Neustadt/Bad Dürkheim/Grünstadt Die Bestseller im Mai: Hommage an die Ewige Stadt Rom

In Rom spielt Gianfranco Calligarchs Roman „Der letzte Sommer in der Stadt“.
In Rom spielt Gianfranco Calligarchs Roman »Der letzte Sommer in der Stadt«.

Die vorsommerlichen Temperaturen im Mai bestimmten offenbar das Leseverhalten, denn diesmal dominiert Unterhaltungsliteratur die Bestsellerlisten der neun regionalen Buchhandlungen. Favoriten waren Kriminalromane und Reiseführer über die Pfalz.

In drei Läden war der neue Krimi von Kobr und Klüpfel, „Affenhitze“, der Hit. Nach Veranstaltungen in Neustadt lief bei „Quodlibet“ höchst unterschiedliche Literatur erfolgreich: Michael Landgrafs Buch „Glücksorte an der Deutschen Weinstraße“ sowie das Sachbuch der palästinensischen Autorin Sumaya Farhat-Naser „Ein Leben für den Frieden“.

Mit dem Verkauf im Mai waren die meisten Buchhändler recht zufrieden. Hermann Speckert, Inhaber der Neustadter Bücherstube: „Es verlief mehr oder weniger ausgewogen, mit Höhepunkten und ruhigeren Phasen. Spürbar ist, dass die Leute wegen Corona immer noch seltener in die Stadt gehen als 2019.“ Mit Bezug auf die Lieferungen verzeichnete Speckert im Mai Probleme mit der Logistik. „Die Lieferzeiten sind länger geworden. Es gibt einen Mangel an Fachpersonal. Wenn ich zehn Romane bestelle, dauert es jetzt acht bis zehn Tage, das ist außergewöhnlich.“

Zurückhaltung der Käufer wegen des Ukraine-Kriegs

Jeanette Jung von „Quodlibet“ zeigt sich zufrieden, obwohl es im Vergleich zu 2019 immer noch Einschränkungen gebe: „Seit dem Ukraine-Krieg ist eine deutliche Kaufzurückhaltung der Kunden zu verzeichnen. Die Leute haben Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten und sind verunsichert, wie es materiell weitergeht. Was uns zur Zeit auffällt, ist die starke Nachfrage von Geflüchteten aus der Ukraine nach Material zum Erlernen der deutschen Sprache. Man merkt, dass diese Menschen zu unserem Kulturkreis gehören.“ Erfreut ist Jung, dass der RHEINPFALZ-Servicepunkt bei „Quodlibet“ so gut angenommen wird.

Werner Libor vom „Buchmarkt“ in Bad Dürkheim verzeichnet beim Verkauf im Mai eine wellenförmige Tendenz: „Es war ein ständiges Auf und Ab, es gab starke und schwache Zeiten.“ Zufrieden zeigt sich Lisa Eymann von „Frank“ in Grünstadt: „Im Mai lief zum Glück alles wieder relativ normal. Positiv ist, dass die Leute wieder ihren Urlaub buchen und sich daher mit Reiseführern und Taschenbuch-Neuerscheinungen eindecken können. Es ist fast wieder so wie 2019. Pfalzführer über das Leinigerland und die Südpfalz liefen erfolgreich. Die Pfalz ist auf jeden Fall das sicherste Reiseland,“ erklärt Eymann schmunzelnd.

Eine Wiederentdeckung aus Italien

Unter den Bestsellern sei hier Gianfranco Calligarichs Roman „Der letzte Sommer in der Stadt“ näher beleuchtet, der in der Neustadter Bücherstube erfolgreich lief. Es ist eine Neu- und Wiederentdeckung zugleich, denn erst jetzt kam der bereits 1973 erschienene italienische Originaltitel in deutscher Übersetzung heraus.

Der 1947 im eritreischen Asmara geborene, in Mailand aufgewachsene Autor, der später in Rom als Journalist und Drehbuchautor arbeitete, schildert aus der Perspektive des Ich-Erzählers Leo Gazzarra den Zeitgeist und das Lebensgefühl der Menschen in Mailand und Rom während der 1970er Jahre. Leo, alter ego des Schriftstellers, erzählt von seiner unglücklichen Liebe zu der venezianischen Architekturstudentin Arianna und der Ewigen Stadt. Die Stimmung sowie das skizzierte Milieu erinnern durchaus an Fellinis Film „La Dolce Vita“, doch schildert der Autor, der noch immer in Rom lebt, das Geschehen eher lakonisch. „Der letzte Sommer in der Stadt“ ist eine Hommage an Rom und zugleich ein Abgesang auf die Jugend. Ein Buch, das zu entdecken, sich lohnt.

Von Aufbruch und Neubeginn erzählt Ildikó von Kürthy in ihrem neuen Roman „Morgen kann kommen“, der bei „Frank“ in Bad Dürkheim erfolgreich lief. Eine der Protagonist/innen ist Ruth. Als sie ein zerrissenes Foto entdeckt, das ihren Ehemann Karl bei einer Affäre zeigt, bricht für sie eine Welt zusammen. Es ist die Momentaufnahme eines Verrats, der vier Schicksale beeinflusst. Ruth flüchtet in die Villa ihrer Großeltern, wo sie nach Jahren der Trennung ihre Schwester trifft und die Lüge erkennt, die sie entzweite. Nun gelingt es ihr endlich, sich aus dem Schatten ihrer Vergangenheit zu befreien und einen Neubeginn zu wagen. „Morgen kann kommen“ ist ein lebenskluger Roman über Frauen, die zerstörerische Beziehungen beenden und in ein selbstbestimmtes Leben starten.

Ein Krimi darf auch hier nicht fehlen, es ist Kobrs und Klüpfels „Affenhitze“, der meist verkaufte Titel des Monats. Bei seinem 12. Fall gerät Kommissar Kluftinger aus mehreren Gründen ins Schwitzen. Trotz der Affenhitze muss er in eine Tongrube steigen, in der Professor Brunner vor Jahren das berühmte Skelett des Urzeitaffen Udo ausgegraben hatte. Doch nun das Entsetzliche: Unter einem Schaufelbagger wird der Wissenschaftler verscharrt aufgefunden. Brunner, der mit seinem Fund beweisen wollte, dass die Wiege der Menschheit im Allgäu liegt, hatte zahlreiche Feinde. Einige von ihnen nimmt der Kommissar bei seinen Ermittlungen ins Visier. Darunter Mitglieder einer obskuren Sekte ...

BESTSELLER

Bahnhofsbuchhandlung (Neustadt)

1. Rolf Schlicher: Potzblitz – die Pfalz! Von Gletschern, Echos und einem Himmelreich – Der Pfälzer Überraschungsführer für Einheimische und Touristen

2. Ulrike Guérot: Wer schweigt, stimmt zu

3. Martin Walker: Tête-à-tête

Buchmarkt (Bad Dürkheim)

1. Gunnar Kaiser: Der Kult

2. Ulrich Walter: Die verrückte Welt der Physik

3. Kurt Krömer: Du darfst nicht alles glauben, was du denkst – Meine Depression

Frank (Bad Dürkheim)

1. Michael Kobr / Volker Klüpfel: Affenhitze

2. Ildikó von Kürthy: Morgen kann kommen

3. Uwe Ittensohn: Weinbar. Essbar. Wanderbar

Frank (Eisenberg)

1. Hervé Husson: Alles über Hühner

2. Monika Peetz: Sommerschwestern

3. Susanne Abel: Stay away from Gretchen

Frank (Grünstadt)

1. Michael Kobr / Volker Klüpfel: Affenhitze

2. Marietta Slomka: Nachts im Kanzleramt

3. Hera Lind: Für immer deine Tochter

Hofmann (Neustadt)

1. Martin Walker: Tête-à-Tête

2. Michael Kobr / Volker Klüpfel: Affenhitze

3. Bonnie Garmus: Eine Frage der Chemie

Neustadter Bücherstube

1. Arno Frank: So und jetzt kommst du

2. Rolf Schlicher: Potzblitz – die Pfalz!

3. Gianfranco Calligarich: Der letzte Sommer in der Stadt

Osiander (Neustadt)

1. John Strelecky: Überraschung im Café am Rande der Welt

2. Klaus-Peter Wolf: Rupert undercover – Ostfriesisches Finale

3. Bonnie Garmus: Eine Frage der Chemie

Quodlibet (Neustadt)

1. Michael Landgraf: Glücksorte in der Pfalz

2. Rolf Schlicher: Potzblitz – die Pfalz!

3. Sumaya Farhat-Naser: Ein Leben für den Frieden – Lesebuch aus Palästina /wss

BUCHTIPP

Emmanuel Carrères autobiografisch getönter Roman „Yoga“ (gebunden, 341 Seiten, 25 Euro, Verlag Matthes & Seitz Berlin) hat Uli Rieder von der Bahnhofsbuchhandlung sehr beeindruckt. Als Buch des Monats empfiehlt sie ihn heute:

„Ursprünglich hatte der französische Schriftsteller und Filmproduzent Emmanuel Carrère die Absicht, angeregt durch einen Journalisten, der ihn zum Thema Meditation interviewte, ,ein heiteres, feinsinniges Büchlein über Yoga’ zu schreiben. Wer das erwartet hätte, wird jedoch mit einer bewegenden autobiografischen Schilderung emotionaler Höhen und Tiefen konfrontiert, die sowohl die seelische Verlorenheit als auch den beschwerlichen Weg aus der persönlichen Lethargie Carrères beschreibt.

Das Vorhaben zum Buchprojekt startet der Autor, der seit vielen Jahren fernöstliche Entspannungstechniken praktiziert, in einer gefestigten, glücklichen Phase seines Lebens, mit der sicheren Überzeugung, dass ihn so leicht nichts aus der Bahn werfen könne. Für die Recherche zu seinem Buch besucht er ein zehntägiges Schweigeseminar, bei dem sich die Teilnehmer dazu verpflichten, den Kurs nur mit schwerwiegenden Gründen abzubrechen. Doch dann der Einschnitt: Nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo, bei dem ein Freund zu Tode kommt, muss er das Seminar verlassen, und es beginnt eine Abwärtsspirale in seinem Leben. Ausgelöst durch eine Aneinanderreihung negativer Ereignisse, gerät er immer mehr in einen depressiven Sog, der ihn schließlich für Monate in eine psychiatrische Klinik führt. Das Buch vereint eine Mischung aus schonungslos ehrlichen, selbstreflektierenden Innenansichten sowie tiefsinnigen, bisweilen auch urkomischen Anekdoten und Essays, die der Autor kunstvoll miteinander verwebt.

Mit der Fähigkeit, tiefes Leid, aber auch intensive Glücksgefühle zu empfinden, beschreibt er in seinem Buch außerdem eindrücklich die traumatischen Erlebnisse von jugendlichen Flüchtlingen aus Afghanistan und Syrien wie auch Höhepunkte seines eigenen Lebens wie das musikalische Schwelgen in der Polonaise Héroique von Chopin.

Die erzählerische Vielseitigkeit des Autors, gepaart mit einer Brise bissigen Humors, bitterer Selbstironie und entwaffnender Ehrlichkeit verdeutlicht dem Leser, dass Yoga zwar ein Versuch sein kann, Körper und Geist in Balance zu bringen, dass es aber letztlich darum geht, die Gegensätze des Menschseins nebeneinander stehen zu lassen. Durch ehrliche Selbstreflexion lernt man, seine Existenz und die eigene Fehlbarkeit zu akzeptieren sowie den inneren und äußeren Wirren des Lebens zu begegnen.“ /wss

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