Neustadt Nach Erdbeben: Rhein Döner und Freundeskreis Mersin wollen helfen

Kaffee, Kuchen und türkische Spezialitäten sollen die Spendenbereitschaft für die Opfer der Erdbeben ankurbeln.
Kaffee, Kuchen und türkische Spezialitäten sollen die Spendenbereitschaft für die Opfer der Erdbeben ankurbeln.

Gut eine Woche nach den verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien laufen in Neustadt Spendenaktionen für die Opfer an. Der Wunsch, Betroffenen vor Ort zu helfen, ist groß.

Mehr als 40.000 Menschen sind bei den zwei Erdbeben am 6. Februar im Süden der Türkei und im Norden Syriens getötet worden, rund 100.000 wurden verletzt. Laut der Nachrichtenagentur Reuters sind mindestens 1,3 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Bilder aus dem Katastrophengebiet lassen das Ausmaß der Zerstörung erahnen. „Wir haben uns gleich am nächsten Tag entschlossen, dass wir etwas tun müssen“, sagt Yasemin Borulday. Sie hat sich unter anderem mit Serdar Özdüzenciler um die Organisation der Spendenaktion am Dienstag auf dem Neustadter Marktplatz gekümmert. Das Motto: „Meine Heimat hilft meiner Heimat“, erklärt Borulday. Sie freut sich über den Zuspruch, auch von deutschen Mitbürgern.

Die Frauen aus dem Freundeskreis des städtischen Partnerschaftskomitees mit rund zwölf aktiven Mitgliedern haben gekocht und gebacken: Neben türkischen Spezialitäten wie Börek, Baklava und Asure gibt es auch Couscous, Waffeln, Kuchen sowie Nudel- und Kartoffelsalat. Bei Kaffee und Tee kommen zahlreiche Neustadter an den Stehtischen zusammen. Auch Geschäftsleute haben gespendet, ein Blumengeschäft zum Beispiel 100 Rosen, die bereits am Nachmittag ausverkauft waren.

„Menschen im Schock“

Der Freundeskreis hat sich laut Seyhan Hasirci in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Bürgermeister von Mersin-Yenisehir, Abdullah Özyigit, über die Lage vor Ort verständigt. Mersin selbst liegt zwar rund 300 Kilometer vom Epizentrum des Erdbebens entfernt, spielt aber in der Katastrophenhilfe als Drehscheibe eine wichtige Rolle, viele sind aus zerstörten Gebieten dorthin geflohen. „Den Leuten fehlt es an Essen, Trinken und Schlaf“, sagt Hasirci. Es seien Zeltlager aufgestellt und Decken verteilt worden, weil alle Turnhallen voll seien. „Die Menschen sind im Schock.“

„Es gibt ein großes Bedürfnis zu helfen“, sagt Oberbürgermeister Marc Weigel, der am Nachmittag bei der Aktion vorbeischaut. Dem wolle man in der Öffentlichkeit Raum geben. Er lobt das gute Netzwerk, das unter anderem Hasirci in Mersin aufgebaut habe. „So können wir die Hilfen kanalisieren.“ Das gesammelte Geld – bis vergangenen Freitag waren es laut Stadt rund 4000 Euro – läuft über die Städtepartnerschaft an die Verwaltung in Mersin, die es laut Weigel für den Kauf von Hilfsgütern vor Ort einsetzt.

Aktionstag im Döner-Imbiss

Ibo Kandil, der den Imbiss Rhein Döner in der Friedrichstraße 7 führt, erinnert sich genau an den Moment, als er von der Katastrophe erfahren hat. Auch seine Heimatstadt Pazarcık, genauer das angegliederte Dorf Bugan-Damlatas, wurde schwer vom Beben erschüttert. „Ich bin erst mal gar nicht klargekommen, ich konnte nicht klar denken“, sagt er. Es seien Freunde und Familie verschüttet worden, nicht alle hätten überlebt. „Meine Tante hat im Dorf noch ein Haus, das steht“, erzählt er. Nachts halte immer ein Familienmitglied Wache, weil alle Angst vor Nachbeben hätten. Es fehle an allem, an Wasser, an einem Dach über dem Kopf, an sanitären Anlagen.

Rhein Döner-Inhaber Ibo Kandil (links) und sein Mitarbeiter Alireza Alizadeh hoffen am Donnerstag auf viele Gäste, da er seinen
Rhein Döner-Inhaber Ibo Kandil (links) und sein Mitarbeiter Alireza Alizadeh hoffen am Donnerstag auf viele Gäste, da er seinen Tageserlös an die Erdbebenopfer spenden will.

Hilfen kämen gerade in den kleineren Dörfern nur schleppend an, sagt Kandil, auch weil Verbindungswege versperrt seien. Supermärkte, Apotheken – alles zerstört. „Es gibt kein Pazarcık mehr.“ Kandil hält telefonischen Kontakt zu seinen Angehörigen, doch das Telefonnetz sei schlecht und der Handyakku kostbar ohne Steckdosen zum Aufladen. Manchmal hört er tagelang nichts und bangt um seine Liebsten.

Ohnmächtige Angehörige

Der 41-Jährige lebt seit 1990 in Deutschland, führt seit 2010 den Rhein Döner, der seit 27 Jahren in Familienhand ist. Der Drang, aktiv zu werden, irgendwie zu helfen, sei immer größer geworden. „Hinzufliegen, das bringt nichts. Man würde die Hilfen dort blockieren“, ist er überzeugt. Deshalb tut er das, was in seiner Macht steht: Am Donnerstag veranstaltet er einen Aktionstag bei Rhein Döner, bei dem alle Tageseinnahmen an die Erdbebenopfer gehen sollen. Ähnliche Aufrufe hatten auch schon Verwandte, die wie er in Deutschland leben, gestartet, zum Beispiel in Heiligenstein (Rhein-Pfalz-Kreis). „Jeder Cent wird gespendet“, verspricht Kandil.

Der Imbiss-Besitzer macht sich Sorgen, dass die internationale Aufmerksamkeit in einigen Wochen abebben könnte – und damit auch die Hilfen. „Wenn ich könnte, würde ich mehr tun“, sagt er mit hörbarer Verzweiflung in der Stimme. Auch über den Donnerstag hinaus will er eine Spendendose in seinem Geschäft aufstellen.

Termin

Spendenaktionstag bei Rhein Döner am Donnerstag, 16. Februar, 11 bis 22 Uhr.

Am Samstag, 18. Februar, bietet der Freundeskreis Mersin-Yenisehir erneut von 10 bis 18 Uhr vor dem Rathaus Essen und Getränke gegen Spenden an.

Am Sonntag, 19. Februar, werden Kaffee und Kuchen sowie Handgenähtes bei einer Spendenaktion im Mehrgenerationenhaus, Von-Hartmann-Straße 11, angeboten.

So können Sie spenden

Die Stadt hat ein Spendenkonto eingerichtet – Empfänger: Stadtkasse Neustadt an der Weinstraße; IBAN: DE58 5465 1240 0000 0015 03; BIC: MALADE51DKH; Verwendungszweck: „Erdbeben Türkei“. Wer eine Spendenbescheinigung wünscht, muss im Verwendungszweck zusätzlich den Namen und die Adresse angeben. Sonst ist eine Zuordnung nicht möglich.

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