Neustadt Martialischer Klang im Kirchenschiff

«Neustadt-Hambach». Die Neustadter Musikfreunde hatten es am Sonntagabend, alarmiert durch die Wetterprognosen, vorgezogen, auf „Nummer Sicher“ zu gehen und ihre „Hofserenade“ vom Freiluftgeviert im Rathaus-Areal ins Ausweichquartier Hambacher Pauluskirche verlegt. Ein Umstand, der dem Sinfonieorchester und seinem romantischen Sommerprogramm mutmaßlich etliche Zuhörer stibitzte.

Felix Mendelssohn Bartholdy, dazu zwei seiner weniger populären Zeitgenossen – der Dresdner Carl Heinrich Hübler und der norwegische Komponist Johan Severin Svendsen – standen auf dem Programm des prächtig aufgestellten Semi-Profiorchesters mit Jürgen Weisser am Pult, seines Zeichens unter anderem Leiter des Universitätschors Mannheim sowie des Kammerorchesters der Mannheimer Abendakademie. Vorweg: Das Neustadter Sinfonieorchester, mit rund 50 Spielenden proper und in allen Instrumentengruppen ausgewogen besetzt, führt neben den erfahrenen Kräften eine ansehnliche Riege hochengagierter Jungmusiker im Boot; das verleiht ihm ein Charisma, das ganz unmittelbar ausstrahlt und obendrein eine wunderbare Option für die Zukunft bietet. Dennoch bleibt der Eindruck dieses Konzertabends ambivalent. Schon Mendelssohns bilderreiche Ouvertüre „Das Märchen von der schönen Melusine“, op. 32, der Weisser ein strammes Tempo verordnete, wirkte – aus der engen Apsis in die staubtrockene Akustik des Kirchenraums katapultiert – unangemessen roh und martialisch. Keine Spur vom typisch gerundeten Mendelssohn-Ton. Einzig den Holzbläsern, die auch im weiteren Konzert mit etlichen schönen Einzelaktionen (Flöte, Klarinette!) aufwarteten, war ein Sotto-Voce-Ausruhen zwischen den allzu kernigen Tutti-Attacken zu danken. Und der Eindruck verstärkte sich – wahrscheinlich unwillkürlich – bei den ohnehin auf Klangopulenz ausgelegten beiden Folgestücken. Hüblers Konzertstück, sehr stark durch Robert Schumanns ungleich gehaltvolleres Pendant (op. 86) inspiriert, für Orchester und gleich vier Solo-Hörner, ist wohl vor allem seiner exotischen Besetzung wegen in die Musikgeschichte eingegangen. Ein brav komponiertes Opus, das ein kraftvoll auftrumpfendes Orchester mit einem sehr klangvollen, meist homophon-choralartigen Concertino-Quartett in Zwiesprache treten lässt. Jonas Bernhard, Matthias Blum, Tobias Koplin und Alexander Weber, bis auf Letzteren alle keine Profi-Hornisten, waren die vier Bläser, die den Solopart ganz wunderbar aufeinander abgestimmt und ohne Fehl und Tadel meisterten. Nach der Pause folgte als großes orchestrales Werk die 1. Sinfonie D-Dur des Norwegers Johan Severin Svendsen, eines Zeitgenossen von Edvard Grieg, Hofkapellmeister zu Oslo und zu Lebzeiten durchaus nicht ohne Bedeutung. Freilich, ein wirkliches Aha-Erlebnis blieb – wenigstens für diesmal – aus. Das viersätzige Opus, formal ganz dem klassisch sinfonischen Gardemaß verpflichtet, strotzt nur so vor Pathos. Es wirkt – vor allem in den Ecksätzen – mehr auf Effekt als auch kompositorische Substanz ausgelegt. Ein versierter Instrumentierer war er zweifelsohne, dieser Svendsen; der melodische und harmonische Ideenschatz indes ist mager, wirkt zuweilen allzu plan. Themen werden eingeführt, mehrfach repetiert, aber es wird nicht mit ihnen gearbeitet. Jürgen Weisser schien diesen Eindruck vom Pult aus noch verstärkten zu wollen, indem er das Blech, das eigentlich immer zu laut war, unbotmäßig forcierte. Was wiederum die Streicher zwang, ebenso aufzutrumpfen, Passagen gnadenlos durchzupeitschen. Und das führte auf der klanglichen Ebene zu Schärfen und Ungleichgewichten, trübte auch zusehends die Intonation, vor allem im Schlusssatz der Sinfonie, wo einfach auch schon Ermüdungserscheinungen die spielerische Konzentration beeinträchtigten. Fazit: Dies war spieltechnisch unstreitig ein schweres Programm gewesen, was sich die Musiker da in ihrer Freizeit hatten draufschaffen müssen. Schade halt, dass es vom Pult aus so wenig inspiriert und musikalisch ausformuliert auf die Reise geschickt wurde.

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