Pirmasens Jugendbücherei: Warum sie mehr gefragt ist als die Erwachsenenbibliothek

Diplom-Bibliothekarin Ricarda Faul hat aus der Pirmasener Kinder- und Jugendbücherei eine Goldgrube gemacht.
Diplom-Bibliothekarin Ricarda Faul hat aus der Pirmasener Kinder- und Jugendbücherei eine Goldgrube gemacht.

Jungs lieben Gregs Tagebücher, Mädchen bevorzugen Tierfantasy-Geschichten: Die Pirmasenser Jugendbücherei hat aber nicht nur Bücher zu bieten. Dazu kommt: Im Gegensatz zur Erwachsenenbibliothek verzeichnet sie auffällig steigende Ausleihzahlen.

Von der Jugendbücherei wissen viele Pirmasenser gar nicht, dass es sie gibt. Dabei hat sie einen enormen Zuspruch – sogar mehr als die Belletristik-Abteilung für Erwachsene im Erdgeschoss. Das liegt an dem Engagement von Ricarda Faul, die die Jugendbücherei leitet, und viele Kooperationen und Aktionen angeleiert hat: „Frau Faul macht einen super Job“, bestätigt Bücherei-Chefin Ulrike Weil.

Die Ausleihzahlen bei der Jugend steigen, während die Erwachsenen in ihrem Lesehunger stagnieren. Das seien Corona-Folgen, von denen sich die Bücherei bislang nicht erholt habe, sagt Weil. Von den 78.000 Medien, die im vergangenen Jahr ausgeliehen wurden, gehen fast 46.000 auf das Konto der Jugendbücherei, zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. Bei den Erwachsenen waren es nur 32.000 Medien, eine Zahl, die das Niveau aus dem Vorjahr widerspiegelt.

Tonie-Figuren: Ausleihe um 30 Prozent gestiegen

Neben echten Büchern sind Spiele bei den Kindern besonders beliebt, mit steigender Tendenz. Und die neuartigen Tonies, deren Ausleihe um 30 Prozent auf 2900 gestiegen ist. Tonies, das sind Figuren, die in ein Gerät eingesteckt werden und Geschichten oder Hörspiele erzählen.

Der Erfolg der Jugendbücherei kann vielleicht auch mit dem kontinuierlich steigenden Medienbestand erklärt werden. Jedes Jahr kommen laut der offiziellen Büchereistatistik rund 700 weitere Bücher dazu, während bei den Erwachsenen im Erdgeschoss fleißig aussortiert wird. Dort waren zwischen 2022 und dem vergangenen Jahr 1200 Bücher weniger in den Regalen zu finden. 47.000 Euro hat die Jugendbücherei jährlich zur Verfügung. Davon müssen aber auch die Bücher in Folie eingebunden und die Daten eingespielt werden.

Raupen-Rallyes und Müllmonster

Der Lesesommer in den Sommerferien ist der alljährliche Höhepunkt in der Kinder- und Jugendbücherei. Aber auch die Besuche von Schulen und Kita-Gruppen seien inzwischen ein Selbstläufer. „Die Lehrer sprechen mich gezielt an“, freut sich Jugendbüchereileiterin Faul, die altersgerechte Einführungen anbietet. Damit die Kinder wissen, welche Bücher es in der Dankelsbachstraße gibt und wie man sie dort in den Regalen findet. Immerhin sei Lesen die Grundkompetenz für so ziemlich alles im Leben – für schulischen Erfolg, Ausbildung und Beruf genauso wie fürs private Lesevergnügen. Nur sei genau die heute nicht mehr selbstverständlich, bedauert Faul. Deswegen hat sie verschiedene Programme zur Sprach- und Leseförderung entwickelt. Bei den ersten Klassen veranstaltet sie eine Kleine-Raupe-Nimmersatt-Rallye durch die Bücherei. Anhand der Geschichte lernen die Kleinen die Bibliothek kennen. Ein riesiges Raupenplüschtier gibt es dort zu entdecken, genauso wie Blätter, Früchte und Kuchen, die eigentlich in einem kleinen Koffer aufbewahrt werden, dann aber in verschiedenen Büchern, Spielen und CDs stecken, die sich die Kinder anschließend gemeinsam ansehen. Manchmal werden die Kinder sogar selbst zur Bilderbuchfigur, wenn sie etwa in die Haut eines sogenannten Olchies schlüpfen, eine Art Müllmonster in Grün, wofür säckeweise Müll in der Bücherei ausgekippt wird, der vorher natürlich blitzeblank gesäubert wurde. Auch eine Piratenrallye mit Büchertausch für Schulklassen ist im Angebot.

Bücher in vielen Sprachen

Lesekarten bekommen Kinder übrigens schon ab sechs Jahren, vorausgesetzt die Eltern sind einverstanden, informiert Faul. Der Idealfall sei nämlich, wenn Eltern mit ihren Kindern gemeinsam in den Regalen stöbern und eine Auswahl treffen. Auf der Gefühlsebene würde da ganz viel passieren, erklärt die Diplom-Bibliothekarin. Das sei wissenschaftlich erwiesen.

Auch Asylbewerber und Flüchtlinge seien inzwischen dankbar für das Angebot der Bücherei, weiß Expertin Faul. Nicht nur für die deutsche Sprache, sondern auch, um die Kultur kennenzulernen. Zur Verfügung stünden mittlerweile aber auch Sprachkurse für Kinder. Darüber hinaus gebe es ein Bücherangebot auf Englisch, Französisch, Ukrainisch, Arabisch, Türkisch und Persisch.

Mehr Ausleihen in den vier „Filialen“

Eine weitere Säule für den Erfolg der Jugendbücherei in der Dankelsbachstraße sind die vier Schulbibliotheken in der Kirchbergschule, Ruhbank, Gersbach und Winzeln. Dort werden die Kinder praktisch direkt von der Schule an das Buch und die vielen anderen Medien gewöhnt. Auch hier kann Faul auf extreme Steigerungszahlen nach Corona verweisen, auch wenn es sich hier nicht um Quartiersbüchereien handelt, sondern um Bibliotheken, die nur für Schüler der jeweiligen Schulen offen sind. Zwischen 2022 und 2023 sind beispielsweise in Gersbach und Winzeln die Ausleihzahlen um mehr als 40 Prozent nach oben geschossen.

Jungs würden die Bücher von Gregs Tagebuch des Autors Jeff Kinney am besten gefallen, erzählt Faul und schmunzelt. Vielleicht weil diese Schrift und Comicelemente verbinden. Mädchen hingegen würden zu romantischen Geschichten oder Tierfantasy-Erzählungen tendieren. Und bei den Teenies seien Fantasy, Krimis und Science Fiction gefragt.

Zu eng

Problematisch eng sei allerdings der Ort. Wenn Geld keine Rolle spielen würde, hätte Ricarda Faul schon längst den holländischen Architekten Aat Vos beauftragt, um Räumlichkeiten für Kinder und Jugendliche zu gestalten. Den hat sie im Urlaub entdeckt und dann gelesen, dass er in Köln die Zentralbibliothek gestaltet hat. „Das sind Orte, an denen man sich wie im Wohnzimmer fühlt“, schwärmt die Bibliothekarin von der Offenheit des architektonischen Ambiente. Am liebsten würde sie außerdem die Öffnungszeiten verlängern, damit noch viel mehr Kinder die Möglichkeit hätten, in die Bücherei zu kommen. Der Alltag verhindere das meistens. Viele seien bis 16 Uhr in schulischer Betreuung. Freitag und Samstag würden sich daher großartig eignen, um Leseaktionen und Spielenachmittage zu veranstalten, findet Faul. Vielleicht ergebe sich aber die Chance mit dem Umzug in die Schlossgalerie, auch für das Ambiente. Die Gespräche, wie es dort aussehen soll, laufen auf Hochtouren, informiert Weil. Eine Entscheidung sei aber noch nicht getroffen.

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