Rhein-Pfalz Kreis „Die Tiere können zerplatzen“

LAMBSHEIM

. Die Sonne steht tief. Mit dem Geländewagen geht es über holprige Feldwege dorthin, wo sich nicht weit entfernt bereits ein Windrad dreht. Die Biologen Kai Zimmermann und Tobias Budenz arbeiten für die unter anderem auf Freilandökologie spezialisierte Firma Gutschker-Dongus aus Odernheim am Glan und sind für das Fledermausgutachten zuständig. Um die Vögel kümmert sich eine andere Abteilung des Unternehmens. Gleich ist Fledermauszeit, dann schwärmen die nachtaktiven Flugakrobaten aus ihren Quartieren aus, um Nahrung zu suchen. Die beiden Biologen sind im Auftrag des Lambsheimer Windkraftplaners Gaia über 30-mal vor Ort, um herauszufinden, wo die Fledermäuse ihre Quartiere haben, wo ihre Flugrouten sind, wo sie sich paaren und welche Arten hier überhaupt vorkommen. Bei Begehungen mit Ultraschalldetektoren und mithilfe stationärer Erfassungsgeräte, sogenannter Batcorder, werden Raumnutzung und Aktivitätsmuster der Fledermäuse untersucht. Alle Fledermäuse nutzten die Echoortung zur Orientierung, viele auch zum Beutefang, erklärt Zimmermann. „Dabei werden von den Tieren Signale im Ultraschallbereich ausgesendet und die rückkehrenden Echos ausgewertet.“ Die Messgeräte zeichnen die für den Menschen nicht hörbaren Ultraschallsignale der Fledermäuse auf. „Unter anderem in Balzrevieren und ihren Quartieren stoßen die Fledermäuse zur Kommunikation untereinander aber auch Sozialrufe im hörbaren Bereich aus, die ohne Messgeräte wahrgenommen werden können“, sagt Zimmermann. Die Analyse der Daten ist zeitaufwendig. Die Biologen müssen später jede einzelne Aufnahme über eine bioakustische Software am Computer auswerten, um die Fledermausarten anhand ihrer Ultraschallsignale zu bestimmen. Sind Arten darunter wie der Große Abendsegler oder die Rauhautfledermaus, die aufgrund ihres Flugverhaltens „schlagopfergefährdet“ sind, wie es in der Fachsprache heißt, dann muss hinsichtlich des Betriebs der Windkraftanlage genau geprüft werden, ob ein artenschutzrechtlicher Konflikt eintritt, wie Tobias Budenz berichtet. „Die Tiere können direkt vom Rotor getroffen werden oder durch die Luftdruckschwankungen zerplatzen. Besteht erhöhtes Kollisionsrisiko, ist eine nächtliche Abschaltung bei bestimmten Witterungsverhältnissen eine Maßnahme, um die Tiere zu schützen“, sagt Budenz. Doch längst nicht alle Fledermausarten seien schlagopfergefährdet. So suche beispielsweise das Große Mausohr bei der Insektenjagd vor allem nach Laufkäfern, weshalb es meist in sehr niedriger Höhe fliege. Die Biologen müssen auch klären, ob die Quartiere der Fledermäuse durch ein Windrad beeinträchtigt werden. Dann müsste der Standort verlegt werden. „Weil die Fledermäuse auf spezielle Quartiermöglichkeiten angewiesen sind, ist ihr Schutz sehr wichtig“, verdeutlicht Budenz. Einige Arten nutzen Quartiere im Wald wie Baumhöhlen oder Tothölzer, andere bevorzugen Mauerspalten, Brücken, Dachböden oder Kirchtürme. Die Tiere halten Winterschlaf und nutzen dabei einen anderen Unterschlupf als im Sommer. „Quartierverluste können ganze Bestände beeinträchtigen“, betont Budenz. Nach derzeitigem Wissensstand sind der Spätsommer und der Herbst besonders konfliktträchtig. Dann ist nicht nur Paarungszeit, dann durchqueren auch einige Arten die Pfalz auf der Suche nach geeigneten Winterquartieren. Die Rauhautfledermaus kann dabei Strecken von mehr als 1500 Kilometer zurücklegen. „Einige Arten überwintern im Pfälzerwald“, sagt Budenz. Stoßen die beiden Experten bei ihrer Quartieranalyse auf besonders seltene Tiere wie die Mopsfledermaus, müsse genau geprüft werden, ob ein Planungsvorhaben realisierbar sei. Im Gebiet Lambsheim sei das Vorkommen der Mopsfledermaus aber nahezu ausgeschlossen. „Für uns Menschen sind die friedlichen und sozialen Fledermäuse sehr nützlich und deshalb schützenswert“, sagt Budenz. „Durch ihren kräfteraubenden Flug entwickeln sie einen großen Appetit auf Stechmücken und allerlei Insekten.“ Und das Vorkommen verschiedener Arten sei ein guter Indikator dafür, dass in einem Gebiet noch naturnahe Verhältnisse herrschten. Noch etwa 20 der heimischen Fledermausarten leben im Südwesten Deutschlands, weiß Budenz, der die Tiere seit vielen Jahren studiert. „Es sind die einzigen Säugetiere, die fliegen können“, erklärt er deren Faszination. Abgebildet werden müsse in einem Gutachten ein kompletter biologischer Zyklus von Frühling bis Herbst. Damit werde der Jahresrhythmus der Tiere untersucht. „Am Ende haben wir ein gutes Bild davon, was auf der Fläche biologisch passiert“, sagt Budenz. Geprüft werde streng nach den Richtlinien des Bundesnaturschutzgesetzes. Fledermaus- und Vogelgutachten sind feste Bestandteile eines Bauantrags für eine Windkraftanlage, erläutert der Geschäftsführer der Ingenieursgesellschaft Gaia, Michael Wahl. Dazu gehörten beispielsweise auch ein Stromertrags- und ein Schallgutachten, Sichtbarkeitsstudien und eine Schattenwurfberechnung. Das dritte Windrad nördlich von Lambsheim befindet sich noch im Genehmigungsverfahren. Der Grund: Erst kurz vor der Fusion von Lambsheim mit der Verbandsgemeinde Heßheim hat die Gemeinde ihren Flächennutzungsplan ändern und den vorgesehenen Standort als Windkraftvorrangfläche ausweisen können. Das hat laut Torsten Szielasko, dem zweiten Geschäftsführer von Gaia, so lange gedauert, weil vorher die Windkraftvereinbarung der Kommunen in der Region geändert werden musste. „Wir rechnen mit einer Genehmigung im Herbst“, sagt Szielasko. „Knackpunkte sind noch die Ausgleichsfläche und wo uns die Pfalzwerke ans Stromnetz anschließen.“

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