Rhein-Pfalz Kreis 685 Brücken und 40 Schleusen

Hoch- und Niedrigwasser, Nebel und Sturm, brütende Hitze und prasselnder Hagel – der Altriper Uli Stahl hat das alles auf seiner jüngsten Abenteuertour hautnah erlebt. Der 67-Jährige ist mit einem Angelkahn vom Rhein bis an die Oder gefahren – eine Reise mit vielen unvergleichlichen Erlebnissen, aber auch mit ungeahnten Hindernissen.

1820 Kilometer in sechs Wochen auf deutschen Flüssen und Kanälen zurückgelegt: Stahl hat das Modewort der Entschleunigung konsequent in die Tat umgesetzt. Und das alles auf einem vier Meter langen, 1,40 Meter breiten und gut 70 Jahre alten Kahn, den Stahl in monatelanger Arbeit restauriert und zu einer Art schwimmendem Wohnmobil umgebaut hat. Es war eine weitere ungewöhnliche Reise des Altripers. In den vergangenen Jahren fuhr Stahl, teilweise in Begleitung seiner Frau Monika, schon mit einem kleinen dreirädrigen Lieferwagen bis nach Nord-Norwegen, mit dem Fahrrad nach Berlin oder mit Motorrad oder Jeep Tausende von Kilometern durch Europa und Asien. Nun sollte es aufs Wasser gehen. Schon als Jugendlicher hat der Altriper die Flüsse befahren, beruflich, als gelernter Matrose-Motorenwart und später Schiffsführer. Bis er Landratte wurde und fast 40 Jahre lang bei den Ludwigshafener Verkehrsbetrieben als Straßenbahnfahrer arbeitete. Im Ruhestand kam der Einschnitt. Bei Stahl wurde die Parkinson-Krankheit diagnostiziert, was sich aber als das verwandte Restless-Leg-Syndrom entpuppte. Lange ging es ihm sehr schlecht. Seine Touren, die Herausforderungen, denen er sich stellt, sind für Stahl Teil der Auseinandersetzung mit seiner Krankheit. Und damit ist er Ansprechpartner für Leidensgenossen geworden. „Ich kann nur Ratschläge aus meinen Erfahrungen erteilen“, schränkt Stahl ein. Sich fordern, dem Körper das, was er kann, auch wirklich abverlangen, ein kritischer Patient sein. Und reisen. Eine Fülle von Geschichten über seine jüngste Tour kann der Rentner erzählen. Dass er 40 Schleusen passieren musste beispielsweise. Und dass er zwischen Duisburg und Berlin unter 685 Brücken durchgefahren ist – die sind durchnummeriert, er hat sie nicht etwa gezählt. Dabei hatte alles erst mal mit einer Fast-Havarie angefangen. Als Stahl am 22. Juni in Altrip losfuhr, herrschte Niedrigwasser. Bei Vallendar zog ein dicht vorbeifahrendes Passagierschiff Stahls Boot quasi das Wasser unterm Kiel weg, der Kahn hatte kurzzeitig Grundberührung, und die Bootsschraube war Schrott. Und das schon am dritten Tag. Stahl hatte eine Ersatzschraube dabei. Mithilfe einer nahen Firma, die Stahl noch aus seiner aktiven Schifferzeit in Erinnerung war, konnte es bald weitergehen. Den Rhein hinauf, durch den Dortmund-Ems-Kanal, den Mittellandkanal zur Havel („die ist ja wunderschön“), in den Finowkanal bis um die Gegend von Eberswalde, das war die Route. Sieben Kilometer fehlten Stahl noch bis zum Erreichen der Oder und der polnischen Grenze, da kam das nächste Hindernis: Der Kanal war gesperrt. „Da bin ich ausgestiegen und wenigstens zur Oder gelaufen“, erzählt er lachend. Gefährlich wurde es unterwegs noch einmal. In einer Schleuse, wo er herabgelassen werden sollte, klemmte der bewegliche Poller, an dem er sein Boot festmachen musste und der sich eigentlich mit dem Boot nach unten bewegen sollte. „Auf einmal war das Wasser weg, das Boot hing schief in der Luft“, erzählt Stahl. In Windeseile schnitt er das Seil durch, an dem der Kahn hing, „und dann plumpste ich gut drei Meter runter ins ablaufende Wasser“. Alles noch mal gut gegangen – die Wände dieser Schleusen sind schließlich bis zu 30 Meter hoch, berichtet der Altriper. Auch die Rückfahrt verlief nicht wie geplant. Anfang August herrschte Hochwasser. Stahl kam bis Düsseldorf, dann durfte er nicht mehr weiterfahren. „Es wäre auch zu gefährlich gewesen, da trieben Baumstämme auf dem Rhein, die Strömung war sehr stark“, sagt er. Sein Sohn holte ihn schließlich mit dem Auto ab, das Boot legte auf dem Anhänger den Heimweg nach Altrip zurück. Ein Resümee ist ihm ganz wichtig: „Ich habe überall eine Hilfsbereitschaft erlebt, mit der ich so nie im Leben gerechnet hätte. “ Mit offenen Armen sei er aufgenommen worden, ob an den Anlegestellen von Jachtvereinen, bei Firmen, die unterwegs mal mit Werkzeug aushalfen, bei Schiffsbesitzern oder einfach nur von Passanten an Land. Und ebenso überraschend: „Ich musste nie was bezahlen für Essen oder Trinken, immer wurde ich eingeladen.“ Denn die Menschen, denen er begegnete, wollten sein selbst gebautes schwimmendes Domizil begutachten, seine Geschichte hören und waren begeistert von seinem Vorhaben. Wie geht es weiter? Im kommenden Jahr wird erst einmal die Ehefrau verwöhnt als Dank für ihre Unterstützung, und zwar mit einer langen Reise per Wohnmobil Richtung Skandinavien, verrät der Altriper. Für 2016 ist die nächste Solo-Tour ins Auge gefasst: vielleicht mit dem Kahn durch die Donau zum Schwarzen Meer.

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