Neustadt „Ich bin froh, dass es das im Dorf gibt“

„Haltet die RHEINPFALZ vor euch, dreht den Oberkörper langsam nach rechts, dann nach links.“ Ilona Ohliger nutzt die Zeitung als
»Haltet die RHEINPFALZ vor euch, dreht den Oberkörper langsam nach rechts, dann nach links.« Ilona Ohliger nutzt die Zeitung als Sportgerät.

«Weidenthal.» Aktiv im Alter sind stets dienstagmorgens beim TV Weidenthal jede Menge Männer und Frauen. „Wir haben vor über zwei Jahren mit 13 Leuten angefangen – heute sind wir 23“, erzählt Heinz Ohliger, Vorsitzender des TVW, begeistert. Er und seine Frau Ilona wechseln sich Woche für Woche als Übungsleiter in der Seniorensportgruppe ab. „Die Jüngste ist 59, die Älteste 93“, betont Ohliger.

Was nicht ganz stimmt. Denn neuerdings ist die jüngste Teilnehmerin zehn Monate jung: Merle und ihre Mama Natascha machen auch mit. „Ich bin Weidenthalerin – mir passt der Termin am Morgen gut. Viele TV-Angebote sind erst abends“, erklärt die junge Mutter, wieso sie zur Seniorengymnastik geht. Heute bewegt Ilona Ohliger die Senioren. „Es geht um Ausdauer, aber auch um Mut, mal auf den Boden zu gehen“, sagt sie. Sie lasse die Männer und Frauen immer Gymnastik am Boden machen, denn „im Alltag fällt jedem mal was hin“. Da müsse man auch runter und es aufheben. Erst aber bewegen sich alle im Gehen und Stehen – mit der RHEINPFALZ. „Wir falten die Zeitung auseinander und schütteln sie“, erklärt Ohliger ihre Übung, die sie mitmacht. „Und wie ein Stück Wäsche“, das sie aufhängen will, führt sie die Zeitung in runden Bewegungen von unten nach oben. „Ich gehe dabei immer leicht in die Knie, damit ich meinen Rücken schone“, warnt sie ihre Schützlinge vor Fehlhaltungen. Anschließend schwingt sie mit dem rechten Arm die Zeitung nach vorne oben und nach hinten, „so weit wir können“. Ilona Ohliger: „Nehmt eure Augen mit – wir schauen der Hand mit der Zeitung nach.“ Bald halten alle die RHEINPFALZ längs gefaltet vor dem Bauch und heben im Wechsel das rechte und linke Knie bis zur Zeitung an. Das Gleichgewicht wird geschult. Dann gehen alle im Kreis um die auf dem Boden liegende Merle, halten die RHEINPFALZ wie eine Fahne mit dem rechten Arm hoch, später mit dem linken, um die Schultern beweglich zu machen. Nun müssen alle schnell sein: Die Zeitung hängt komplett auseinandergefaltet vorne am Oberkörper. „Lauft, lauft, lauft“, spornt Ohliger die Männer und Frauen an. „Die Zeitung klebt an uns, ihr braucht gar keine Hände.“ Nicht jeder kann beziehungsweise muss alles mitmachen. „Ich verliere mein Gleichgewicht“, verrät Gertrud. Die 80-Jährige nutzt deshalb ihren Gehstock auch während der Sportstunde. „Es macht Spaß hier“, betont sie, schätzt ebenfalls die Geselligkeit in der Gruppe: „Daheim bin ich alleine. Das hier sind lauter Bekannte.“ Inzwischen hat jeder eine Matte und einen Stuhl zur Verfügung. Ohliger steht vor der Gruppe, hat die Arme auf Schulterhöhe zur Seite ausgestreckt, dreht den Oberkörper nach rechts. „Ausatmen“, sagt sie mit ruhiger Stimme. Sie dreht den Oberkörper in die Mitte. „Einatmen.“ Der 81-jährige Ludwig gesteht indes, dass ihm manche Übungen schwer fallen, „wenn man jahrelang nichts gemacht hat“. Seine Knie und Oberschenkel spannten „so arg“. Inzwischen mutiert die RHEINPFALZ zur Wasserpfütze, jeder hat die Zeitung vor sich liegen. „Macht einen großen Schritt über die Zeitung und wieder zurück“, ordnet die TV-Übungsleiterin an. Schritt für Schritt geht es nun runter auf die Matte: „Tief in den Knien, die Hände zum Boden“, erklärt Ohliger, wie alle problemlos runterkommen. „Dann auf die Knie in den Vierfüßlerstand.“ Im Wechsel mit rechter und linker Hand wird die RHEINPFALZ erst nach vorne, dann ebenso zur Seite gehoben. „Wir winken mit der Zeitung“, ruft Ohliger, die sich inzwischen auf ihre Fersen setzt. „Haltet die Zeitung vor euch, dreht den Oberkörper langsam nach rechts, dann nach links.“ Heinz Ohliger berichtet derweil, dass der TV zunächst den Seniorensport als Kurs zweimal pro Jahr angeboten habe. „Wir wussten ja nicht, wie das Ganze ankommt“, sagt er. „Aber wir haben festgestellt, dass die Pausen zwischen den Kursen zu lang sind.“ Jetzt gebe es nur Weihnachten, Neujahr und Fasching Pausen. Nach weiteren Übungen auf der Matte geht es gemeinsam Stück für Stück zurück in den sicheren Stand: Alle sitzen, legen die Füße zur Seite, stützen seitlich ebenfalls die Hände auf. „Auf die Knie in den Vierfüßlerstand“, gibt Ohliger die nächste Position vor. „Ein Fuß geht nach vorne, der andere zieht nach. Jetzt kann ich mich Wirbel für Wirbel aufrichten.“ Im Stehen dürfen alle die Zeitung falten – mit den Füßen. „Wir stellen uns mit beiden Füßen auf die Zeitung und probieren, sie klein zu kriegen.“ Indem schließlich alle noch einmal in die Knie gehen, heben sie die Zeitung auf, formen kleine Bälle daraus. Die Übungsleiterin lässt alle für eine bessere Koordination „den Ball hochwerfen und fangen“. Heinz Ohliger hält inzwischen einen Wertstoffsack bereit. Auch das Entsorgen des Papiers ist mit einer Aufgabe verbunden, die die Koordination trainiert. „Zielwerfen“ verlangt Ilona Ohliger von ihren Schützlingen. Die letzten beiden Aufgaben hat sie übrigens aus dem Mutter-Kind-Turnen übernommen, das sie 20 Jahre lang geleitet hat. „Man kann unglaublich viele Dinge daraus übernehmen“, sagt sie begeistert. Die Kleinen erlernten Bewegungen, und die Senioren versuchten, die Beweglichkeit zu erhalten. „Dankt euch und eurem Körper für eine Stunde Bewegung – ihr könnt ja so manche Übung auch zu Hause machen“, ermuntert Ohliger zum Schluss ihre Schar. „Ich bin nach der Stunde unheimlich fit“ schwört Heidi auf „Aktiv im Alter“. „Der Kreislauf ist angeregt, ich bin beweglicher. Und auch das Denken ist besser.“ Die 61-Jährige genießt zudem das Gruppengefühl, „das spielt im Alter eine ganz wichtige Rolle“. Die 78-jährige Ingrid hat ein neues Kniegelenk. „Es gibt hier keinen Unterschied zur Reha in Bad Dürkheim – es ist hier eher intensiver“, lobt sie die Stunden dienstagmorgens in Weidenthal. „Ich mache Fortschritte hier. Der Muskelaufbau ist sehr zu empfehlen.“ Die 69-jährige Pina weiß noch etwas ganz anderes zu schätzen: „Ich bin froh, dass es das Sportangebot im Dorf gibt, damit man nicht fahren muss.“ Kontakt Infos beim Übungsleiter und Vereins- vorsitzenden Heinz Ohliger, Telefon 06329/1605, E-Mail tvw.meinverein@googlemail.com

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