Neustadt Am Rande der Bande:

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„Früher war alles besser.“ Diesen Satz hört man oft, wenn sich ältere Menschen unterhalten. Müssten diese auf heutige Annehmlichkeiten verzichten, klagten sie wahrscheinlich laut. Grundlage für die Verklärung der sogenannten „guten alten Zeit“ ist zumeist, dass in der Vergangenheit liegende Ereignisse und Lebensumstände in der Regel mit der eigenen Jugend verbunden sind, eigentlich letztere vermisst wird und der geistige Anschluss an die heutige junge Generation irgendwann einmal verloren gegangen ist. Für freie Mitarbeiter einer regionalen Tageszeitung wie der RHEINPFALZ, die regelmäßig auch über Fußballspiele unterer Spielklassen berichten, war es allerdings tatsächlich vor einigen Jahren etwas einfacher. Nämlich dann, wenn man zu Beginn einer Partie die taktische Aufstellung einer Mannschaft erstellen muss. Bis in die 1980er Jahre hinein war es noch üblich, dass außer bei Welt- und Europameisterschaften die Rückennummern der Position eines Spielers entsprachen: Der Libero trug die Nummer fünf, der Vorstopper die Vier, der Rechtsaußen die Sieben, der Linksaußen die Elf, der Mittelstürmer die Neun. Inzwischen gibt es viel mehr Spielsysteme, was die Zuordnung der Protagonisten auf einzelne Positionen bereits erschwert. Aber schwieriger wird es noch dadurch, dass inzwischen auch im Amateurbereich schon oft feste Rückennummern vergeben werden. Dabei gibt es so kuriose Fälle wie André Heims, Stürmer des Fußball-Landesligisten FSV Schifferstadt, dessen Trikot in dieser Saison ebenso wie in seiner Zeit beim Ligarivalen SV Geinsheim die Nummer 77 ziert. Immerhin erfüllen Landes- und Bezirksligaspieler überwiegend die von ihren Trainer vorgegebenen Aufgaben, so dass in diesen Spielklassen nach den ersten zehn Spielminuten weitgehend klar ist, wer auf welcher Position spielt. Schwierig wird es aber vor allem in den untersten Klassen. Hier erweckt manches Team den Eindruck, als hätten einige Spieler überhaupt keine Vorgabe bekommen. Einige laufen anscheinend ähnlich wie zu Kinderzeiten auf dem Bolzplatz überall hin und fühlen sich für alles zuständig, was den Lokalsportmitarbeiter gelegentlich zur Verzweiflung bringen kann ... Frauenfußballspiele auf hohem Niveau sind dagegen ein Paradies. Verfolgt man beispielsweise Begegnungen des Zweitligisten 1. FFC Niederkirchen, kann man bereits vor dem Anpfiff das Spielsystem beider Mannschaften und die Positionen der Spielerinnen erkennen. Außer bei Standardsituationen und so lange die Trainer keine taktischen Änderungen vornehmen, ändert sich daran auch nichts. Diese Erkenntnis könnte nun Anlass für eine neue Diskussion sein: nämlich ob weibliche Sportler disziplinierter als männliche sind? Auf dem Fußballplatz sind sie es jedenfalls, was auch die im Vergleich zu den Männern deutlich geringere Anzahl an Gelben Karten und Platzverweisen betrifft. Seit vier Jahren ist bei den Hockey-Mannschaften der TSG Neustadt der zweite Sonntag im Oktober verplant. Dann nehmen alle Aktiven, ob Jugend-, Damen- oder Herrenteams, einen besonderen Auftritt wahr. Sie repräsentieren ihren Sport, ihre Stadt und ihren Verein auf dem Winzerfestzug zum Weinlesefest in ihrer Heimatstadt. Die Jungs und die Mädels sind also in Feierlaune. Doch diesmal war zumindest die Stimmung beim Herrenteam am Sonntagvormittag des Umzugs im tiefen Keller. Das Oberligateam, Spitzenreiter und mit viel Esprit in den vergangenen Spielen am Ball, wollte sein Spiel gegen den Tabellenzweiten, den HTC Neunkirchen, auf Samstag vorverlegen. Denn der Terminplan sah vor, dass die Saarländer ausgerechnet am Tag des Umzugs um 11 Uhr in Neustadt antreten. Eigentlich meinte TSG-Trainer Michael Göring es auch gut mit den Gästen: Sie sollten nicht dem höheren Verkehrsaufkommen an diesem Sonntag ausgesetzt sein. Hauptgrund für den Wunsch nach Spielverlegung war natürlich, dass sich seine Jungs und Mädels in Ruhe auf den Umzug vorbereiten und die beiden Traktoranhänger schmücken konnten. „Ich bin tierisch verärgert, dass das nicht von Seiten der Neunkirchener akzeptiert wurde. Die Anfrage ging rechtzeitig raus“, sagt Trainer Göring. Die Spiele des Damenteams und der zweiten Herrenmannschaft wurden anstandslos von den jeweiligen Gegnern auf den Samstag vorgezogen. So waren es die Mädels, die sich schließlich alleine bemühten, die gelben TSG-Planen an den beiden Anhängern zu befestigen. „Mit der Mannschaft zusammen macht einfach alles Spaß, vor allem aber die Fahrt beim Umzug“, betont Spielführerin Elisabeth Lehmann. Aus den Vorjahren wusste sie, dass sich vor allem Kinder über die verteilten Süßigkeiten freuen. 5000 Flugblätter mit Informationen über die TSG wurden vorbereitet und unter das feiernde Publikum gebracht. Mit einem umfangreichen selbst gestalteten Buffet verpflegten sich die Sportler während des über zweistündigen Umzugs auf dem Wagen. Knapp bemessen war indes die Zeit, bis die Herren nach dem Spiel endlich zum Startpunkt gelangten. Schließlich begann die ordnungsgemäße Aufstellung der Teilnehmer in Winzingen bereits weit vor 13 Uhr. So gelangten die Hockeyer kurz vor knapp noch duschfrisch und quasi ungeföhnt auf den Wagen. Für Michael Göring war die Teilnahme trotz des Spiels Ehrensache: „Es gehört zu den Pflichten eines solchen Großvereins, sich an diesem Tag für die Stadt zu engagieren“, betont er. Gelassener war er dann nach der Partie. Sein Team hatte mit etwas „Wut im Bauch“ zwei Punkte geholt und 2:0 gegen Neunkirchen gewonnen. So stimmte dann auch das Motto, das an der Rückseite des Anhängers den Zuschauern beim Umzug mitteilte: „Sonnenschein und Pfälzer Wein, am liebsten spielen wir daheim.“ |dil

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