Rhein-Pfalz Kreis Kurz vor dem Kollaps

Viel Platz ist nicht zwischen der maroden Hochstraße und dem Kreishaus am Europaplatz (rechts im Bild). Dehalb will die Kreisver
Viel Platz ist nicht zwischen der maroden Hochstraße und dem Kreishaus am Europaplatz (rechts im Bild). Dehalb will die Kreisverwaltung möglichst umziehen, bevor es mit der Sanierung der Trasse losgeht.
Umzug der Kreisverwaltung. Das Kreishaus am Europaplatz ist a) zu klein und b) während des Hochstraßenabrisses höchstens eingeschränkt nutzbar. Was bewerten Sie die Umzugspläne? Gehört das Kreishaus in den Kreis? Und wenn ja, wo sollte es gebaut werden? Peter Christ (CDU):

Wie es sich momentan darstellt, scheint ein Umzug unvermeidlich zu sein. Selbst wenn man durch einen Anbau das jetzige Kreishaus erweitert, was dringend nötig ist, wird durch die Nähe zur Hochstraßenbaustelle eine vernünftige Nutzung nicht möglich sein. Ob das Kreishaus nun aber in Ludwigshafen oder in einer Kreisgemeinde stehen wird, ist aus meiner Sicht zweitrangig. Wichtig ist nur, dass es gut zu erreichen ist. Hans-Dieter Schneider (SPD): Wir haben als SPD-Fraktion unterstützt, dass sowohl in Ludwigshafen wie auch im Rhein-Pfalz-Kreis alternative Standorte von externen Fachleuten geprüft werden. Für uns sind mehrere Kriterien dafür entscheidend, ob die Kreisverwaltung, und wenn ja wohin, umziehen sollte. Das ist zum einen die Erreichbarkeit. Zum anderen muss genug Parkraum vorhanden sein. Und natürlich sind Kosten ein ganz entscheidender Faktor. Da muss der Aufwand einer Erweiterung am jetzigen Standort mit dem eines Neubaus gegenübergestellt werden. Elias Weinacht (Grüne): Der Neubau eines Kreishauses genauso wie die Alternative, eine Ertüchtigung des jetzigen Standorts – mit Zwischenlösung für die Mitarbeiter während der lauten Umbauphase – werden jeweils mittlere zweistellige Millionensummen kosten. Erst wenn alle Kosten transparent auf dem Tisch liegen, kann eine Entscheidung getroffen werden. Ein Neubau müsste im Sinne des Klimaschutzes hohen energetischen Standards genügen. Jürgen Jacob (FWG): Momentan ist ja eine Standortanalyse in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sind offen. Unabhängig davon sollte man beachten: Die Kreisverwaltung muss für die Kreisbürger mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln ohne große Umwege erreichbar sein. Das ist beim jetzigen Standort meines Erachtens gegeben. Nicht jeder hat die Möglichkeit, sich Onlinediensten zu bedienen. Auch sind oft persönliche Vorsprachen erforderlich. Stefan Scheil (AfD): Wenn der frühere Landkreis Ludwigshafen sich als „Rhein-Pfalz-Kreis“ ernst nehmen will, gehört das Kreishaus im Prinzip auf sein Gebiet. Diese Frage sollte aber unter Berücksichtigung von eventuell anstehenden weiteren Umstrukturierungen entschieden werden. Die Landesregierung hat bekanntlich eine Fusion des Kreises mit Speyer ins Gespräch gebracht, und es sollte kein Bau entstehen, der nach kurzer Zeit wieder überflüssig wäre. Jürgen Creutzmann (FDP): Ein Umzug scheint offenbar unumgänglich, wenn die Arbeit der Kreisverwaltung weiterhin effizient weiterlaufen soll. Die FDP ist leidenschaftslos, was den Standort betrifft. Wir wollen im Interesse des Steuerzahlers die kostengünstigste Lösung. Wenn sich diese an einem Standort im Rhein-Pfalz-Kreis verwirklichen lässt, werden wir dies unterstützen. Allerdings brauchen wir dazu auch den Landesgesetzgeber, den wir nur dann von einem Umzug in den Kreis überzeugen können, wenn die Vorteile gegenüber einem Standort in Ludwigshafen signifikant überwiegen. Ein Standort im Landkreis müsste mit öffentlichen Verkehrsmittel gut erreichbar sein. Apropos Hochstraßenabriss: Versuchen Sie in drei Sätzen, das Problem zu umreißen. Und: Lässt sich ein Verkehrschaos noch vermeiden? Christ: Der Zustand der Hochstraßen lässt keinen Aufschub der Sanierung mehr zu. Das Verkehrschaos ist eigentlich programmiert. Leider hat es die Stadt bisher versäumt, mit den Umlandgemeinden und mit Mannheim ein Gesamtverkehrskonzept zu erstellen. Der Verkehr beginnt und endet nicht in Ludwigshafen, sondern ein Großteil weit davor und danach. Schneider: Der Hochstraßenabriss beeinträchtigt die Mobilität der Menschen in der gesamten Metropolregion. Er trifft Pendler genauso wie Menschen, die in den Oberzentren einkaufen wollen. Probleme bekommen Zu- und Auslieferer, aber auch Handwerker und Dienstleister. Wir brauchen deshalb ein übergreifendes Verkehrskonzept in Abstimmung mit Städten, Kreisen und Gemeinden. Die Problematik betrifft nicht nur die Stadt Ludwigshafen, sondern geht uns alle an! Stichworte für Lösungsansätze sind: Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs, Ausbau des Radwegenetzes und Breitbandausbau für bessere Heimarbeitsplätze. Weinacht: Selbstverständlich lässt sich ein Verkehrschaos vermeiden, wenn wir jetzt sofort handeln. Unser Ziel muss sein, unnötigen Stress für Pendler während der Umbauphase der Hochstraße zu vermeiden. Dafür muss ihnen eine Alternative zum Stau im Auto angeboten werden. Für uns Grüne bedeutet das: Radschnellwege entlang der Hauptpendlerrouten, bessere Radwege und sichere Abstellmöglichkeiten an Bahnhöfen, mehr Linien im ÖPNV und finanzielle Anreize, den ÖPNV zu nutzen. Das muss organisiert werden, dafür ist der Kreis da. Alternativen zu schaffen, da hat die Koalition aus CDU und SPD im Kreis aber keinen Mut bewiesen und sich bisher ideenlos gezeigt. Jacob: Schon Mitte der 90er-Jahre zeichnete sich ab, dass die Hochstraße dringend einer Sanierung bedarf. Rund 25 Jahre herrscht darüber also Gewissheit und es wäre genug Zeit gewesen, Weichen für einen geordneten Verkehrsfluss zu stellen. Die jetzigen Lösungen treiben einem Sorgenfalten ins Gesicht. Als Bürgermeister von Altrip ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass man die Kreisgemeinden nicht mit in die Lösungserörterungen einbezogen hat. Als Geschäftsführer der Rheinfähre Altrip sage ich, dass wir den Neubau eines Fährschiffs hinsichtlich des Hochstraßenabrisses vorangetrieben haben. Aber: Hätten wir noch früher von diesem Abriss gewusst, hätten wir das jetzige Schiff im Jahr 2011/2012 nicht für rund eine Million Euro umbauen lassen, sondern gleich ersetzt. Scheil: Ich habe als Jugendlicher in Ludwigshafen den Bau der Hochstraße und die Verlegung des Bahnhofs miterlebt. Das galt damals als Aufbruch der Stadt in die Moderne. Die jetzige Lage, entstanden, weil die Stadtverwaltung unfähig gewesen ist, diesen Bau angemessen zu warten oder wenigstens die Mittel für einen Ersatz bereitzustellen, ist geradezu das örtliche Symbol für das, was in Deutschland insgesamt falsch läuft. Es steht dem Berliner Flughafen kaum nach – zumal, wenn man sich die schon jetzt vorliegende Projekthistorie mit ihren erheblichen Kostensteigerungen und Verzögerungen ansieht. Das Verkehrschaos ist programmiert und kann allenfalls abgemildert werden, aber nicht vermieden. Creutzmann: Ob ein Verkehrschaos entsteht oder nicht, hängt wesentlich davon ab, ob es gelingt, den Individualverkehr auf den öffentlichen Personennahverkehr umzulenken. Nur durch einen wesentlich verstärkten ÖPNV wird sich dieses Problem lösen lassen. Und vom Auto umsteigen werden die Leute nur, wenn Bahnen und Busse besser getaktet werden. Verbessert werden muss zudem das Park-und-Ride-System. Und ein Ausbau des Radwegenetzes könnte ebenso Entlastung schaffen wie mehr Homeoffice-Arbeitsplätze. Ist der Vorstoß des Landrats, Straßenbahnlinien in den Kreis hinein zu verlängern, eine gute Idee? Christ: Jede Idee, die es ermöglicht, Verkehr von der Straße auf die Schiene, das Fahrrad oder den Bus zu verlagern, ist eine gute Idee. Unsere Straßenverkehrssysteme stehen kurz vor dem Kollaps. Und das auch ohne Sonderfaktoren wie die Hochstraßensanierung. Wir haben einfach zu viele Autos in den Orten und Städten. Ob eine Straßenbahnverlängerung in den Kreis hinein Sinn macht oder nicht, hängt nur von den Nutzern ab. Was nützt uns eine Straßenbahn, wenn dann doch zu wenige damit in die Stadt fahren. Das muss untersucht werden, bevor gebaut wird. Schneider: Ich war von Anfang an in die Gespräche mit eingebunden, und die anteiligen Gelder für die erste Prüfungsphase des Projekts wurden von den betroffenen Kommunen schnell zur Verfügung gestellt. Wir erwarten bis nach der Sommerpause Ergebnisse mit einem dann hoffentlich positiven Kosten-Nutzen-Verhältnis des Straßenbahnnetz-Ausbaus. Sollte das so sein, werden wir mit Nachdruck die rasche Umsetzung des Projekts unterstützen, das zudem ein guter Beitrag zum Klimaschutz wäre. Wobei „rasch“ realistisch gesehen schon ein Jahrzehnt bedeutet. Weinacht: Die Pläne des VRN, zu prüfen, ob die Straßenbahnlinien nach Dannstadt-Schauernheim und Neuhofen verlängert werden können, unterstützen wir ausdrücklich. Der Landrat unterstützt diese Idee ebenso wie wir. Wichtig ist, dass er jetzt seine Möglichkeiten nutzt und dass wir schnell Ergebnisse vorlegen und diskutieren. Dann wird es auf die Mehrheit in den Räten und im Kreistag ankommen, ob wir tatsächlich diese für die Pendler wichtige Straßenbahnlinien bekommen. Jacob: Bereits vor Jahren hat der damalige Neuhofener Bürgermeister Gerhard Frey laut darüber nachgedacht, die Straßenbahnlinie bis nach Neuhofen zu führen. Teilweise wurde er dafür belächelt. Aber die Idee war gut. Angesichts der heutigen Verkehrssituationen muss der Vorschlag weiterverfolgt werden. Gute Beispiele hierzu liefert die Stadt Stuttgart und das dortige Umland. Der Vorstoß des Landrats ist daher auf jeden Fall zu begrüßen, auch wenn man realistisch davon ausgehen muss, dass dies eine längere Planungs- und Realisierungszeit erfordert und nicht alle Kreisgemeinden in den Genuss einer Anbindung kommen. Scheil: Wir halten das als Kreisverband in der Tat für eine gute Idee, die aber wegen der absehbaren Dauer bis zur Verwirklichung ebenfalls nichts am Ludwigshafener Verkehrschaos ändern wird. Als Ergänzung fordern wir deshalb den zügigen Bau und die Anlage von Radschnellwegen. Sicher würden viele Pendler ein solches Angebot in den kommenden Jahren nutzen. Creutzmann: Die Idee ist gut, nicht neu und ein Beitrag zur Verminderung des CO2-Ausstoßes. Ich bin gespannt, ob sie auch realisierbar ist. Denn je besser die Angebote im ÖPNV sind, um so mehr gelingt es, den Individualverkehr zu vermindern. Die Investitions- und Betriebskosten brauchen allerdings auch eine Resonanz in Form der Nutzung des Angebots. Der Kreis gibt jährlich schon viel Geld aus für den ÖPNV. Deshalb muss eine Kosten-Nutzen-Analyse zeigen, ob eine solche Investition sich einigermaßen rechnet, denn wir erwarten keine Kostendeckung von 100 Prozent. Angenommen, Sie hätten beim Landrat einen Wunsch frei, wie würde er lauten? Christ: Das ist relativ einfach: Dass er, wie in der Vergangenheit, mit den Kreistagsfraktionen dafür sorgt, den Kreis voran zu bringen und trotzdem den Kreisgemeinden den Spielraum lässt, sich weiter gut zu entwickeln. Heißt: Weiterer Schuldenabbau, stabil niedrige Kreisumlage und trotzdem vernünftige Investitionen in Bäder, Schulen und so weiter. Schneider: Dass er ein Augenmerk darauf legt, das konstruktive Zusammenwirken von Mitarbeitern der Kreisverwaltung und der Kreisgemeinden im Sinne eines bürgernahen, effektiven Dienstleistungsangebots noch zu optimieren. Selbstverständlich sind da wir Bürgermeister in den Kreisgemeinden gleichermaßen gefordert. Weinacht: Dass im Kreistag Entscheidungen entlang von sachlichen Notwendigkeiten, und nicht aufgrund der großen Koalition getroffen werden. Das heißt, dass der Landrat Diskussionen mehr zulassen sollte. Jacob: Der Landrat möge sich dafür aktiv einsetzen, dass die Gemeinden des Rhein-Pfalz-Kreises als vollwertige Mitglieder der Metropolregion Rhein-Neckar angesehen werden. Derzeit habe ich da meine Zweifel. Scheil: Die Informationspolitik gegenüber den Oppositionsfraktionen im Kreistag ließ manche Fragen offen. Da sollte er nachbessern. Creutzmann: Ich würde ihn bitten, die Digitalisierung der Kreisverwaltung zur Chefsache zu machen und eine Arbeitsgruppe einzurichten, die diese Herkulesaufgabe vorantreibt. Dabei geht es nicht nur um die Beziehung zwischen Verwaltung und Bürger (Onlinedienste), sondern auch um die Digitalisierung der Verwaltung selbst, um Mitarbeiter von Bürokratie zu entlasten und Verwaltungskosten einzusparen – Geld, das man besser für Schulen und Kindergärten verwendet.

Fährt die Bahn oder fährt sie nicht bis in den Landkreis hinein? Die Straßenbahnverlängerungen sind ein wichtiges Thema der Krei
Fährt die Bahn oder fährt sie nicht bis in den Landkreis hinein? Die Straßenbahnverlängerungen sind ein wichtiges Thema der Kreispolitiker.
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