Speyer Bittere Schönheit in Worten und Klang

Mit Felix Mendelssohn-Bartholdys „Liedern im Freien zu singen“ hat der gemischte Chor „Prochoro“ unter der Leitung von Christiane Schmidt am Freitagabend im protestantischen Pfarrgarten in Schwegenheim ein Konzert gestaltet.

So viel Romantik war selten, und selten so viel Frühling mitten im Hochsommer: Drei Liederzyklen zu je sechs Liedern für gemischten vierstimmigen Chor, alle entstanden zwischen 1834 und 1843 nach Gedichten deutscher Romantiker, hat Mendelssohn-Bartholdy diese Überschrift gegeben. In allen Gedichten werden Naturbilder beschworen, der Komponist machte daraus Klangbilder, die der Chor wiederum, die Überschrift als Anweisung nehmend, in die lebendige Gegenwart holte. Von den 36 Liedern sang der Chor 35, nur ein Herbstlied ließ er weg, es hätte sich doch zu fremd in dieser Hochsommerzeit angehört. Ohnehin handeln die meisten Lieder von dem Frühling, den Blumen, den Vögeln, dem Wald, der immer tief und still ist, wenn die Stille nicht von Vogelsang oder jagdlichem Hörnerklang gebrochen wird. Deutscher, meint man, geht es nicht mehr, und deshalb haben vielleicht manche schon lange nicht mehr zugehört. Aber das genaue Zuhören lohnte sich. So trügerisch einfach die Melodien sind, simpel ist keine einzige. Mendelssohns Kunst lag hier darin, das Einfache in höchster Perfektion zu schaffen: Manches ist zum Volkslied geworden. Mendelssohn hätte das als Auszeichnung verstanden. Ebenso sind die Gedichte doppelbödiger, als der erste Anschein vermuten lässt. Da ist etwa der „Lerchengesang“ nach Ludwig Uhland, und die Musik nimmt den ganzen aufsteigenden Jubel des Vogelliedes auf, aber es ist die Sehnsucht eines Gefangenen nach Freiheit, der „tief in Moder und Grauen“ zurücksinkt. Oder gar die Heinrich-Heine-Lieder – sie scheinen alle die gleiche Geschichte in Fortsetzungen zu erzählen, eine bittere Geschichte von der Liebe, der Unmöglichkeit des Gelingens und dem Tod, und die vielen „Blümelein“ wirken am Ende wie Grabschmuck. Vielleicht muss große Schönheit in Worten und Klang immer ein wenig Bitternis haben, um echt zu sein. „Prochoro“ ist ein Chor aus Westheim, der sich immer neue Projekte vornimmt. Die Romantiker hatten die Sänger hörbar gepackt, und sie fügten noch etliche Gedichte als Rezitation ohne Musik dazu. Angezogen wurden auch einige unerwartete „Mitsinger“: Erst war es eine Taube auf einem Baumwipfel. Dann wurde ihr Platz von einem Singvogel eingenommen, der Strophe für Strophe sein eigenes Meisterkonzert gab – zum Vergnügen von Sängern und Zuhörern – und sofort nach dem letzten Lied ebenfalls verstummte. Die Romantik lebt.

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