Speyer Speyer: Feuerwehrchef Peter Eymann spricht über Bagatelleinsätze

Kein Bagatelleinsatz: In einem Produktionsbetrieb in der Industriestraße war Mitte Juni ein Feuer ausgebrochen (wir berichteten)
Kein Bagatelleinsatz: In einem Produktionsbetrieb in der Industriestraße war Mitte Juni ein Feuer ausgebrochen (wir berichteten). Die Feuerwehr rückte mit 16 Einsatzkräften an.

Türen öffnen, weil jemand sich ausgesperrt hat, vollgelaufene Keller auspumpen, Ölspuren beseitigen, verletzte Fundtiere zum Tierarzt bringen: Die Einsätze, zu denen die Feuerwehr gerufen wird, sind vielfältig. Laut Deutscher Feuerwehr-Gewerkschaft nehmen kleinere Hilfsaufgaben jedoch langsam Überhand. In einem Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beklagte die Gewerkschaft, dass sogenannte Bagatelleinsätze die Wehrleute zunehmend belasten. Wie die Speyerer Feuerwehr mit solchen Einsätzen umgeht, darüber hat Anna Warczok mit Wachleiter Peter Eymann gesprochen.

Herr Eymann, die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft hat vor Kurzem bemängelt, dass Wehrleute immer öfter zu Fällen gerufen werden, bei denen die Betroffenen sich auch anders hätten helfen können. Da müsste dann zum Beispiel die Feuerwehr statt des Schlüsseldiensts anrücken, um eine Tür zu öffnen. Solche Bagatelleinsätze kennen Sie doch sicher auch. Nervt das nicht?

Natürlich gibt es Fälle, die man auch hätte anders lösen können. Da fehlt es dann am Wissen über die Zuständigkeiten: Wann macht der Schlüsseldienst die Tür auf, wann die Feuerwehr. Das weiß der Bürger nicht. Woher soll er das auch wissen? Es hilft dann nicht, zu schimpfen. Besser, man erklärt es einfach. Die x-te verletzte Taube, wegen der Sie gerufen werden, ist also kein Problem? Tierrettung ist für uns selbstverständlich und gehört auch zu unseren Aufgaben. Natürlich kommen wir nicht, nur weil irgendwo im Park ein Hund bellt. Aber Hilfe bei verletzten Tieren ist eine Selbstverständlichkeit. Ich beobachte aber schon Unterschiede in der Mentalität der Leute, je nachdem, ob sie auf dem Land oder in der Stadt leben. Das heißt? Auf dem Land leben die Leute noch mehr im Einklang mit Wildtieren. Findet ein Dorfmensch eine verletzte Taube, ist es eher so, dass er weiß, hier gibt es auch Füchse, und entweder die Taube packt’s, oder der Fuchs nimmt sie als Beutetier. Dieses Verständnis ist in der Stadt nicht da, muss es auch nicht. Wir werden gerufen, bringen die Taube zum Tierarzt und der entscheidet dann, was er mit ihr macht. Über solche Einsätze rege ich mich nicht auf. Man muss Verständnis haben, dass da ein Mensch ist, der mit einer Situation alleine nicht zurechtkommt. Warum soll man da nicht helfen? Ärgerlich ist allerdings ein anderes Thema, das wir immer wieder mal erleben: Wenn bei Einsätzen gewisse Dinge nicht von uns erledigt werden können, sei es, weil es an den technischen Möglichkeiten oder der Zuständigkeit fehlt, und wir dann bei den Leuten auf Unverständnis stoßen. Was meinen Sie konkret? Zum Beispiel, wenn ein Baum in einem privaten Garten umfällt. Sagen wir, er kracht auch noch auf den Zaun des Nachbarn. Dann macht die Feuerwehr diesen Baum, der auf Privatgelände liegt, nicht weg. Dürfen wir gar nicht, weil wir dann in Konkurrenz zum Gärtnereibetrieb treten, der eigentlich zuständig ist. Bei manchen Leuten fehlt es dann an Verständnis, wenn sie bei uns anrufen und wir erklären, dass wir in solchen Fällen nichts machen können. Etwas anderes ist es natürlich, wenn der Baum aufs Haus kracht und es gefährlich wird für die Menschen, oder wenn er sich auf eine öffentliche Straße neigt. Da würden wir dann natürlich tätig werden. Haben Sie noch andere Beispiele? Ein anderes Beispiel ist ein Unwetter, bei dem 20 Bäume auf Straßen fallen und 15 Keller mit Wasser volllaufen. In solchen Fällen müssen wir als Feuerwehr priorisieren, was sofort gemacht werden muss, was so schnell wie möglich und was warten kann. Das sehen leider auch nicht alle ein. Einen vollgelaufenen Keller können unsere Geräte zum Beispiel nicht auf null Zentimeter leer pumpen. Es bleiben zwei bis drei Zentimeter Wasser stehen. Auf dem Land ist es für die Leute selbstverständlich, dass sie das selbst wegmachen. Dann kommt der Nachbar mit Handtüchern und hilft. In der Stadt – nicht in Speyer – habe ich nach so einer Aktion schon erlebt, dass die Betroffenen gefragt haben: Wo wollt ihr hin? Ihr seid nicht fertig. Da hat völlig das Verständnis dafür gefehlt, dass noch andere warten, deren Keller auch vollgelaufen sind. Und wie könnte man da Abhilfe schaffen? Müsste die Öffentlichkeit besser informiert werden? Es wird einiges für die Sensibilisierung der Öffentlichkeit getan. Es gibt Angebote, um die Fähigkeit zur Selbsthilfe in der Bevölkerung zu stärken. Ich habe aber das Gefühl, dass es die Leute zum Teil einfach nicht interessiert. Zur Zeit des Kalten Kriegs war das noch anders. Dann aber hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz zurückgefahren. Heute haben wir neue Gefahren, und alte Strukturen werden wieder aufgebaut. Aber es gibt noch große Unterschiede zu früher, was das Bewusstsein der Menschen betrifft.

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