Rhein-Pfalz Kreis Ein Loch ist im Socken

Egal! Doris Mößner fackelt nicht lange, sie greift ...
Egal! Doris Mößner fackelt nicht lange, sie greift ...

«Schifferstadt.» Ob das Sockenstopfen nach dem Crashkurs beim Schifferstadter Knoddelclub in den Kanon der regelmäßig zu vollziehenden Hausarbeiten aufgenommen wird, ist noch nicht geklärt, die Entscheidung vorerst vertagt. Es fehlt, abgesehen von Zeit und (vor allem) Geduld, auch das Stopfei. „Es geht auch ohne, aber dann muss man ein bisschen geschickt sein.“ Ach so. Tja, mit Geschick, zumindest handarbeitlichem, sieht es ebenfalls mau aus. Aber faszinierend ist es doch, wie mit einem Faden und ein paar Stichen ein Loch im Socken plötzlich verschwindet. Die Damen im Knoddelclub haben Verständnis – nicht nur für das Sommerlochproblem, sondern auch für Defizite in Sachen Handarbeit. Die meisten in der Runde, die immer montags im Pfarrheim Herz Jesu zusammenkommt, stellen Socken her. Sie stricken. Und hantieren mit sechs Nadeln. Mit sechs Nadeln! Man mag gar nicht hingucken. Also volle Konzentration auf Doris Mößner, das Ei und die Nadel. Eine Nadel! Doch bevor es losgeht, noch ein paar Sätze zum Stopfei. Das braucht man für die Rundungen – damit man nicht zu „platt“ näht. Die Löcher bohren sich ja meist in die Ferse oder in die Spitze der Socken. Und dahinein schiebt man das Ei. Wenn man es denn hat. Doris Mößner hat eins. Eigentlich. Aber das macht wohl gerade einen auf Ostern und ist nicht aufzufinden. Hildegard Weißenmayer kann zum Glück einspringen. Ihr Stopfei liegt immer brav im Nähkasten. Allerdings ein bisschen vernachlässigt. „So oft benutzt man es ja nicht mehr“, sagt die Schifferstadterin. Wie jetzt? Stopfen ist sogar bei Knoddelclubmitgliedern out? Auch Doris Mößner gibt zu, nur noch selten Löcher in Socken zu flicken. Vermutlich hat sich ihr Stopfei also aus Frust über Arbeitslosigkeit verkrümelt. Als Mößner dann lossticht, sieht das aber immer noch sehr professionell aus. „Gelernt ist halt gelernt“, sagt sie und grinst. Zick, zack geht der Faden hin und her. Und schneller als man gucken kann, ist das Loch im Socken verschwunden. Moment mal. So geht das nicht. Wir brauchen ein neues Loch und dann bitte noch mal von vorne und gaaaanz langsam. Zum Mitschreiben und Mitdenken. „Also das ist eine Stopfnadel. Eine Stopfnadel hat eine abgerundete Spitze und hinten ein größeres Öhr, damit auch das etwas dickere Stopfgarn durchpasst“, erklärt Doris Mößner jetzt im Sendung-mit-der-Maus-Tonfall. Damit noch deutlicher wird, was sie gleich macht, hat sie eine prima Idee. Sie nimmt weißes Garn, um ein Loch im schwarzen Socken zu stopfen. Dann zieht sie den Socken über das Stopfei. „Und jetzt ziehe ich den Faden ein, etwas entfernt von der Stelle, an der ich anfangen möchte. Damit das Fadenende nicht zu sehen ist, wird es unter dem Gewebe entlang geführt und später vernäht.“ Anschließend zieht die Stopf-Trainerin Längsfäden, die sogenannten Kettfäden. Wie viele das werden, hängt von der Größe des Lochs ab. Ist das erledigt, wird quergeschossen: Doris Mößner führt die Nadel abwechselnd unter und über die Längsfäden. Auf dem Rückweg dreht sie die Reihenfolge um. „Das ist nichts anderes als weben“, sagt sie. Daher nennt man die Querverbindungen auch Schussfäden. Sie geben dem Gewebe Füllung und Griff. Und sie schließen letztlich Loch Nummer zwei an diesem Knoddelclubabend. Ans dritte Loch darf der Lehrling. Jetzt hebt die eine oder andere Dame am langen Handarbeitstisch den Blick von den sechs Stricknadeln und guckt neugierig. Na toll. Stopfen mit Lampenfieber. Faden unter dem Gewebe durchziehen. Längsfäden spannen. Quer weben. Die Theorie sitzt. Das praktische Ergebnis lässt zu wünschen übrig. Die gestopfte Stelle erinnert an eine Tennisschlägerbespannung. Der Socken hat jetzt nicht mehr ein Loch, sondern viele kleine. Das Schaustück geht von Hand zu Hand. Bis es Hildegard Weißenmayer erreicht. Der Socken war von ihrem Mann. „Den kann er jetzt doch wieder tragen ...“, wird gewitzelt. Sie lacht. Gestopft ist. Zumindest das Sommerloch.

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