Speyer Wider die Wurstigkeit

Scharf und präzise hat der Kabarettist Hagen Rether am Freitagabend in der gut besuchten Speyerer Stadthalle drei Stunden lang gesellschaftliche Unzulänglichkeiten, ethische Widersprüche und Verlogenheiten enthüllt.

Immer wieder appellierte Rether an den Einzelnen, die Welt dort zu verändern, wo er es kann, und seine Botschaft des Abends war: „Keiner kann später behaupten, er hätte es nicht gewusst.“ Plastisch präsentierte er gesellschaftliche Probleme: „Jahrelang haben wir unsere Felder mit Insektengift gespritzt; jetzt sind wir traurig, dass es keine Insekten mehr gibt.“ Bei seinen Ausführungen räkelte er sich lässig auf einem Drehstuhl und legte seinen Kopf auf einen Flügel, der lediglich bei der Zugabe zum Einsatz kam. Im Erzählstil stellte er sich selbst Fragen und beantwortet sie; er wunderte sich zum Beispiel über effekthascherische „Spiegel“-Titel, die einerseits die Apokalypse andeuten und zum „Wachtturm“ passen und andererseits satirisch daherkommen und den Stil von „Titanic“ wiedergeben. Kanzlerin Merkel reise mit einem „Ethikköfferchen“ durch die Welt – gespickt mit der Anerkennung von Schwulen, Lesben, gleichgeschlechtlicher Heirat und dem Umgang mit Minderheiten, um zu zeigen, wie Demokratie geht. Rether verführte das Publikum zu einem anderen Blick auf Welt und zeigte unbequeme Wahrheiten auf – zum Beispiel die drei Generationen traumatisierter Männer in einer Familie: Großvater war für die USA im Koreakrieg, Vater in Vietnam und Sohn in Afghanistan. Der Kabarettist erzählte, dass immer gejammert werde, es gebe zu wenig Polizisten. Aber für große Fußballspiele würden Hundertschaften eingesetzt, um Hooligans einen therapeutisch gesicherten Raum zu verschaffen. Bei einem klassischen Konzert sei so etwas nicht notwendig, denn man habe noch nie erlebt, dass sich Anhänger von Chopin gegen die von Rachmaninow eine Schlägerei geliefert hätten. Kritisch sieht Rether „unantastbare Gesellschaften“ wie die Autoindustrie – was er daran deutlich machte, dass Willy Brandt den „Kniefall“ in Warschau und Gerhard Schröder diesen in Wolfsburg vollzog. Sein Plädoyer für Aufklärung und Mitgefühl, gegen Doppelmoral und konsumselige Wurstigkeit zeigte auf: Wandel ist möglich, wenn wir wollen.

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