Rhein-Pfalz Kreis „Wir Kinder hatten damals weniger Stress“

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LAMBSHEIM. Die Karl-Wendel-Schule in Lambsheim wird 50 Jahre alt. Das soll unter anderem beim Schulfest am Samstag gefeiert werden. Wir haben Rektor Peter Bisson gefragt, was sich seine Kollegen und die rund 270 Schüler dafür haben einfallen lassen und wie es war, als er selbst 1966 seine Schullaufbahn begann.

Herr Bisson, erinnern Sie sich noch an Ihre Zeit als Erstklässler?

Ja, ziemlich gut. Wir hatten eine ganz junge, nette Lehrerin. Umso mehr hat sich mir ein Vorfall ins Gedächtnis eingebrannt. Die Lehrerin kam einfach nicht. Also wagten wir uns auf den Gang, um nachzusehen. Da kam sie um die Ecke, und wir erhielten, weil wir unseren Platz verlassen hatten, Schläge mit dem Rohrstock auf die Finger. Ach ja, damals gab es noch die „körperliche Züchtigung“, auch Prügelstrafe genannt. Hat Sie das nachhaltig geschädigt? Es ist definitiv gut, dass die körperliche Züchtigung von Kindern abgeschafft wurde. Trotz dieses Erlebnisses hatte ich eine schöne Grundschulzeit. Wir hatten damals zwar sehr viel größere Schulklassen, eine strenge Sitzordnung und so weiter, aber weniger Stress als die Kinder heute. Wie meinen Sie das? Gab’s weniger Hausaufgaben? Ich meine, dass man um 12 oder 13 Uhr nach Hause kam, die Mutter das Essen gekocht hatte, man seine Aufgaben machte und dann ab auf die Straße zum Spielen ging. Heute ist ein Schultag für die meisten Kinder viel länger, und in der Freizeit wird viel mehr gemacht als bloß gespielt. Auch die Medienvielfalt ist für Kinder heute größer. Wer kein Smartphone besitzt, muss Angst haben, dass er nicht dazugehört. Unser mediales Highlight war dagegen ein Besuch im örtlichen Kino. Die ganze Schule lief durch das Dorf, um sich einen Schwarz-Weiß-Film über Albert Schweitzer anzusehen – toll! Was ist an Schulen heute besser als in den 60er-Jahren? Individualisierung, Medienbildung, Kompetenzorientierung und die Fokussierung auf die Stärken der Kinder mögen da einige Schlagworte sein. Außerdem die Partizipation. Nehmen wir als Beispiel die Spenden und Einnahmen vom Schulfest am morgigen Samstag. Die sollen für die Verschönerung des Pausenhofs ausgegeben werden, aber was genau gemacht wird, entscheiden die Schüler mit. Durch mehr Teilhabe hat sich auch die Rolle der Eltern gewandelt. Während sie zu meiner Zeit vielleicht ein, zweimal im Jahr zum Gespräch mit den Lehrern kamen, sind sie inzwischen viel stärker ins Schulleben eingebunden. Hat sich damit auch die Rolle der Lehrer verändert? Auf jeden Fall. Sie sind viel, viel mehr als früher in allen Bereichen der Erziehung gefragt und werden – Gott sei Dank – auch oft gehört. Die Karl-Wendel-Schüler haben sich anlässlich des Jubiläums in Projektgruppen mit Schule früher und heute auseinandergesetzt. Wie darf man sich das vorstellen? Eine Klasse hat sich beispielsweise mit „alten“ Handarbeitstechniken beschäftigt. Topflappen zu häkeln gehörte ja früher zum Handarbeitsunterricht. Im Sachunterricht wurden aber auch Vergleiche mit dem Schulleben in anderen Ländern angestellt. Da haben unsere Kinder ganz schön gestaunt, dass Gleichaltrige in Afrika nicht „hurra“ rufen, wenn sie nicht zur Schule müssen oder dürfen, sondern dass sie für eine Schulbildung sogar lange und gefährliche Fußwege in Kauf nehmen. Wie man hört, gab es zum Jubiläum einen Ideenwettbewerb für ein Schullogo. Verraten Sie uns mehr? Der Entwurf einer Schülerin ist von den Kindern mit großer Mehrheit gewählt und vom Grafikbüro Guhmann umgesetzt worden. Wie er jetzt aussieht, wird vor dem Schulfest nicht verraten, das soll eine Überraschung werden. Wir bieten am Samstag Kaffeebecher mit dem neuen Logo zum Kauf an und wollen auch noch Kleidungsstücke damit ausstatten. Wohin wird die Reise der Karl-Wendel-Schule in den nächsten Jahren gehen? Eine Aufgabe, vor der nicht nur alle Schulen, sondern die ganze Gesellschaft steht, ist sicher die Integration der Flüchtlinge – in unserem Falle die der Kinder im Grundschulalter. Das gelingt dank des guten Willens und des Engagements aller Beteiligten bei uns insgesamt sehr gut. Die neuen Mitschüler stellen eine Bereicherung dar, und ihre Lernerfolge sind verblüffend. Außerdem müssen wir eine neue Balance zwischen der betreuenden Grundschule und dem Ganztagsbetrieb finden. Die eine wird wegen der Nachfrage der Eltern ab dem neuen Schuljahr um eine Gruppe auf 60 Plätze erweitert und inklusive Mittagessen bis 14 Uhr ausgedehnt, der Ganztagsbereich wird deswegen leider etwas schrumpfen und dann weniger finanzielle Mittel bekommen. Wir wollen aber das breite AG-Angebot trotz weniger Geld beibehalten.

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