Rhein-Pfalz Kreis „Ich fühle mich als junger Landrat“

Herr Körner, schon einen Plan B gefasst?

(lacht laut) Lassen Sie mich mal überlegen, ich bin dann 57 Jahre alt. Ich werde mir wohl einen Job suchen müssen. Schon allein deshalb, weil meine Frau gesagt hat, sie erträgt das nicht. Also mich, den ganzen Tag zu Hause. Und ganz ehrlich: Mit 57 will ich auch noch nicht daheim sitzen. Sie werden also Winzer? Nein. Schöner Beruf, aber nein. Man sollte schon das machen, was man auch gelernt hat. Ich habe eine klassische Verwaltungsausbildung gemacht und es immerhin so weit gebracht, dass ich für die freie Wirtschaft interessant war. Der Perspektivenwechsel damals war spannend. Ich könnte mir also vorstellen, dort wieder eine Aufgabe zu finden. Noch lieber aber wäre mir, noch einmal gewählt zu werden. Sie sind zuversichtlich? Zuversicht, tja, hm ... Ich habe zumindest mal keine Leiche im Keller. (denkt nach) Ich war immer bemüht, klingt auch blöd. Ich bin aber überzeugt, dass ich so rüberkomme, dass der Landratsposten keine große Bürde für mich ist. Im Gegenteil: dass ich ihn mit Leib und Seele ausfülle. (versinkt kurz in Gedanken) Ihre erste Frage – die war schon negativ. Tschuldigung. Dann gehen wir mal mit Ihrer Zuversicht an die Sache: Was wären für Sie die wichtigsten Projekte für die kommenden acht Jahre? Breitbandversorgung für das gesamte Kreisgebiet. Wichtig vor allem da, wo Gewerbe ist. Das kam prompt. Ist ja auch eine wichtige Sache. Aber nicht die einzige. Wir sollten die Energiewende auf Kreisebene schaffen. Die Naherholung ist auf den neuesten Stand zu bringen. Die Sparkasse muss nach der Fusion durch schwere Zeiten wegen der Zinsentwicklung begleitet werden. Und dann ist die Frage, was sich die Landesregierung in Sachen Kommunalreform einfallen lässt ... Ich bin übrigens gerade entsetzt, dass ich schon sieben Jahre im Amt bin. Fühle mich eigentlich als junger Landrat. Aber vielleicht sollte ich mir doch ein Pedelec kaufen. Wie kommen Sie denn jetzt darauf? Na ja, eigentlich war ich immer der Meinung, dass ich noch in die Pedale treten kann. Aber so beim Rück- und Vorblicken wird einem das eigene Alter bewusst ... Jetzt werden Sie aber melancholisch. Wenn wir schon mal am Zurückblicken sind: Was war bislang Ihre größte Herausforderung? Die Sparkassenfusion. Sie hat einen großen Teil der Arbeitszeit gekostet. Und die Explosion in Harthausen, das war auch eine schwierige Sache. Wie angespannt war die Lage während der „Elster-Affäre“, als die Frage im Raum stand, ob der Erste Kreisbeigeordnete und Baudezernent (CDU) seine Kompetenzen überschritten, unnötig Geld ausgegeben und Probleme auf den Baustellen verschwiegen hat? Sehr angespannt. Und belastend. Ganz am Anfang hat man etwas erfahren und konnte nur mit ganz wenigen Menschen darüber reden. Es wusste vielleicht eine Handvoll Leute Bescheid, und jeder konnte nur in diesem Zirkel reden, um das Bankgeheimnis nicht zu verletzen. Aber es hat auch zusammengeschweißt, parteiübergreifend. Beispielsweise zu Hans-Dieter Schneider (SPD-Fraktionschef, Anm. d. Red.) habe ich ein wirklich gutes Verhältnis bekommen. Wir sind vertrauensvoll miteinander umgegangen, es gab keine Schlammschlacht. Geschockt war ich dann aber, welche Entwicklung die Sache nahm. Was alles herauskam. Und dass Michael Elster so gar keine Schuld eingestanden hat. Im Gegenteil: Er hat alle anderen angeklagt. Und der Hauptschuldige an seiner Misere war immer ich. Schließlich kam es ja zu Elsters Abwahl. Haben Sie sich damals auch selbst Vorwürfe gemacht? Schon. Wie fast alle, die mit ihm zu tun hatten. Verwaltungsmitarbeiter, Kreistagsmitglieder, Mitglieder des Bauausschusses und des Rechnungsprüfungsausschusses. Wir haben uns gewundert, dass wir nicht gesehen haben, dass Michael Elster an uns vorbeiarbeitet, Kompetenzen überschreitet. Daraus haben wir unsere Lehre gezogen. Wie sehr beschäftigt Sie das Thema Flüchtlinge? Persönlich und beruflich? Ich habe mich schon oft gefragt, was ich eigentlich vor der Flüchtlingskrise den ganzen Tag gemacht habe. Das ist die berufliche Seite. Privat beschäftigt mich das Schicksal der Menschen sehr. Ich bin in der Nachkriegszeit groß geworden, in meiner Familie gibt es keine Vertriebenen. Mein Vater, ein Saarländer, war der einzige mit Migrationshintergrund. Menschen auf der Flucht nehmen mich sehr mit. Meine Frau und ich haben uns deshalb dafür entschieden, Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu bieten. Auch, weil ich als Landrat nicht immer nur bei anderen nach Wohnungen suchen kann. Sind Sie in dieser Frage Merkelianer? Ja. Es war auch richtig von der Kanzlerin, im Sommer den Satz zu sagen: „Wir schaffen das.“ Nach drei Wochen hätte sie jedoch sagen müssen: „Wir schaffen das, aber ...“ Wir können die Flüchtlingsproblematik nur über unsere wirtschaftliche Kraft lösen. Deshalb sollten wir an diesem Ast, den wir unbedingt brauchen, auf keinen Fall herumsägen: Die Wirtschaft profitiert von der Freizügigkeit der Grenzen in Europa. Wir Europäer sollten unser Europa also nicht infrage stellen. Und speziell in Deutschland sollten wir die AfD nicht unser Europa infrage stellen lassen. Kommen wir auf ein weniger schweres, wenn auch nicht unbedingt leichter lösbares Problem zu sprechen: Eines Ihrer Lieblingsprojekte ist der Tourismus. Ist er noch ausbaufähig, oder sind die Möglichkeiten erschöpft, Menschen in den Landkreis zu locken? Wenn ich über Tourismus spreche, meine ich nicht unbedingt, dass ich Menschen den Kreis als Urlaubs-El-Dorado verkaufen will. Es muss ja nicht jemand drei Wochen hier Ferien machen. Aber es lohnt sich, einen Ausflug zu uns zu machen. Wenn ich von meinem Heimatort Dudenhofen nach Schifferstadt fahre, bin ich ja schon Tourist. Ein Tagestourist. Und so verstehe ich Tourismus für uns: Angebote für die Menschen aus der Region zu machen. Damit zu werben, dass sie im Rhein-Pfalz-Kreis Schönes erleben können. Sie selbst wandern ja gerne durch Ihr Herrschaftsgebiet und kommen dabei auf allerhand Gedanken ... Ich wandere nicht alleine. Meine Frau ist immer dabei. Und gerne sind wir in der Gruppe unterwegs. Und ja, da werden Gedanken ausgetauscht, wird viel besprochen. Private Dinge, politische Themen. Alles eben – von A wie Auto bis Z wie Zecke. Oh, ich ziele eher auf Ihre Gedanken über die Kreisgrenzen ab. Sie wollten sich ja schon mal den Landkreis Bad Dürkheim unter den Nagel reißen. Wenn ich Ideen über die Fusion mit anderen Kreisen habe, dann geht es nur um Verhandlungen auf Augenhöhe. Auf den Begriff reißen reagiere ich mit schärfstem Widerspruch. Was verhandeln Sie denn? Im Moment gar nichts. Mit der verstorbenen Landrätin Sabine Röhl hatte ich schon Ansätze dafür geschaffen, den Landkreis Bad Dürkheim und den Rhein-Pfalz-Kreis zusammenwachsen zu lassen. Doch ihren Nachfolger, meinen Parteifreund Hans-Ulrich Ihlenfeld, muss ich noch überzeugen. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass alles, was die Bürger betrifft, vor Ort im Rathaus geregelt werden muss. Die Kreisverwaltungen dagegen sollten mehr Aufgaben von staatlichen Stellen wahrnehmen, sich beispielsweise stärker um das Thema Gesundheit kümmern. Und das kann man auch in größeren Einheiten. Nachdem nun die Gebietsreform auf Gemeindeebene abgeschlossen ist, könnte das Land tatsächlich auf die Idee kommen, auf den Kreisebenen noch ein bisschen was zusammenzuschieben? Das tut es auch. Ein entsprechendes Gutachten ist in Auftrag gegeben. In etwa 18 Monaten soll das Ergebnis vorliegen. Sie sehen, das ist nicht nur ein Herumgespinne meinerseits. Tatsächlich – und das ist jetzt meine Meinung – wären Synergieeffekte da. Um noch mal auf die Wahl im nächsten Jahr zu kommen: Gehen Sie immer noch einmal im Jahr ins Kloster? Ja. Aber was hat das mit der Wahl zu tun? Na ja, ich dachte, Sie bitten dabei auch um Gottes Beistand ... (lächelt) Den kann jeder gebrauchen – so oder so. Mir geht es bei den Klosteraufenthalten um den spirituellen Ansatz, die Möglichkeit, sich mit Dingen zu beschäftigen, für die sonst nie Zeit übrig ist. Ich mache das inzwischen seit etwa zwölf, 13 Jahren. Nennen Sie mal drei Gründe, warum der Kreisbürger Sie im kommenden Jahr wiederwählen sollte. Das ist eine blöde Frage. Warum haben Sie mir nicht vorher verraten, dass sie kommt? Sie schaffen das auch ganz spontan, Herr Körner. Also gut. Ich bin authentisch, nicht so staatstragend. Und ich bin ein Landrat zum Anfassen. Äh, das klingt abgedroschen, oder? Och, geht so. Und der dritte Grund? Ich versuche, die Gesetze, die wir einzuhalten haben, mit der Lebenswirklichkeit in Verbindung zu bringen. Und ich kann bei Konflikten und der Suche nach Lösungen zeigen, dass ich durchaus teamfähig bin. Sehen Sie, jetzt haben Sie sogar vier Argumente gefunden. Aus welcher politischen Ecke wird denen jemand beim Wahlkampf entgegentreten. Sprich: Werden Sie Konkurrenz bekommen? Das überlasse ich jeder politischen Ecke. Wäre es seltsam, wenn es der Erste Beigeordnete sein sollte, mit dem Sie dann auch noch bis zur Wahl zusammenarbeiten müssten? Nö. Der Wahlkampf wäre aber für uns beide schwer. Martin Haller (SPD, Anm. d. Red.) und ich haben ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis. Schon eine besondere Flasche Wein zurückgelegt – zum Anstoßen, wenn Sie die Wahl gewinnen? Noch mal nö. Ich habe nur guten Wein zu Hause – das Leben ist zu kurz, um schlechten zu trinken.

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