Speyer Das Schicksal des Juden aus der Waffen-SS

Foto von 1938: Selma und Maximilian Adler mit Sohn Eduard.
Foto von 1938: Selma und Maximilian Adler mit Sohn Eduard.

Wenn am Montag, 12. September, zum fünften Mal „Stolpersteine“ in Speyer verlegt werden, gibt es ein Novum. Die lokale Initiative, die die Leben von den Nationalsozialisten verfolgter Familien erforscht, sah sich mit der Frage konfrontiert: Wie gedenkt sie eines Speyerer Juden, der nach eigener Aussage unter Zwang der Waffen-SS beigetreten ist?

Es geht um das bewegte Leben von Eduard Adler (1924 bis 1987). Seine Eltern Selma und Maximilian, bis 1938 Inhaber einer Textilhandlung in der Wormser Straße, sind im Vernichtungslager Auschwitz ermordet worden. Ihr Sohn wird im August 1942 bei der vorherigen Station der aus ihrer Heimat verschleppten Familie in einem französischen Lager von einem Kinderhilfswerk gerettet. Er schlägt sich mit einer falschen Identität zunächst als junger Franzose durch, muss dann aber 1943 nach eigener Aussage der Waffen-SS beitreten, um nicht aufzufliegen. Dem für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortlichen Verband gehört er bis zum Kriegsende an.

„Die Tatsache, dass er nach eigenen Angaben zur Waffen-SS gezwungen wurde, sorgte für lebhafte Diskussionen, ob Eduard Adler wegen dieser Zugehörigkeit einen Stolperstein bekommen kann“, teilt die Speyerer Stolperstein-Initiative mit. „Eine ausgewogene Beurteilung dieses wechselvollen Schicksals ist schwierig.“ Als er von 1945 bis 1951 nochmals in Speyer lebte, habe ihn ein jüdisches Ehrengericht aus der Gemeinde ausgeschlossen. Die Initiative setzt jetzt den Vorschlag von Stolperstein-Initiator Gunter Demnig um: Für Eduard Adler wird ein unbeschrifteter „Bildstein“ verlegt – neben den beiden Steinen mit den Namen und Daten seiner Eltern.

Künstler entscheidet

Die Blindstein-Entscheidung ist ebenso eine Besonderheit der Verlegung in der kommenden Woche wie die Anwesenheit von Künstler Demnig. Der 74-jährige Ehrengast aus Berlin hat 1996 die Aktion initiiert, die mit inzwischen mehr als 75.000 verlegten Stolpersteinen in Europa das größte dezentrale Mahnmal geschaffen hat. Für die Verlegungen in Speyer in den beiden vergangenen Jahren hatte er zwar die Steine gefertigt, aber Pandemie- und terminbedingt nicht anreisen können.

Die lokale Initiative hatte die Verlegungen in diesen Jahren zusammen mit der Stadt übernommen. Beide sind auch diesmal bei der Organisation federführend. Den Auftakt macht um 12.30 Uhr ein städtischer Empfang, auf den ab 13.30 Uhr die jeweils öffentlichen Verlegungen der Steine vor den fünf früheren Wohnhäusern von 20 Mitgliedern aus sechs Familien folgen. Auch junge Leute aus drei Speyerer Schulen bringen sich dabei ein.

Von „Maxi“ bis Otterstadter Weg

Los geht es vor der Maximilianstraße 31, in der die jüdischen Familien Hirsch und Marx gelebt hatten. Bedacht werden zudem zwei Zweige der Familie Schiff in der Mühlturmstraße 26 und Wormser Straße 12, die Familie Adler in der Wormser Straße 23 und die Geschwister Kaiser aus dem Otterstadter Weg 121. Josef und Susanna Kaiser wird als Kindern französischer Besatzungssoldaten gedacht, die in Speyer Opfer von Rassismus und in der NS-Zeit von Zwangssterilisation geworden waren. Zwischen den Stationen Wormser Straße und Otterstadter Weg, wohin sich die Teilnehmer am Ende begeben, liegt eine größere Distanz. „Genügend Zeit einplanen“, raten die Ausrichter Teilnehmern.

Die Biographien der NS-Opfer wurden von Cornelia Benz, Sandra Böhm, Katrin Hopstock, Jutta Hornung, Ingrid Kolbinger und Kerstin Scholl erforscht und beschrieben.

Premiere 2018: Gunter Demnig verlegt einen Stolperstein in Speyer.
Premiere 2018: Gunter Demnig verlegt einen Stolperstein in Speyer.
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