Pirmasens Pirmasens: „Praxis zu verschenken“

Günter Theis zeigt auf der Internetseite „Landarztbörse“, wo überall Praxen zum Verkauf stehen.
Günter Theis zeigt auf der Internetseite »Landarztbörse«, wo überall Praxen zum Verkauf stehen.

Günter Theis ist Mediziner aus Leidenschaft. Er mag seinen Beruf, die Mitarbeiter seiner Praxis und die Patienten. Dennoch wird der 70-Jährige seine Praxis Ende des Jahres schließen. Einen Nachfolger hat er noch nicht gefunden, trotz deutschlandweiter Anzeigen mit plakativer Überschrift. Dabei biete die Südwestpfalz beste Bedingungen, sagt er.

Zwar haben Günter Theis die Anzeigen mit der Überschrift „Praxis zu verschenken“ keinen Nachfolger beschert, aber mediale Aufmerksamkeit: Vergangene Woche berichtete beispielsweise der Spiegel über seine Situation. „Ich wollte mit den Anzeigen durchaus eine Diskussion anstoßen“, sagt der Allgemeinmediziner. Dafür habe er eine mittlere vierstellige Summe und viele Gedanken investiert. Oberste Priorität sei für ihn nach wie vor, einen Nachfolger für seine Praxis zu finden, betont Theis. Denn – das weiß er – in der nächsten Zeit werden in Pirmasens einige Kollegen in Ruhestand gehen, die das gleiche Problem haben wie er. Das sei schlecht für die Patientenversorgung. „Neben der Nachfolgersuche wollte ich aber darauf aufmerksam machen, dass das ganze Gesundheitssystem krankt, die Politik mit ihrem eingeschlagenen Weg bei der medizinischen Versorgung falsch liegt“, sagt er. Das scheint ihm gelungen zu sein. Neben dem Spiegel haben sich die Landesschau des SWR und die deutsche Ärztezeitung bei ihm gemeldet. Nach den Ferien kommt ein Team von Stern TV.

"Warum muss das Gesundheitssystem profitabel sein?"

„Vielleicht stoße ich so zumindest eine Diskussion an“, hofft er. Theis’ Kritik: „Das deutsche Gesundheitssystem ist nur dann das beste der Welt, wenn ich Privatpatienten behandeln darf“, sagt er. Bei Kassenpatienten entscheide nicht er, was für den Patient in einer bestimmten Situation das Beste ist, sondern die Krankenkasse. Bei jeder Behandlung müsse er die „WANZ-Kriterien“ einhalten, erläutert der Mediziner. Leistungen, die er erbringe, müssen demnach wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig sein. Könne er eine Behandlung vorm Sozialrichter nicht nach diesen Vorgaben rechtfertigen, werde das schnell teuer. „Ich kenne Kollegen, die sind mit fünfstelligen Regresszahlungen konfrontiert“, sagt Theis. Auch die Anzahl der Behandlungen und die Arbeitszeit werde von den Kassen reglementiert. Auf dem Papier sei er zwar Freiberufler, faktisch müsse er aber genau das tun, was die Krankenkasse verlangt. Den Kassen gehe es letztlich nicht um das Wohl der Patienten und eine optimale Versorgung, sondern ums Geld. „Ich frage mich: Warum muss das staatliche Gesundheitssystem eigentlich profitabel sein? Die Bundeswehr und die Polizei sind es auch nicht“, stellt der Mediziner in den Raum. Und er fügt an: „Eigentlich sollten wir Kassenärzte Angestellte des Staates sein.“ Das wäre fairer und für alle transparenter. Dass er sich mit dieser Idee nicht nur Freunde macht, nimmt er in Kauf.

Das Problem betrifft alle Bundesländer gleichermaßen

Zudem, so fordert Theis, müsse der Gesundheitsminister endlich ein Fachmann sein, der weiß, um was es geht. Von der Politik würden Ärzten immer mehr Verwaltungsaufgaben und Dokumentationspflichten aufgebürdet, sodass die Medizin fast in den Hintergrund trete. Er habe das Glück, dass seine Frau die administrativen Aufgaben weitgehend von ihm fernhält und er sich auf das konzentrieren kann, was ihm Spaß macht. In der ganzen Diskussion gehe es ihm nicht um sein Einkommen, betont Theis. Das sei ausreichend und angemessen. „Meine Familie und ich können davon gut leben“, sagt der Vater zweier Söhne. Er glaubt nicht, dass sich junge Mediziner wegen eines zu geringen Einkommens gegen den Weg in die Praxis entscheiden. „Es sind die Arbeitsbedingungen.“ Der Mangel bei Hausärzten sei auch kein Problem der Südwestpfalz. Zum Beweis führt Theis die Internet-Seite „Landarztbörse“ an. Dort stehen deutschlandweit 930 Praxen zum Verkauf. Das Problem betrifft nahezu alle Bundesländer gleichermaßen.

Bis Dezember: Nachfolger gefunden oder Praxis schließt

Dabei biete die Südwestpfalz eigentlich beste Voraussetzungen, um eine Praxis wirtschaftlich zu führen. „Die Lebenshaltungskosten sind niedrig, unsere Region hat einen hohen Erholungswert“, meint Theis. In seinem Fall stimme noch dazu das komplette Umfeld: Die Zusammenarbeit mit den Kollegen sei optimal und ohne Konkurrenzdenken, der Kontakt zu den Krankenhäusern in Pirmasens und Rodalben funktioniere reibungslos, die Praxis sei profitabel, gut aufgestellt, der Großteil seiner Patienten freundlich. Gerne würde er noch einige Jahre weitermachen. „Mein Vorgänger war etwa 80 Jahre, als er sich zur Ruhe gesetzt hat. So habe ich mir das eigentlich auch vorgestellt“, meint er mit ein wenig Wehmut. Nun, mit 70 Jahren, macht ihm die eigene Gesundheit aber einen Strich durch die Rechnung. Findet er bis Dezember keine Lösung, wird die Praxis schließen. Das tut ihm schon jetzt leid, um seine Patienten, die Angestellten und um die Praxis, in der er so gerne arbeitet. Ob er seinen Beruf tatsächlich ganz an den Nagel hängt, kann er noch nicht sagen. „Ich liebe das, was ich tue, und könnte mir vorstellen, noch eine Weile als angestellter Arzt für ein paar Stunden irgendwo mitzuarbeiten“, meint er.

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