Ludwigshafen „Maximal 15 Prozent“

Frau Lohse, schön, spannend, schwierig – wie war das erste Jahr?

Eigentlich waren alle drei Attribute dabei. Interessant waren die Kontakte zu Menschen, die ich neu kennengelernt habe: Leute aus der Bundesregierung, aus den großen Bundestagsfraktionen bis hin zu Gesprächen mit Ministern. Mit ihnen über die Positionen und den richtigen Weg zu großen Herausforderungen wie zum Beispiel jetzt die Aufnahme von Asylbewerbern zu ringen, war schön und spannend zugleich. Letztlich geht es darum, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu organisieren, und das können nur Bund, Länder und Kommunen gemeinsam schaffen. Was war schwierig? Die Herausforderungen selbst. Bei den großen Themen sind wir im Städtetag parteiübergreifend einer Meinung, weil wir wirklich an einem Strang ziehen, was übrigens auch schön ist. Schwieriger ist es natürlich, zügig Ergebnisse zu erzielen. Beispielsweise bei … … der Wohnsitzauflage für Flüchtlinge. Diese besagt, dass anerkannten Flüchtlingen, die noch keinen Arbeitsplatz haben, ein Wohnort zugewiesen werden kann. Konkret heißt das dann: Wenn jemand dem ländlichen Raum zugewiesen wurde, kann er seinen Wohnsitz nicht in die Stadt verlagern und umgekehrt. Das ist ein wesentlicher Vorschlag zur gerechten Verteilung von Flüchtlingen und zur Verhinderung von Ghettobildungen. Das ist auch für Ludwigshafen von großer Bedeutung, damit die Belastung der Stadt nicht weiter steigt. Den Punkt haben wir im Herbst aufgegriffen. Im Winter wurde darüber diskutiert, aber bis heute ist das noch nicht erledigt. Solche Themen müssen einfach schneller umgesetzt werden, um den Forderungen der Kommunen Geltung zu verschaffen. Schwierig ist aktuell auch die Situation von Angela Merkel. Sie haben Merkel mehrfach im Kanzleramt besucht. Merkels Popularität hat gelitten. Wie haben Sie die CDU-Chefin erlebt? Als eine Frau, die sich sehr bewusst ist, welche Verantwortung sie trägt. Damit geht sie sehr respektvoll um. Sie bemüht sich stets um gute Lösungen. Am Ende hat sie ja auch durch das EU-Abkommen mit der Türkei einen Erfolg erzielt. Der Flüchtlingsstrom hat sich deutlich reduziert. Weitere Gespräche mit Blick auf Nordafrika und eine europäische Lösung laufen, um die Flüchtlingsströme langfristig einzudämmen. Das ist ihr Ziel. Daran arbeitet sie in enger Absprache mit den politischen Partnern. Es ist ein Novum, dass wir als kommunale Spitzenvertreter im Kontakt mit der Kanzlerin sind. Das wissen wir sehr zu schätzen. Nach außen gibt sich Merkel immer relativ nüchtern und sachlich. Man könnte auch sagen: stoisch rautenhaft. Entwicklungen wie die Erfolge der AfD oder die Querschüsse aus der CSU können aber nicht spurlos an ihr vorbeiziehen? Wie ist Ihr Eindruck? Ich erlebe sie als hochkonzentriert und als jemand, der seinen Weg entlang seiner Überzeugungen geht – immer auf einer ethisch fundierten Basis. Sie trifft Entscheidungen, die sie den Menschen in Deutschland, aber auch anderen Regierungschefs gegenüber vertreten kann. Und ganz wichtig: Sie glaubt an den Erfolg ihres Wegs. Dafür nimmt sie auch den zwischenzeitlichen Verlust ihrer Popularität in Kauf. Erreicht sie am Ende das, was sich die Menschen wünschen, nämlich eine gesteuerte Aufnahme von Flüchtlingen, die uns alle nicht überfordert, dann werden auch ihre Popularitätswerte wieder steigen. Hat sich Merkel sich in der Causa Erdogan richtig verhalten? (denkt nach) Mmmh … das ist eine schwierige Frage. Es ist ja keine Causa Erdogan/Merkel, sondern eine europäische Entscheidung gewesen, in Verhandlungen mit der Türkei einzutreten. Diese Vereinbarungen haben ja den Erfolg, den wir uns gewünscht haben, und führen dazu, dass weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Und wir reden jetzt über Kontingente. Ich glaube, dass dieser Weg letztlich der richtige war. Von Europa über Berlin nach Ludwigshafen, wo die AfD mit 20 Prozent der Zweitstimmen bei der Landtagswahl ihr Top-Ergebnis erzielt hat. Wie erklären Sie sich die hohe Zustimmung? Die AfD hat im Wahlkampf auf die Karte gegen eine Aufnahme von Asylbewerbern und Flüchtlingen gesetzt. Und sie hat offensichtlich Feindbilder aufgebaut, die sich verfangen haben. Viele Menschen sind dem gefolgt. Ich finde das schade, weil wir in Ludwigshafen aktiv daran gearbeitet haben, die Menschen mitzunehmen bei dieser großen humanitären Aufgabe. Wir waren transparent, haben viele Bürgerforen abgehalten und dafür gesorgt, dass Menschen nicht in Turnhallen oder Gemeinschaftshäusern untergebracht wurden. Deswegen bin ich schon enttäuscht und war sehr erschrocken, dass die AfD hier so gut abgeschnitten hat. Im nächsten Jahr sind Oberbürgermeisterwahlen. SPD-Bewerberin Jutta Steinruck hat Sie frontal attackiert, weil Sie angeblich distanziert von oben herab und bürgerfern regieren. Andere Ämter, wie das der Städtetagspräsidentin, seien Ihnen wichtiger. Wie reagieren Sie auf solche Angriffe? Wer mich kennt, der weiß, dass ich sehr bürgernah und alles andere als kontaktscheu bin. Ich bin hier über Jahre hinweg als Ur-Ludwigshafenerin in Verantwortung und habe mich für meine Stadt in hohem Maße eingesetzt. Ich bin für alle ansprechbar, mache viele Bürgerforen und Sprechstunden. Ich lese jeden Brief und jede E-Mail. Ich gehe raus und schaue mir die Dinge vor Ort an, weil mir das wichtig ist. Mir jetzt vorzuwerfen, ich sei nicht bürgernah, entbehrt jeglicher Grundlage. Und die Kritik in Sachen Städtetag? Es ist die Verpflichtung einer Oberbürgermeisterin, dass sie ein Ehrenamt wie das im Städtetag annimmt, das nichts anderes zum Ziel hat, als das Beste für die Stadt zu erreichen, für die sie Verantwortung trägt – wie für andere Städte, die ähnliche Probleme haben. Es geht ja nicht zuletzt darum, dass die Situation von Städten wie Ludwigshafen bundespolitisch wahrgenommen wird. Denn wir haben vor Ort Herausforderungen, die wir alleine nicht bewältigen können. Werfen Sie noch mal den Hut in den Ring bei der OB-Wahl 2017? Das werde ich zur rechten Zeit erklären und dann auch die Reihenfolge einhalten: Das werden zuerst meine Partei und meine Fraktion erfahren und dann die Öffentlichkeit. Warum warten Sie bis zum Jahreswechsel damit? Das ist eine persönliche Entscheidung. Ich glaube, dafür hat jeder Verständnis. Ich will mir dafür Zeit nehmen. Das muss ich mit meiner Familie und der CDU vereinbaren. Für mich ist es vollkommen unerheblich, wer wann welchen Kandidaten kürt. Kommen wir zum Hochstraßenabriss, der Mitte 2018 beginnen soll. Am 23. Mai steht das nächste Bürgerforum zum Thema Grünachse zwischen Friedenspark und Rheinufer an. Wann rechnen Sie mit Blick auf die Finanzierung mit konkreten Zuschusszusagen aus Mainz und Berlin? Das ist die große Entscheidung zur Zukunft der Stadtentwicklung, bei der wir die Bürger jetzt wieder mitnehmen, bevor der Stadtrat im Herbst sein Votum fällt. Da werden wir ja schon kopiert von anderen. Schön. Und die Finanzierung? Wir brauchen das Geld von Bund und Land, daran hat sich nichts geändert. Ich habe einen Brief an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt geschrieben, um einen Termin für seinen Besuch abzustimmen. Im Sommer haben wir die finale Zuschussvoranfrage fertig und leiten diese über den Landesbetrieb LBM nach Bonn, respektive Berlin weiter. Dann gehen die Diskussionen über die Finanzierung erst richtig los. Mit welchem Resultat? Gegenüber Land und Bund habe ich im Vorfeld mehrfach deutlich gemacht, dass wir eine substanzielle Beteiligung beider Ebenen brauchen – dabei bleibt’s auch. Das ist eine Straße mit überregionaler Bedeutung. Da müssen beide Ebenen ihren Beitrag leisten, weil wir das alleine nicht stemmen können. Wir reden ohnehin nur über die förderfähigen Kosten. Es bleiben noch genug Kosten an der Stadt hängen, die nicht gefördert werden, was mit Blick auf unsere Finanzlage alles andere als einfach wird. Und wenn die geforderte substanzielle Beteiligung nicht kommt? Dann werden wir diese Stadtstraße so in diesem Umfang nicht als überregionale Straße ausbauen können. Das hieße? Eine kleine abgespeckte Version, die den Ludwigshafener Stadtverkehr aufnimmt. Dann wären wir eben nicht mehr in der Lage, überregionalen Verkehr abzuwickeln. Das müssen diejenigen wissen, die glauben, nicht hoch fördern zu müssen. Nur zur Klarstellung: Bei den förderfähigen Kosten geht es um wie viel Geld? Förderfähig sind 267 Millionen Euro. Und davon kann Ludwigshafen allerhöchstens 15 Prozent tragen. Das wären 40 Millionen Euro. Die restlichen 60 Prozent soll der Bund, 25 Prozent das Land übernehmen. Das ist zumindest das, was sich die Landesregierung wünscht. Am Ende ist mir die Aufteilung zwischen Bund und Land egal. Wir tragen maximal 15 Prozent. Mehr geht nicht.

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