Interview Nabu zu Müll: „Müssen Verursacher in die Verantwortung nehmen“

Plastiktüten und -verpackungen, Glasflaschen, Kippen und Elektroschrott: Kaum ein Grünstreifen in Neustadt ist frei von Müll, tr
Plastiktüten und -verpackungen, Glasflaschen, Kippen und Elektroschrott: Kaum ein Grünstreifen in Neustadt ist frei von Müll, trotz Aufräumaktionen und Dreck-Weg-Tagen.

Jede Menge Müll hat der Nabu Neustadt jüngst mal wieder aus der Natur gesammelt. Aufräumen allein sei nicht das Ziel solcher Aktionen, betonen Martin Meister und Wolfram Husemann. Im Gespräch mit Stefanie Brunner machen sie Vorschläge, wie man die Müllflut eindämmen könnte.

Herr Meister, Herr Husemann, erst kürzlich waren Sie wieder an verschiedenen Stellen in Neustadt unterwegs, um Müll aus der Natur zu sammeln. Gehört das beim Nabu zum Alltag?
Meister: Wir machen das drei- bis viermal im Jahr, die genauen Örtlichkeiten werden kurzfristig festgelegt. Schwerpunkte sind rund um Supermärkte, zum Beispiel in der Martin-Luther-Straße, und dann überall, wo es von Wohnsiedlungen raus in die Natur geht. Auch am AVG-Kreisel finden wir immer unglaublich viel.

Husemann: Wir haben schon nur zu zweit gesammelt, es gab aber auch Jahre, wo viele Freiwillige dazugestoßen sind. Wir machen solche Aktionen vorwiegend nicht, um Müll einzusammeln.

Welches Ziel haben Sie dann vor Augen?
Meister: Es ist nicht Zweck der Sache, Neustadt glänzend zu machen – auch wenn wir wollen, dass die Stadt schön ist. Denn das geht nicht an die Ursachen für die Verschmutzungen heran. Deshalb stellen wir im Nachgang unsere Fundsachen aus: um darauf aufmerksam zu machen, dass da ein Problem ist. Dass man versuchen sollte, die Umwelt zu schonen und seinen Müll richtig zu entsorgen.

Martin Meister (69), Schriftführer beim Nabu Neustadt.
Martin Meister (69), Schriftführer beim Nabu Neustadt.

Müllberge als Schockeffekt. Bewirkt das ein Umdenken?
Husemann: Natürlich bringen solche Bilder mehr Aufmerksamkeit.

Meister: Die Frage ist aber: Wen erreicht man damit? Wir sehen auch, dass da, wo wir gesammelt haben, vier bis acht Wochen später wieder Müll liegt. Man hofft, dass es einen Teil der Bevölkerung erreicht, diskutiert aber auch, wie wir noch besser an die Leute herankommen können.

Husemann: Großes Problem sind Zigarettenkippen. Auf dem Weg hierher hab ich bei 140 Stück auf dem Boden aufgehört zu zählen, auf 400 Meter Fußweg. Es gibt bei bestimmten Menschen eine Mentalität, als ob es normal wäre, gewisse Arten von Müll wie Zigarettenkippen einfach wegzuschmeißen. Bei einer Müllsammelaktion hat jemand mal seine Kippe beim Aussteigen aus dem Auto direkt vor unsere Füße geschmissen, andere werfen den Kassenbon noch auf dem Parkplatz aus dem Fenster – das Bewusstsein für Müll ist da gar nicht da. In anderen Fällen findet man ganze Abfalltüten – da fragt man sich schon, warum die Leute das nicht einfach für die Müllabfuhr vor ihre Haustür stellen statt es ins Gebüsch zu schmeißen.

Geht es da um das Bewusstsein, die Bildung, dass etwas Müll ist und was das mit der Umwelt macht? Oder herrscht da eher Gleichgültigkeit?
Meister: Sicher ist es einem Teil der Bevölkerung egal. Dazu kommt Nichtwissen, beispielsweise dass ein Zigarettenfilter aus Kunststoff besteht und die Reststoffe darin hochgiftig für Boden- und Wasserorganismen sind. Wenn Sie eine Kippe auf den Boden werfen, können Sie davon ausgehen, dass im unmittelbaren Umfeld kein Klein-Organismus mehr lebt.

Husemann: Interessant ist, wie die Leute reagieren, wenn man sie darauf anspricht. Manchmal schaut man nur in fragende Augen.

Meister: Manchmal werden sie auch pampig. Ich habe aber schon erlebt, dass jemand umgedreht ist und hat die Kippe wieder aufgehoben.

Wolfram Husemann (65), Vorsitzender des Nabu Neustadt.
Wolfram Husemann (65), Vorsitzender des Nabu Neustadt.

Was wären Ihre Vorschläge, um Verschmutzungen einzudämmen?
Meister: Es muss um mehr gehen als Wegräumen und Saubermachen, der Müll fällt nicht vom Himmel. Wir müssen die Verursacher in die Verantwortung nehmen. Klar ist das schwierig, weil man selten daneben steht, wenn’s passiert. Die Stadt sollte klarer ansprechen, dass es Bürger gibt, die sich nicht an die Regeln halten. Obwohl auf illegale Müllablage harte Strafen stehen, schauen viele weg.

Husemann: Wir haben über 50.000 Bewohner in Neustadt. Wenn jemand irgendwo Müll wegschmeißt, hat kaum jemand das Rückgrat, die Person anzusprechen oder gar anzuzeigen, die soziale Kontrolle fehlt. Wir haben auch schon Supermärkte auf Missstände wie Mülleimer, aus denen alles auf den Parkplatz fliegt, hingewiesen und damit positive Veränderungen bewirkt. Die Stadt könnte mit Aufklärungskampagnen, beispielsweise mit Plakaten an stark verschmutzten Stellen, das Bewusstsein schärfen.

Nassreinigung der Fußgängerzone, Kontrolle der Gehwegreinigung, Umstellung bei der Sperrmüllabfuhr, und jüngst noch eine Fragebogen-Aktion: Die Stadt greift das Thema Sauberkeit von mehreren Seiten an. Reicht das nicht?
Meister: Aus unserer Sicht gehört den Anstrengungen der Stadt Anerkennung, da wird schon recht viel gemacht. Das Meldoo-System funktioniert gut. So eine Umfrage kann zumindest helfen zu verstehen, wo Bürger ein Problem sehen. Falls das einzige Ergebnis ist, dass wir mehr sauber machen, mehr städtisches Personal dafür einstellen müssten, reicht das nicht. Die Frage ist, steckt man noch mehr Arbeit in die Müllbeseitigung oder versucht man, dem anders, eben über Aufmerksamkeit und Bewusstseinsänderung, beizukommen.

Husemann: Es gibt wirklich engagierte Mitarbeiter bei der Stadt, die unterstützen, die nachhaken. Manche Verhaltensänderung kommt wohl nur über den Geldbeutel.

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