Neustadt Wochenspiegel:

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Eine gute Chance, Akzente für den Fahrradverkehr in Neustadt zu setzen, hat der Stadtrat am Dienstag verpasst. Mit einer Teilnahme am Leihradsystem des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar (VRN) hätte für nur 30.000 Euro im Jahr (für 60 Räder) die Möglichkeit bestanden, den Verkehr umweltfreundlicher zu gestalten. Hinzugekommen wären noch Anfangsinvestitionen von bis zu 15.000 Euro. Nur die SPD beklagte die Absage an den VRN. Der CDU, den Freien Wählern und den Grünen waren die VRN-Räder zu schwer und zu altmodisch. Neustadt brauche bei seiner Topographie Elektroräder. Was hindert die Stadt eigentlich, solche zusätzlich anzuschaffen und zu vermieten – wie es zum Beispiel Pirmasens seit Jahren erfolgreich praktiziert? Übrigens ebenfalls mit dem Hinweis auf die Topographie. Argumentiert wurde auch, damit subventioniere die Stadt nur die VRN-Pendler. Was ist daran schlecht? Auch jeder VRN-Pendler, der mit dem Rad unterwegs ist, trägt zum Beispiel dazu bei, dass es in der Innenstadt – zur Freude der Willkomm – mehr Parkplätze gibt. Sehr merkwürdig war dann auch die Argumentation von Kurt Werner von den Grünen, der wörtlich sagte: „Auch Projekte, die der Umwelt dienen, müssen sich selbst tragen.“ Wenn das künftig der Maßstab ist, braucht sich keiner darum zu sorgen, ob irgendwo in der Region nochmals ein Windrad aufgebaut wird. Und der Nahverkehr des VRN, egal ob auf Straße oder Schiene, ist auch subventioniert. Eine nette Anekdote gibt es im Zusammenhang mit der Nominierung von Isabel Mackensen als Bundestagskandidatin der SPD zu erzählen. Die 29-Jährige aus Niederkirchen tritt bei der Wahl gegen Johannes Steiniger an, den Nachfolger von Norbert Schindler als CDU-Bundestagskandidat. Mackensen stammt aus einer CDU-Familie. Eltern und Onkel waren für die Union aktiv. Da bot sich an, dass sie sich zu Beginn ihres Studiums als Praktikantin in Schindlers Bundestagsbüro bewarb und eine Absage bekam, weil man keine Zeit habe, sich um sie kümmern, wie Mackensen sich erinnert. Wenn sich Schindler die Zeit damals genommen hätte, wäre vielleicht alles anders gekommen. Die Zusage bekam Mackensen dann übrigens vom damaligen FDP-Landesvorsitzenden Rainer Brüderle, dem es aber auch nicht gelang, die junge Studentin für die Liberalen zu begeistern. Mackensen wurde mit 22 Jahren SPD-Mitglied. Die „Presse“ war am Dienstag im Stadtrat mal wieder an allem Schuld. Da „erdreistete“ sich der Schreiber dieser Zeilen doch wirklich, unter den Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat eine Umfrage zu starten, ob sie es denn in Ordnung finden, dass die Firma Gerst für die Sportplatzverlagerung und die Entwicklung des Neubaugebietes Jahnplatz in Lachen-Speyerdorf eine Konkurrenzklausel eingeräumt bekommt. Bis 2020 soll die Stadt kein anderes neues Neubaugebiet entwickeln dürfen. Dies so zu vereinbaren, dafür gibt es Argumente. Es gibt aber auch Politiker, wie den SPD-Vorsitzenden Pascal Bender, die dies kritisch sehen und ebenfalls gute Argumente dafür vorbringen. Die RHEINPFALZ hat nichts anderes getan, als ein in der Stadt diskutiertes Thema aufzugreifen und die Meinungen gegenüber zu stellen. Das ist unsere Aufgabe. Wir wissen nämlich aus Gesprächen, Leserbriefen und Meinungsumfragen, dass unsere Kunden dies erwarten. Gerade bei der jüngsten Sommertour mit Lesern ins RHEINPFALZ-Druckzentrum hat ein Teilnehmer wörtlich gesagt: „Gehen Sie bitte kritischer mit Kommunalpolitikern um, lassen Sie sich nicht umschmeicheln und einschüchtern.“ Noch ein Wort zur Firma Gerst, die laut Oberbürgermeister Hans Georg Löffler gedroht haben soll, wegen der Berichterstattung aus dem Projekt auszusteigen. Wer mit der öffentlichen Hand Geschäfte macht, sich im übertragenen Sinne vom Steuergeld der Bürger dafür bezahlen lässt, der muss sich auch eine öffentliche Diskussion darüber gefallen lassen. Wenn ihm das nicht passt, sollte er sich andere Geschäftspartner suchen.

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