Rhein-Pfalz Kreis Erinnerung wach halten

Schifferstadt. Der Künstler Gunter Demnig hat gestern 13 Stolpersteine in Schifferstadt verlegt. Sie erinnern an Opfer des Nationalsozialistischen Regimes. Schifferstadter Schüler haben dazu Texte gelesen. Im Rathaus-Foyer ist eine von Schülern gestaltete Ausstellung zu dem Thema zu sehen.

„Ich werde fortgeh’n, Kind. Doch du sollst leben“, beginnt ein Gedicht der jüdischen Autorin Mascha Kaléko. „Letztes Lied“ sind die Zeilen einer Mutter an ihren Sohn, den sicheren Tod vor Augen. Zu hören waren sie gestern in Schifferstadt, als in der Alleestraße 8 die ersten drei von 13 Stolpersteinen verlegt wurden. Gewidmet waren sie der Jüdin Klara Mängen, die einst dort gelebt hatte und von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet worden war, sowie ihren Kindern Alice Liese und Heinz, die damals überlebten. Mit Lehrerin Lenelotte Möller hatten Schüler des Paul-von-Denis-Gymnasiums Schifferstadt die Schicksale von Schifferstadter Juden recherchiert. Gemeinsam mit Schülern der Salierschule, die sich vor allem um das Bildmaterial kümmerten, haben die Jugendlichen eine Ausstellung konzipiert. Die Lebensläufe trugen die Schüler an den Orten vor, wo der Künstler Gunter Demnig die Stolpersteine in den Boden einließ. Neben der Familie Mängen erinnerten sie an zehn weitere Opfer des NS-Regimes, die aus Schifferstadt verschleppt wurden oder flüchten mussten. In der Bahnhofstraße 48, hinter der damaligen Synagoge, lebten Rosa Levy, ihr Sohn Leo und seine Frau Meta sowie deren Kinder Kurt und Hanna. Leo und Meta Levy wurden 1944 beziehungsweise 1942 ermordet. Vor dem Nachbarhaus weist nun ein Stolperstein darauf hin, dass dort früher Georg May lebte. Er wurde wegen seines Engagements für die Separatisten inhaftiert und später erschossen. Am Schillerplatz 4 machen die Stolpersteine darauf aufmerksam, dass dort die jüdische Familie Mayer wohnte. Johanna Mayer und ihr Sohn Kurt wurden in Lodz beziehungsweise Auschwitz ermordet. Ihre Töchter Erna und Alice entkamen und flüchteten in die USA und nach Argentinien. Wieder rezitierten die Schüler ein Gedicht von Kaléko: Heimweh. Denn auch wenn den Kindern die Flucht gelang, so wurden sie aus ihrer Heimat gerissen und verloren alles, was ihnen bis dahin lieb und vertraut war. Die Lebensgeschichten und Texte riefen bei allen Zuhörern Betroffenheit hervor. Besonders nah ging die Erinnerung den angereisten Verwandten der Ermordeten. Claude Levy, wie Kurt Levy sich nach der Flucht nach Frankreich nannte, war acht Jahre alt, als in der Reichspogromnacht die Schifferstadter Synagoge in Flammen stand. Die Nazis haben damals seinen Vater nach Dachau gebracht. Von dort kehrte dieser zwar zurück, doch später wurden Leo Levy und seine Frau Meta deportiert. Kurt kam zu einem Onkel nach Frankreich und überlebte dort. Im Internierungslager Gurs sah Levy seine Eltern noch einmal. Die Erinnerung daran bewegt ihn immer noch. „Das war schlimm. Ich wollte bleiben.“ Für ihn war es gestern ein trauriger Tag: „Schade, dass 1938 niemand etwas gesagt hat.“ Er ist aber auch dankbar dafür, dass das Bündnis gegen Rechts und für Toleranz das Projekt ins Rollen gebracht hat, auch in Schifferstadt Stolpersteine verlegen zu lassen. Bürgermeisterin Ilona Volk (Grüne) sprach Levy und seinem Großcousin Joseph Klein aus Werl sowie Siegfried Meyer, dessen Mutter Mina Löb aus Schifferstadt stammte, ihre tiefste Anteilnahme aus. Die Erinnerung müsse wachgehalten werden. Besonders beeindruckt habe sie ein Schüler-Zitat zu den Stolpersteinen, dass Gunter Demnig am Vorabend bei seinem Vortrag wiederholt habe: „Man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen.“ Mit dem hebräischen Totengebet Kaddisch gedachte Joseph Klein vor dem ehemaligen Wohnort der Levys auch ganz persönlich der Verstorbenen und Ermordeten. Und am Schillerplatz stimmten einige Frauen spontan das hebräische Friedenslied „Hevenu shalom alechem“ an. Die Ausstellung im Foyer des Rathauses ist noch bis 11. Dezember zu sehen.

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