VG Lambrecht Gernot Kuhn im Interview: Der Bürger hat bluten müssen

Der Lambrechter Verbandsbürgermeister Gernot Kuhn im RHEINPFALZ-Gespräch.
Der Lambrechter Verbandsbürgermeister Gernot Kuhn im RHEINPFALZ-Gespräch.

Interview: Der Lambrechter Verbandsbürgermeister Gernot Kuhn kritisiert den „Förderwahnsinn“ von Bund und Land. Warum er überzeugt ist, dass eine Verbesserung der allgemeinen Finanzausstattung für die Kommunen besser wäre.

Herr Kuhn, Sie sind Verbandsbürgermeister und Ortsbürgermeister der Gemeinde Esthal. Ist das eine Kombination, die gut funktioniert?
Es gibt Synergien. Gleichzeitig ist es wichtig, gute Beigeordnete zu haben, weil man als Verbandsbürgermeister einen ausgefüllten Tag hat.

Treten Sie nochmal an als Ortsbürgermeister?
Ja. Ich bin natürlich noch nicht bestätigt, aber es kristallisiert sich heraus, dass es niemanden gibt, der mich ablösen möchte. Ich klebe nicht an meinem Stuhl, aber ich mache den Job gern. Esthal ist eine Herzensangelegenheit für mich.

Dass die Leute nicht gerade Schlange stehen für so ein Amt, ist nicht nur in Esthal so. Woran liegt’s?
Gut, zum einen ist es der zeitliche Faktor, auch am Wochenende gibt es Einsätze. Außerdem wird das Klima rauer, man wird öfter angegangen.

Auch in Esthal?
Nein, bisher hatte ich keine Probleme, zum Glück.

Was sind denn auf Verbandsgemeinde-Ebene die größten Sorgenkinder?
Die Schulen gehören auf jeden Fall dazu. Das ist eine Bugwelle, da müssen wir drangehen. Wir haben jetzt in Lindenberg angefangen, als Nächstes steht Neidenfels an. Die Grundschule Elmstein werden wir wahrscheinlich neu bauen, weil das derzeitige Gebäude viel zu groß ist. Außerdem untersuchen wir das Verwaltungsgebäude. Wir wollten ja die Fenster austauschen, aber da hat der Verbandsgemeinderat gebremst und gesagt, dass zunächst untersucht werden muss, ob nicht ein Neubau besser ist.

Liegt da schon ein Ergebnis vor?
Nein, aber wir sind in den letzten Zügen. Es fehlen noch ein paar Daten, auch die Fragen, wo wir bauen könnten, und ob für dieses Gebäude hier ein Abriss in Frage kommt, sind noch nicht beantwortet.

Zeichnet sich schon ab, in welche Richtung es geht?
Ich wage noch keine Prognose. Eine Sanierung ist schwierig, würde sicher sehr lange dauern und die Mitarbeiter sehr belasten.

Und bei einem Neubau stellt sich die Frage, was aus dem jetzigen Gebäude wird. Als langjähriger Sitz der Webschule ist es auch nicht ganz unbedeutend für Lambrecht.
Ja, aber es ist nicht denkmalgeschützt. Eine planbare Größe ist für uns nur der Abriss. Vielleicht kann man es verkaufen, aber wir können damit nicht rechnen. Es stellt sich aber auch die Frage, wie man das Thema graue Energie in diesem Zusammenhang bewertet, also die Energie, die für die Herstellung eines Gebäudes benötigt wird. Muss man wirklich noch einmal neu bauen? Es ist zudem unklar, wie sich die Arbeitswelt entwickeln wird, welche Rolle beispielsweise in Zukunft Homeoffice spielt. Alles Fragen, auf die wir noch nicht wirklich eine Antwort haben.

Generell muss man ja festhalten, dass derzeit beim Thema Neubau/Abriss ein Umdenken stattfindet.
Ja, das sagt auch das Ingenieurbüro. Mittlerweile geht die Tendenz eher dahin, Altbauten zu erhalten. Und der Bau hier ist ja auch ortsbildprägend.

All die Investitionen, die Sie bisher angesprochen haben, kosten viel Geld. Wie steht denn die Verbandsgemeinde finanziell da?
Wir haben einen Doppelhaushalt, beide Jahre sind in der Planung positiv. Für 2024 haben wir ein Plus von ungefähr 200.000 geplant. 2023 haben wir die Verbandsgemeindeumlage gesenkt, das wollen wir 2024 auch probieren. Die Entscheidung fällt im Frühjahr, wenn wir unseren Nachtragshaushalt machen. Ansonsten: Unser Eigenkapital ist weiterhin negativ.

Wie wirkt sich denn die Änderung des kommunalen Finanzausgleichs in der VG Lambrecht aus?
Uns stellen die Änderungen nicht schlechter, vor allem wenn jetzt noch die kommunale Entschuldung kommt, und wir – hoffentlich – die Hälfte unserer Liquiditätskredite abgenommen bekommen. Aber für etliche Ortsgemeinden reicht es nicht. Die ein oder andere schafft den Ausgleich, aber nur mit Hilfe einer massiven Steuererhöhung. Die meisten Gemeinden sind ja bei der Grundsteuer B um 100 Prozentpunkte hochgegangen. Der Bürger hat bluten müssen. Aber in den kleineren Orten wie Frankeneck und Neidenfels reicht es trotzdem nicht für den Ausgleich. Je kleiner ein Ort ist, desto schwieriger ist das, weil bestimmte Kosten einfach überall anfallen. Wie wir die großen Investitionen, von denen wir gesprochen haben, schultern werden, ist natürlich noch offen. Da müssen wir auch sehen, was an Fördermitteln kommt.

Die finanziellen Probleme der Bundesregierung treffen ja auch die Kommunen. Wie wirkt sich das konkret aus?
Einiges, was wir beantragen wollten, wird jetzt nicht mehr finanziert. Die kommunale Wärmeplanung beispielsweise sollte komplett übernommen werden, das ist jetzt ungewiss. Offenbar kann man derzeit noch nicht einmal einen Antrag stellen. Alles, was Klimaschutz angeht, steht derzeit auf der Kippe. Das ist wirklich schwierig für uns.

Und ohne Zuschüsse geht natürlich wenig.
Ja. Die kommunale Wärmeplanung hätten wir gemacht, wenn sie zu 100 Prozent gefördert worden wäre. Wir sind ja aber noch nicht dazu verpflichtet. Wenn der Zuschuss wegfällt, machen wir das jetzt nicht. Das geht es ja schon um rund 100.000 Euro.

Wie sinnvoll ist so eine Wärmeplanung überhaupt?
Auch darüber diskutieren wir. Wird bei uns überhaupt etwas anderes möglich sein als Wärmepumpen? Nahwärmenetze wären eine Rieseninvestition, da muss alles aufgegraben werden. Ich bin kein Ingenieur. Aber wenn am Ende herauskommt, dass außer Wärmepumpen nichts geht, dann haben wir Geld verschwendet. Überhaupt: Es wird im Moment so viel Geld ausgegeben für Konzepte. Wir planen und planen, der Bund und das Land bezahlen das alles. Aber tatsächlich gemacht für den Klimaschutz haben wir noch nichts.

Das ist doch ein Problem, wenn man immer nur das macht, was gefördert wird.
Ja. Wir haben eben eine zu geringe allgemeine Finanzausstattung. Was noch dazu kommt: Es wird immer schwieriger, Förderanträge zu stellen. Da gibt es zig Fördertöpfe, und es wird extrem viel verlangt. Zum Schluss riskieren wir, einen Fehler zu machen und das Geld zurückzahlen zu müssen. Das ist einfach Wahnsinn. Wenn wir mehr Geld hätten und das machen könnten, was wir brauchen, würde das ganze System weniger kosten als mit diesem Förderwahnsinn.

Im Tourismus ist es ja auch so, dass nur das gemacht werden kann, was gefördert wird. Wir beurteilen Sie da die Projekte?
Wir konnten auch wirklich gute Projekte umsetzen.

Welche zum Beispiel?
Zum Beispiel die Audio-Touren. Wir haben ja die Felsenkönig-Tour und den Trifterlebnispfad in Elmstein, und jetzt sind wir an Audio-Touren für Lambrecht und Esthal dran. Ich denke, dass das gut angenommen wird.

Wo sehen Sie denn noch Entwicklungspotenzial?
Darüber gibt es derzeit viele Diskussion. Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob uns der Tourismus überhaupt etwas bringt. Wir haben kein Hotel und keine großen Attraktionen. Soll die Verbandsgemeinde Geld dafür ausgeben, damit andere Vorteile haben? Wir müssen entscheiden, wo wir hin wollen. Das diskutieren wir derzeit intern, im Frühjahr geht es dann in den Tourismus-Ausschuss. Wobei wir unsere Gasthäuser und unsere Gaststätten natürlich unterstützen. In der Vergangenheit hat die Anzahl der Lokale abgenommen, aber im Moment stabilisiert sich die Situation. Wir haben in Elmstein vor zwei, drei Jahren den Rehfelsen dazubekommen und in Esthal hat das Bürgerstübel wieder aufgemacht. In Lambrecht ist eine Pizzeria hinzugekommen. Das ist eine positive Entwicklung.

Aber es ist offen, ob man den Tourismus überhaupt ausbauen will?
Wir müssen uns neu aufstellen.

Schauen wir mal auf die demographische Entwicklung. Der Schulentwicklungsplan zeigt, dass die Schülerzahlen zunehmen in den kommenden Jahren. Das bedeutet doch, dass Familien mit Kindern zuziehen.
Ja. Wir mussten beziehungsweise müssen in allen Kindertagesstätten mehr Platz schaffen. Und auf die Schulen schlägt das dann in den kommenden Jahren durch. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Unterm Strich ist die Einwohnerzahl der Verbandsgemeinde stabil. Wir haben derzeit 12.435 Einwohner, Ende vergangenen Jahres waren es zwölf weniger. Wobei die Entwicklung von Ort zu Ort unterschiedlich ist.

Herr Kuhn, haben Sie noch einen Punkt, den Sie loswerden wollen?
Das Thema Terminbuchung. Es gibt ja Bürger, die sich gegängelt oder ausgeschlossen fühlen, weil wir in der Verwaltung Termine vergeben. Aus meiner Sicht ist Terminbuchung ein guter Service, weil die Bürger dann nicht warten müssen. Aber einige sehen das offenbar anders. Mittlerweile kommen auch wieder viele Bürger ohne Termin, und wir schauen, dass sie dran kommen. Aber wir haben jetzt ein neues System angeschafft, das beide Varianten zulässt. Man kann Termine buchen oder aber spontan vorbeikommen und an einem Terminal schauen, wo noch eine Lücke frei ist. Die Bürger sehen dann, wie lange sie warten müssen.

Nächstes Jahr sind Kommunalwahlen. Wie entspannt sind Sie?
Ich bin vom Typ her gelassen. Klar, man hört hier und da, dass es nicht einfach ist, Leute zu finden. Viele denken, dass es dieses Mal noch einigermaßen gehen wird, in fünf Jahren dann aber richtig schwierig wird. Und dann müssen wir sehen, was mit der AfD wird. Es ist ja versucht worden, Leute abzuwerben, einige Kommunalpolitiker sind angeschrieben worden, quer durch die Parteien. Man muss einfach abwarten. Aber natürlich ist für mich die Frage spannend, wie der Rat sich zusammensetzen wird.

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