Rhein-Pfalz Kreis Geehrter wider Willen

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Böhl-Iggelheim. Irgendwie „peinlich“ sei ihm die Ehrung, sagt Robert Müller, der mit der Verdienstmedaille des Landes ausgezeichnet wurde. Gewürdigt wird damit das lange Engagement des Böhl-Iggelheimers für die Betreuung und Ausbildung behinderter Menschen. Verantwortung hat Müller gern übernommen – ins Rampenlicht wollte er damit aber nicht.

Im Gespräch mit Müller wird schnell klar, was ihn seit vielen Jahren motiviert: „Von den behinderten Menschen kommt so viel zurück. Sie freuen sich immer, wenn wir uns sehen, und es ist ein großes Hallo“, erzählt er. Den Ausgangspunkt seines Engagements sieht der 74-Jährige ganz nüchtern. „Eigentlich war es Egoismus, ein gesunder Egoismus“, sagt er. 1977 kam die Tochter von Robert und Margite Müller zur Welt. Als sie dreieinhalb Jahre alt war, bemerkten die Eltern, dass sich ihr Kind nicht entwickelte wie Gleichaltrige. Nach diversen Untersuchungen diagnostizierten Ärzte bei der kleinen Sandra das Williams-Beuren-Syndrom. Das ist ein seltener genetischer Defekt, der sich auf die körperliche und geistige Entwicklung auswirkt. Statistiken beziffern die Häufigkeit auf eins von 10.000 bis 20.000 Kindern. Die geistigen Fähigkeiten sind deutlich eingeschränkt, körperlich-gesundheitliche Einschränkungen kommen dazu. „Die Diagnose ist zuerst ein Schock“, sagt Müller. Man stelle sich die Frage nach dem Warum, zugleich müsse man sich auf etwas Unabänderliches einstellen. 1985 kam Sandra in eine Förderschule nach Speyer, in der gerade Elternvertreter gesucht wurden. Müller wollte sich engagieren, wurde Mitglied und Sprecher des Elternbeirats. Als die Schule einen Namen brauchte, war es Müller, der den Schweizer Pädagogen, Schulreformer und Wohltäter Johann Heinrich Pestalozzi als Namenspatron vorschlug. Er war an der Schule auch Mitbegründer des Fördervereins und dessen stellvertretender Vorsitzender. Von da an ließ ihn das ehrenamtliche Engagement nicht mehr los. „Ich bin da irgendwie hineingewachsen“, sagt er heute. Als seine Tochter an die Ludwigshafener Georgens-Schule wechselte, wurde Müller wieder zum Elternsprecher gewählt und war zweiter Vorsitzender im Förderverein. Als Sandra 1997 in der Werkstätte des Ökumenischen Gemeinschaftswerks zu arbeiten begann – man ahnt es schon – wählten die Eltern ihn auch dort zum Vorsitzenden ihres Beirats. 1998 zog die Tochter in eine Wohnstätte der Lebenshilfe. Dort wurde Müller Schriftführer und dann stellvertretender Vorsitzender. Außerdem ist Müller Vorstandsmitglied des Betreuungsvereins der Lebenshilfe und Vorstandsmitglied der Stiftung der Lebenshilfe Ludwigshafen. „Die haben gesagt ,wir brauchen dich‘, und da habe ich halt mal angefangen“, erzählt Müller. Irgendwie sei er da halt hängen geblieben. Als gelernter Kupferschmied, der sich zum Maschinenbautechniker weiterbildete, ist Müller mit Handwerk vertraut. Für den Bau eines Wohnheims in Böhl hat ihn die Lebenshilfe deshalb auch zum Bauleiter berufen. Warum macht er sich im Ehrenamt so viel Mühe? „Die Frage habe ich mir nie gestellt“, sagt der 74-Jährige. Die behinderten Menschen hätten ihn gern. „Da ist so eine große Herzlichkeit, das würde ich schrecklich vermissen, könnte ich nicht mehr dabei sein“, sagt er. Auch die Eltern schätzen sein Engagement und profitieren von seiner Erfahrung. „Der Austausch unter den betroffenen Eltern ist sehr wichtig. Fast alle fühlen sich zuerst allein und hilflos“, erklärt Müller. Deshalb hat er gemeinsam mit anderen die Arbeitsgemeinschaft von Angehörigen in Einrichtungen der Caritas der Diözese Speyer gegründet. Zudem setzte er sich sechs Jahre lang als gesetzlicher Betreuer für Menschen mit geistiger Behinderung ein. Als Müller davon hörte, dass er geehrt werden soll, erschrak er. Er griff zum Telefon und rief sogar in Mainz an, um die Sache noch zu stoppen. Doch zu spät: Es war alles schon entschieden und beschlossen. Also fügte er sich und ließ sich in Mainz von der Staatsministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, die Verdienstmedaille überreichen.

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