Ludwigshafener Geschichte(n) Zehn Ludwigshafener arbeiteten an der Landesverfassung mit

Ein Mann der ersten Stunde am Schreibtisch: Ludwig Reichert war im Dezember 1945 von den Franzosen zum ehrenamtlichen Bürgermeis
Ein Mann der ersten Stunde am Schreibtisch: Ludwig Reichert war im Dezember 1945 von den Franzosen zum ehrenamtlichen Bürgermeister von Ludwigshafen gekürt worden. Der erste demokratisch gewählte Stadtrat bestätigte ihn am 11. September 1946 in diesem Amt.

Landespolitiker „der allerersten Stunde“ nach dem Zweiten Weltkrieg – das waren 125 Männer und zwei Frauen, die 1946 von den kurz zuvor erstmals gewählten Parlamenten ihrer Städte und Gemeinden in die „Beratende Versammlung“ entsandt wurden, darunter zehn Ludwigshafener.

Die einzige Aufgabe der 125 Männer und zwei Frauen: Sie sollten eine Verfassung für das noch nicht offiziell bestehende neue Bundesland Rheinland-Pfalz gestalten. Die französische Besatzungsmacht hatte am 30. August 1946 die Bildung dieses „Landes aus der Retorte“ bekanntgegeben, das aus Teilen von Preußen („Rheinprovinz“), Hessen-Nassau (Westerwald), Hessen (Rheinhessen) und Bayern (Pfalz) bestehen sollte. Am 22. November 1946 setzten sich die 127 Delegierten erstmals zusammen, am 18. Mai 1947 wurde die Verfassung nach einem Volksentscheid mit 53 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Das nicht überall akzeptierte politische Gebilde erhielt den Namen Rheinland-Pfalz.

Teils an maßgeblicher Stelle

Unter den 127 Verfassungsschöpfern saßen auch zehn Ludwigshafener – zum Teil an maßgeblicher Stelle. So agierte der CDU-Politiker und Bürgermeister Ludwig Reichert (1894 bis 1957) neben Ernst Albert Lotz (Bingen) als Präsident der Versammlung, der 70 CDU-Mitglieder mit damit absoluter Mehrheit angehörten.

Reichert war im Dezember 1945 von den Franzosen zum ehrenamtlichen Bürgermeister gekürt worden. Der erste demokratisch gewählte Stadtrat bestätigte ihn am 11. September 1946 in diesem Amt und wählte ihn am 10. Januar 1949 erneut für zehn Jahre. Doch Reichert starb bereits nach acht Jahren am 6. Dezember 1957 im Alter von 63 Jahren.

Zu den maßgeblichen Männern der Beratenden Landesversammlung gehörten auch die Ludwigshafener Hans Hoffmann (1893 bis 1952) als Vorsitzender der SPD-Fraktion mit 41 Abgeordneten und Herbert Müller als Vorsitzender der KPD-Fraktion mit neun Mitgliedern. Hoffmann war vom 20. April bis 4. September 1945 kommissarischer Oberbürgermeister von Ludwigshafen und wurde vom 9. Juli 1947 bis zum 13. Juni 1951 Landesminister für Finanzen und Wiederaufbau. Von 1946 bis 1949 war er ferner Vorstandsmitglied im SPD-Bezirk Ludwigshafen. Eugen Müller (1900 bis 1994) gehört schon 1928 dem Landtag an und wurde auch 1932 wiedergewählt. Doch dann begann seine jahrelange Emigration nach Frankreich und nach der Rückkehr – nach viel Ärger mit der KPD – sein Wechsel zur SPD, für die er 1951 regelmäßig in den Landtag einzog. Am 9. Mai 1983 wurde er Ehrenbürger von Ludwigshafen.

Ohne einen Pfennig Aufwandsentschädigung

Zu den Ludwigshafener Mitarbeitern bei der Formulierung der ersten Landesverfassung gehört auch SPD-Oberbürgermeister Valentin Bauer (1885 bis 1974), der beim Wiederaufbau der Stadt Maßstäbe setzte. Nach ihm sind seit 1956 gleich ein ganzes Stadtviertel und seit 1962 auch eine Straße benannt. Bauer war von 1945 bis 1955 Stadtoberhaupt und gab zudem als Chef der Wohnungsbaugesellschaft GAG dort die Richtung vor – ohne einen Pfennig Aufwandsentschädigung.

Fritz Baumgärtner (1897 bis 1957) und Willy Feller (1905 bis 1979) wurden von der KPD ins rheinland-pfälzische Verfassungsgremium entsandt. Beide gehörten jeweils vier Jahre lang auch dem Landtag in Mainz an. Noch länger war der aus Oggersheim stammende Gewerkschaftler Ernst Lorenz (1901 bis 1980) für die SPD Landtagsabgeordneter. Der langjährige BASF-Betriebsratsvorsitzende zog sich von dort erst 1967 zurück.

Dann kamen die finsteren NS-Jahre

Der Friesenheimer Paul Dissinger (1877 bis 1964) war vor der NS-Zeit beim Zentrum politisch aktiv und gehörte seit 4. Mai 1924 erstmals auch dem bayerischen Landtag an. Dorthin wurde er auch am 20. Mai 1928 und am 24. April 1932 entsandt – doch dann kamen die finsteren NS-Jahre. Nach dem Zweiten Weltkrieg schloss sich Dissinger der CDU an.

Kaum noch bekannt ist sein Parteifreund Gerd Kochendörfer (1900 bis 1948): Auch der BASF-Physiker arbeitete an der Landesverfassung mit, trat aber sonst nicht in Erscheinung. Das wiederum kann man von Ella Weiß (1910 bis 1995) nicht sagen: Die Gymnasiallehrerin für Chemie und Physik am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Süd wurde von der SPD ins verfassungsgebende Gremium geschickt und war neben der CDU-Abgeordneten Helene Rothländer (1890 bis 1976) aus Koblenz die einzige Frau unter 125 Männern, die dort mitmachen durfte

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