Ludwigshafen Runde Sache mit Ecken und Kanten

„Weit über zehn Millionen Euro werden der Abriss und ein Nachfolge-Gebäude kosten“, informierte Ernst Hennrich gestern. Konkreter wurde er nicht. Der 61-Jährige ist Projektentwickler beim neuen Eigentümer Timon Bauregie. Günther Tetzner, Chef der Ettlinger Firma, wird am Montag im Rathaus drei Modelle namhafter Architekturbüros vorstellen. Hennrich zufolge soll am 2. Oktober der gemeinsam mit der Stadt ausgewählte Siegerentwurf präsentiert werden. Einen Abriss noch in diesem Jahr schloss Hennrich aus, weil die Baugenehmigung bis dahin wohl nicht vorliege „und wir keine Baulücke entstehen lassen, sondern nahtlos mit dem Neubau beginnen wollen“. Dieser soll einen Mix aus Handel, Dienstleistung, Gastronomie und Raum für Büros und Studentenwohnungen bieten. Unter dem Neubau soll eine Tiefgarage entstehen. (ier) Angesichts einer Gesamtbauzeit von zwei Jahren hält sich die Begeisterung bei den Anliegern in Grenzen. „Ich hoffe, das geht zügig vorwärts“, sagt etwa Gudrun Ritthaler von Juwelier Räth. Der Traditionsbetrieb mit eigener Uhrmacher- und Goldschmiedewerkstatt, zunächst in der Kaiser-Wilhelm-Straße angesiedelt, blickt auf eine 108-jährige Geschichte zurück und liegt in der Passage neben der „Tortenschachtel“. Seit 1987 ist er im Besitz der Familie Ritthaler. Der Berliner Platz sei zwar keine klassische 1a-Lage, sagt die 65-Jährige, aber er sei der am besten frequentierte Platz der Stadt, weswegen die Geschäfte gut laufen. Einerseits ist Gudrun Ritthaler gespannt auf das, was kommt. Andererseits befürchtet sie bei einer weiträumigen Verlegung von Straßenbahn- und Bushaltestellen während der langen Bauzeit Umsatzeinbußen von bis zu 30 Prozent. Und sie ist beileibe nicht die einzige. (ier) Michael Cordier ist dagegen überzeugt, dass der Investor die Gestaltung des Umfelds – Möblierung, Begrünung – sowie die Gewerbetreibenden ringsum nicht aus den Augen verliert. „Ich kenne Herrn Tetzner, ich habe großes Vertrauen in ihn“, sagt der Geschäftsführer der Marketinggesellschaft Lukom. Bisher laufe die Zusammenarbeit mit Timon optimal, stimmt ihm Yann Fürst (42) von der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft zu. Cordier will den Geschäftsleuten während der Bauphase zur Seite stehen und mit Tafeln gut sichtbar auf deren Angebote hinweisen. Im Herzen der Stadt gehe es um das Lebensgefühl. „Die Wahrnehmung der City findet hier statt“, meint der 62-Jährige. So sieht das auch Jürgen Hundemer von der Initiative „Wir vom Berliner Platz“. Er plädiert dafür, dass sich der Neubau wegen des Wiedererkennungswerts an der Architektur des Rundbaus orientiert, der Ende der 50er-Jahre für Kaufhof errichtet wurde. „Das Flair des Platzes muss erhalten bleiben“, fordert der 61-Jährige. Elke Rottmüller (57) aus dem Vorstand der benachbarten Sparkasse Vorderpfalz hofft ebenfalls auf ein Gebäude, „das sich an die jetzige Form anlehnt“. (ier) Ob es so kommt, ist offen. Bisher ist nur durchgesickert, dass einer der Entwürfe eine Aufstockung vorsieht. Markus Lembergers Wunsch war ohnehin ein anderer – und ziemlich unrealistisch, wie er einräumt. „Eine BASF-Erlebniswelt der Chemie“ hätte sich der Lukom-Abteilungsleiter und SPD-Politiker in dem Haus vorstellen können. Das Haus, in dem er seine erste Single gekauft und sein erstes Taschengeld ausgegeben hat, erinnert sich der Niederfelder an seine Jugend. „Es ist gut, dass hier etwas passiert. Was, spielt eigentlich keine Rolle, wenn es funktioniert“, sagt der 52-Jährige. Momentan steckt er übrigens mitten in den Vorbereitungen für seine Urlaubstour, die er auf seiner 650er-Honda absolvieren wird. Am Freitag startet er mit elf weiteren Bikern in die Alpen. Ein ambitioniertes Vorhaben. „In einer Woche 120 Pässe. Ich bin schon ganz fiebrig“, verrät der Motorrad-Fan. (ier) Jenseits der Alpen geboren ist Flavio Rizzelli. Der 59-jährige Gastronom stammt aus einem Dorf bei Brindisi in Apulien – am Absatz des italienischen Stiefels gelegen. Aus demselben Dorf wie der mit Romina Power in den 70ern berühmt gewordene Sänger Al Bano, der heute noch da lebe und den er kenne, sagt Rizzelli, der 1972 mit seiner Familie nach Deutschland kam und bereits mitgeholfen hatte, als seine Mutter „Die Krone“ in Oppau geführt hat. Nun will er aufgeben, spricht vom Ende einer Ära. Das „Rizzelli“ in der „Tortenschachtel“ sei sein letztes Lokal. Selbst wenn er in dem geplanten Neubau einen neuen Betrieb eröffnen könnte, wolle er sich das nicht mehr zumuten. „Bis das neue Gebäude steht, bin ich über 60. Da fange ich nicht von vorne an“, sagt er. Denn als Wirt müsse man mit einer Durststrecke von zehn Jahren rechnen. Das sei ihm zu riskant. Die Gastronomie prägte Rizzellis Lebensweg. Als er nach fünf Jahren als Koch vom „Da Mario“ die Schnauze voll hatte, eröffnete er 1983 in der Bismarckstraße das „Eiscafé Rizzelli“ – zunächst ohne Küche. Doch dann kam die Lust am Kochen zurück – und eine Küche. Sein Mittagstisch war gut besucht. Aber zur Jahrtausendwende nahm er das „Kaufhof“-Angebot an, in der „Tortenschachtel“ ein Lokal zu eröffnen – für ein Viertel der bisherigen Miete. Ehefrau Daniela schaukelte zwar noch drei Jahre lang den Laden in der Bismarckstraße, doch dann war Schluss. 2015 ist erneut Schluss. „Im Juni muss ich wohl raus.“ Es sei denn, der neue Eigentümer würde sagen: „Wir haben ein Lokal eingerichtet – wenn Sie möchten, können Sie es führen.“ Dann würde er zugreifen. Doch damit rechnet Signore Rizzelli nicht wirklich. (ptr) Am Berliner Platz verteilten einige Bürger Ende 2012 Blumen. Denn, erzählen Gudrun Alker (76) und Birgitta Scheib (64), in den meisten Medien gab es vom Berliner Platz nur Negativberichte. „Und wir wollten ihn in ein gutes Licht rücken.“ Das sei die Geburtsstunde der Initiative „Wir vom Berliner Platz“ gewesen. Auch heute noch sind zwei Ehrenamtliche am Brunnen im Einsatz – donnerstags zwischen 15 und 17 Uhr. Sie geben Auskunft, helfen Ortsunkundigen weiter. Vor allem identifizieren sie sich mit dem Platz, der nun sein Wahrzeichen verliert. „Doch“, so sagt Karl Heinz Henrich (70), der seit knapp 40 Jahren direkt am Berliner Platz wohnt, „wir bedauern den Abriss der Tortenschachtel nicht.“ Neues entstehe und bringe neue Ideen mit sich. (ptr) Dieter Neff (71) ist nur auf einen Sprung vorbeigekommen. Der Technische Leiter beim Ludwigshafener Sportverband (LSV) sollte im Auftrag seines Chefs Winfried „Ringo“ Ringwald in Erfahrung bringen, ob man den Stadtlauf 2015 im Bereich Berliner Platz wie bisher durchführen könne – „also hier zwischen der Apotheke und dem Faktorhaus“. Wenn aber erst die Abrissarbeiten im Mai, Juni beginnen, „wäre das am ungünstigsten“. Denn die Veranstaltung soll im Juni oder Juli stattfinden. Neff: „Dann müssten wir an Plan B arbeiten.“ (ptr)

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