Rhein-Pfalz Kreis Ein schöner Tag ist, wenn Julian arbeiten kann

Ludwigshafen

. „Großer Bahnhof“ war im Polizeipräsidium Rheinpfalz in der Ludwigshafener Wittelsbachstraße – und das alles für und wegen Julian Seppelt, der erst einmal ziemlich sprachlos war. Wie kam es dazu? Der junge Mann aus Roxheim, der vor wenigen Tagen seinen 22. Geburtstag gefeiert hat, spielte im Mai eine wichtige Rolle bei einer Veranstaltung der Kreisverwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises zum Thema Inklusion, also dem gemeinsamen Lernen und Arbeiten von Behinderten mit Nicht-Behinderten. Dabei verriet er Landrat Clemens Körner (CDU), dass er ein großer Fan der Ludwigshafener Tatort-Kommissarin Lena Odenthal alias Ulrike Folkerts ist, und sie so gerne einmal treffen würde. „Das hätte jetzt sicher nicht so einfach geklappt“, sagt Körner. Aber ein Treffen mit der echten Ludwigshafener Polizei müsste doch zu bewerkstelligen sein... Gesagt-getan, und zwar schneller, als die Polizei erlaubt. Polizeipräsident Jürgen Schmitt, der Leiter der Mordkommission Heribert Stuppy, der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Ludwigshafen 1, Michael Lorösch, und viele andere Freunde und Helfer mehr hatten sich versammelt, um von ihrer Arbeit zu berichten. Und dabei war natürlich Landrat Körner, der der Polizei für die „Barrierefreiheit“ dankte: „Es ist toll, dass wir damit Julian so eine große Freude machen können.“ Entstanden ist das Ganze aus der Idee von Arno Weber, Behindertenbeauftragter des Kreises, Werbung zu machen, um den ersten Arbeitsmarkt für Menschen mit Handicaps zu öffnen. Bei Polizeipräsident Schmitt stieß er da auf offene Ohren. Das Polizeipräsidium sei bereits als Arbeitgeber für Beeinträchtigte ausgezeichnet worden, sagte er und erzählte von persönlichen Erfahrungen. Mit einem Augenzwinkern sagte Schmitt dem Tatort-Fan Seppelt: „Wir beziehen unsere Erfahrungen ausschließlich aus Tatort-Krimis.“ Und Julian, von der Polizei eingedeckt mit Autogrammkarten seiner Fernseh-Lieblinge, Taschenlampe und Kriminalgeschichten, brachte nun seinerseits seine Gastgeber zum Staunen, als er akribisch aufzählte, wann welcher Ludwigshafen-Tatort an welchen Plätzen der Region spielt. Dann wurde Julian Seppelt von Kriminalhauptkommissarin Eleonore Veth „erkennungsdienstlich“ behandelt – Fotos, Fingerabdrücke, das ganze Programm. „Jetzt darfst Du nichts mehr anstellen“, flachste Körner. Ganz viele Fragen hatten auch Tanja Beil und Martin Huentz – die beiden waren als Vertreter des Magazins „Trommel“ der Ludwigshafener Werkstätte für Menschen mit Behinderung mit von der Partie. Julian hat einen guten Draht zu den alten Menschen, die er im Pflegeheim der Johanniter betreut. Heimleiterin Celina Calmes hatte sich zunächst gesorgt, ob die Bewohner ihn als vollwertige Betreuungskraft akzeptieren würden. „Aber meine Befürchtungen waren unbegründet“, berichtet sie. Julian habe eine ganz besondere Art, mit den Bewohnern umzugehen. „Er wird von ihnen und den Mitarbeitern gleichermaßen akzeptiert. Das Wort ,behindert’ ist nie gefallen“, sagt Calmes, die stolz ist, ihn als Mitarbeiter zu haben. Jeden Morgen fährt der junge Mann mit dem Bus von Roxheim nach Kleinniedesheim, um acht Uhr tritt er dort seinen Dienst an. Sechs Stunden lang ist er im Heim beschäftigt, wischt Tische ab, hilft bei Frühstück und Mittagessen, bringt Müll und Wäsche weg, erzählt mit den alten Menschen und macht kleine Besorgungen für sie. Auch bei manchen Klinikterminen ist er dabei. Julian wurde nach der Geburt wegen eines Speiseröhrenverschlusses operiert und lag anschließend fast zwei Jahre auf der Intensivstation. „Durch das Kollabieren der Luftröhre und dem dabei entstandenen Sauerstoffmangel, hat sich eine geistige Behinderung entwickelt“, erzählt seine Mutter Sybilla Seppelt. Es sei ihr nicht immer leicht gefallen, ihren Sohn loszulassen. Dennoch habe sie ihn immer die Schritte gehen lassen, die er habe gehen können – und er konnte erstaunlich viel. Das hat Julian offen und selbstbewusst werden lassen. „Julian hat einen starken Ehrgeiz und lässt nicht locker.“ Ausgestattet mit einem überdurchschnittlichen Orientierungssinn war er schon früh selbstständig zur Schule und zu Praktikumsstellen unterwegs und entwickelte sich zum Fachmann für Fahrpläne und die Bahn. In der Werkstätte in Schifferstadt absolvierte er seine Berufsbildung. In seiner Freizeit besucht er die Pfadfinder- und Jugendgruppe, treibt Sport und hilft in der Kinderbetreuung der Offenen Hilfen. „Was er hier im Johanniterhaus macht, hat er ganz alleine geschafft“, versichert die Mutter stolz. Julian hätte sich das Ende 2012, als sein Integrationsassistent Andreas Mikol von den Ludwigshafener Werkstätten für Behinderte bei Calmes wegen eines Praktikumsplatzes für ihn vorgesprochen hat, nicht träumen lassen. Celina Calmes berichtet, wie der Einstieg geklappt hat: „Wir haben mit Julian zuerst kleine Bausteine geübt. Sobald ein Schritt saß, lief er wie ein Uhrwerk. So haben wir nach und nach einen eigenen Tätigkeitsbereich für ihn aufgebaut, in dem er selbstständig agiert.“ Inzwischen sei er ein wichtiges Zwischenstück im Team, eine Art Ausgleich im engen Zeitplan der Pflegekräfte geworden. Julian selbst ist überglücklich über seinen Arbeitsplatz. Er mache hier alles gleich gern, sagt er. Als er einmal gefragt wurde, was ein besonders schöner Tag für ihn sei, hat er geantwortet: „Ein schöner Tag ist für mich, wenn ich arbeiten gehen kann.“ Seinen Lohn erhält Julian über die Ludwigshafener Werkstätten. Diese fungieren bei sogenannten Außenarbeitsplätzen als offizieller Arbeitgeber und vereinbaren mit den Unternehmen einen Lohn. Eine Konstellation wie diese ist jedoch ein echter Glücksfall. „Von den 600 Beschäftigten in den Ludwigshafener Werkstätten haben nur etwa 15 einen Außenarbeitsplatz“, sagt Mikol. Um so einen zu schaffen, müssten einige Bedingungen erfüllt sein. Fähigkeiten und Interesse der Betroffenen müssten da sein, der Betrieb müsse sich auf das Experiment einlassen, und der Arbeitsplatz sollte selbstständig zu erreichen sein. Als Arbeitgeber kämen Großküchen, Gartenbaubetriebe und Wäschereien ebenso infrage wie Industriebetriebe. Die könnten sich bei Interesse an die Werkstätten wenden.

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