager. Sinto-Geiger Schmitto Kling spricht beim Besuch in seiner Haßlocher Geigenbauer-Werkstatt über den verstorbenen großen Geigenvirtuosen der Sinti-Musik, die Zukunft des Sinti-Jazz und der eigenen Kultur und Sprache.

„So wie du spielst, möchte ich nicht spielen.“ Das habe er bereits im zarten Alter von sieben oder acht Jahren zu Schnuckenack Reinhardt gesagt, erinnert sich Schmitto Kling. Und wirklich: Kling ist bis heute ein Künstler geblieben, der mit seinem schmelzenden Spiel vor allem das Herz seiner Zuhörer berühren möchte. „Technik und Technik ist ein großer Unterschied“, sinniert der 68-Jährige, während er in seiner kleinen Geigenbau-Werkstatt in Haßloch Hand an ein neues Instrument legt. „Er kann die Geige singen lassen wie kein anderer“, erklärt Christoph Schmid, der über sein Neustadter Konzertbüro Auftritte von Schmitto Kling und dessen Ensemble „Hot Club the Zigan“ organisiert und auch das RHEINPFALZ-Gespräch mit ihm vermittelt hat. In den eigenen Reihen wird der Sinto-Geiger wegen seines besonderen Tons auf der Geige – übrigens eine alte französische – auch „Der Zauberer“ genannt. Nach den Verlusten von Schnuckenack Reinhardt und Titi Winterstein, die 2006 beziehungsweise 2008 starben, ist Kling einer der letzten seiner Zunft. Schon als Kind habe er die klassische Musik geliebt. Johann Sebastian Bach sei bis heute sein Lieblingskomponist, verrät der Geiger, während er den Hobel bedächtig über das Holz führt. Am Boden sammeln sich immer mehr Späne. So entsteht in langwieriger Arbeit nach und nach die typische gebogene Form der Violine. „Der Deckel ist immer aus Fichtenholz, der Korpus aus Ahorn“, erklärt Kling, der das Geigenbauer-Handwerk von seinem Vater erlernte. Und so, wie er den Beruf nicht offiziell gelernt hat, hat Kling sich auch von der Tatsache, weder Noten lesen noch Noten schreiben zu können, nicht vom Musizieren und Komponieren abhalten lassen. „Ich hab’s von den Schallplatten gelernt.“ Seine eigenen Melodien nehme er dann im Kopf mit zu den Proben mit seinem Ensemble, die in Sinsheim stattfinden. „Ich hab’s halt anders gemacht“, sagt Kling mit Blick auf seinen berühmten Schwager und ergänzt: „Grade bei den schnellen Stücken hat man bei Schnuckenack die einzelnen Töne nicht mehr gehört. Ich lege Wert darauf, dass man jeden einzelnen Ton raushört.“ Geübt werde fast jeden Tag, manchmal schon morgens um sechs Uhr. Und manchmal den ganzen Tag über. „Ich trinke drei Tassen Kaffee und rauche drei Zigaretten, dann nehme ich meine Geige“, erzählt er und lächelt. „Die Finger, die müssen in meinem Alter trainiert werden, sonst werden sie steif.“ Der in Karlsruhe aufgewachsene Musiker lebt seit 25 Jahren in Haßloch und gibt nicht nur öffentliche Konzerte, sondern tritt auch auf privaten Gesellschaften auf. Ausschlaggebend sei immer der Ton. „Da klingt Herz mit, das stimmt schon“, bestätigt der Mann, der nach eigenem Bekunden nicht an der „Django-Musik“, also am Sinti-Jazz von Django Reinhardt, hängt. Vielmehr habe es ihm die ungarische Zigeunermusik „mit ihren Melodien und ihrem Schmelz“ angetan. „Das geht einem das Herz auf“, findet er. „Ein Zigeuner“, das sei er nämlich, sagt Kling von sich selbst. Und während die eigene Kultur in Frankreich noch sehr lebendig sei und gepflegt werde, sei sie in Deutschland inzwischen vom Aussterben bedroht. Nicht nur, weil die spezielle Sprache Romanes nun durch Buchveröffentlichungen für alle zugänglich sei. Nur zwei seiner jungen Nachkommen seien Musiker. Man habe sich zum Beispiel durch die Schulpflicht und wachsende Sesshaftigkeit inzwischen so integriert, dass man nicht mehr auffalle, findet er. Seine Prognose: „In 100 Jahren ist der Zigeuner Geschichte.“

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