Neustadt Neustadt: Villa-Böhm-Mammutbaum ist Geschichte

Absägen auf Brusthöhe: Das Team der Abteilung Grünflächen zerlegt den Mammutbaum.
Absägen auf Brusthöhe: Das Team der Abteilung Grünflächen zerlegt den Mammutbaum.

Im Rahmen der Parkverjüngung gefällt - Durch Blitzschlag geschädigt - Eine Scheibe des Stammes könnte im Stadtmuseum landen

Der Mammutbaum nahe des Eingangs in der Maximilianstraße war einer von dreien seiner Art, die im Park der Villa Böhm stehen. Vor Jahren wurde er vom Blitz getroffen, seitdem war er nicht mehr der alte. Dieter Uhl, Wissenschaftler des Frankfurter Senckenberg-Museums und Professor für Paläontologie an der Universität Tübingen, zeigt auf die Verbrennungen, die der Riese damals erlitten hat. Sie sind gut zu sehen, denn der Baum steht nicht mehr. In große Einzelteile zersägt, liegt er am Boden. Jetzt kann sich Uhl aussuchen, wo Michael Moock und sein Team von der Abteilung Grünflächen Scheiben abschneiden sollen. Diese helfen dem 49-Jährigen bei seiner Forschung. Gestern Morgen ist der Baum gefallen. Wie zwei Walnussbäume muss er weichen, damit der Park saniert und in Sachen Grün verjüngt werden kann (wir berichteten). Uhl, in der Nachbarschaft zuhause, nutzt seine Chance: Um fossile Baumüberreste aus längst vergangener Zeit bestimmen zu können, sind Baumscheiben moderner Nachfahren notwendig. Mammutbäume sind dabei besonders begehrt, da eher selten. Meist würden sie in Stadtgebieten gefällt, so Uhls Erfahrung. Der Ginkgo, der ebenfalls zum Grün an der Villa Böhm gehört, bleibt aber stehen. „In vielen anderen Städten wäre er schon lange weg, weil es ein weibliches Exemplar ist, dessen Früchte viele stören“, sagt der Paläontologe und eine Mitarbeiterin der Grünflächen nickt. Bis auf gut zwei Meter Höhe ist der etwa 25 Meter hohe Mammutbaum bereits am Morgen gekappt worden. Jetzt, am frühen Nachmittag, will Moock wissen, was Uhl genau braucht. „So weit unten, wie möglich, und auf durchschnittlicher Brusthöhe“, beschreibt dieser seinen Bedarf. Ganz unten zählt eine Baumscheibe die meisten Jahresringe, das Alter kann damit bestimmt werden. Auf etwa 106 Jahre schätzen Uhl und seine bald elfjährige Tochter Anna, die als Jungforscherin mit Feuereifer dabei ist, später das Neustadter Exemplar. Diese sogenannte Basalscheibe kann vielleicht einmal, getrocknet und lasiert, ins Stadtmuseum einziehen – versehen mit Hinweisen darauf, welche Ringe sich im Jahr bedeutender geschichtlicher Ereignisse gebildet haben. „Fürs Hambacher Fest reicht es nicht“, meint der Wissenschaftler lachend, für den Mauerfall aber allemal. Die Scheibe auf Brusthöhe gilt als Standard bei Untersuchungen im Senckenberg-Museum. Michael Moock und seine Kollegen erfüllen jeden Wunsch. Um auf Brusthöhe zu kommen, sägen sie zunächst ein weiteres größeres Stück ab. Damit es auf den Boden kippt, fahren sie im Hubsteiger ein wenig hoch und schubsen es herunter. Fußgänger und Radler, die stetig vorbeikommen, beobachten das Ganze mit eher mäßigem Interesse. Doch was genau wird Dieter Uhl in Frankfurt anhand der Neustadter Mammutbaumscheiben erforschen? Sein Schwerpunkt ist sozusagen das Feuer: Mittels verbrannter Pflanzenreste aus der Urzeit, abgelagert als Holzkohle im Gestein, versucht er, der Pflanzenwelt in jenen Tagen auf die Spur zu kommen, um damit aktuelle Entwicklungen besser verstehen zu können. Dreh- und Angelpunkt ist der Klimawandel, den es schon immer gegeben habe, der nun aber auch vom Menschen mitverursacht worden sei. Wie war das mit der „Feuerökologie“ vor 300 Millionen Jahren, wann brannte es mehr, wann weniger, was hat sich zuvor ereignet, sind Fragen, die sich Uhl stellt. Beispiel Mammutbaum: Den habe es bis vor vier oder fünf Millionen Jahren auch in Deutschland gegeben. Uhl besitzt fossiles Material aus Nordhessen, dem das moderne aus Neustadt nun an die Seite gestellt werden kann. Dazu wird der Forscher auch ein wenig frisches Holz verkohlen, „um zu beobachten, was passiert“. Auch Uhl sieht es nicht gern, wenn ein Baum gefällt wird. Ebenso wichtig ist ihm aber zu wissen, „was passiert, wenn sich das Klima verändert“. Zudem sei Holz ein nachwachsender Rohstoff und im Neustadter Fall der Mammutbaum nicht mehr gesund gewesen. Würden jetzt mehrere neue Bäume gepflanzt, würden diese weitaus mehr Kohlendioxid speichern können als der Mammutbaum in jüngster Zeit. „Da ging fast nichts mehr“, meint Uhl und zeigt abschließend auf die Jahresringe ganz außen, die kaum mehr voneinander zu unterscheiden sind. Kommentar

Begutachten die Baumscheiben fürs Museum: Dieter Uhl und seine Tochter Anna.
Begutachten die Baumscheiben fürs Museum: Dieter Uhl und seine Tochter Anna.
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