Ludwigshafen Kunst, die es gar nicht gibt

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„Kreuz & quer “ – der Titel trifft die 21. Ausgabe der Galerientage des Galerienverbandes Rhein-Neckar im Mannheimer Kunstverein ziemlich gut. Vertreten sind zwölf Galerien mit Arbeiten von je einem oder zwei Künstlern. Fast ein Wunder, dass das alles problemlos in den Pavillon am Karls-Reiß-Platz passt.

Nur: auf seltene Vögel darf man im drei Tage währenden regionalen Galeristen-Schaulaufen nicht hoffen. Was sich bewährt hat, darf auf den Sockel oder an die Wand. Das ist ein gutes Prinzip, das eigentlich nur von Friedrich W. Kasten mit einer hammermäßigen Premiere unterbrochen wird, nämlich mit 3D-Drucken aus dem Rechner von Moto Waganari aka Lutz Wagner. Das sind computergenerierte plastische Objekte, sprich gehörnte oder fliegende Figuren, die aus Draht gebastelt scheinen und allerliebste Schatten auf der Wand werfen. Dazu gibt es eine virtuelle 3D-Projektion, die das Entstehen einer Plastik vorgaukelt, die es eigentlich gar nicht gibt. „Augmented Reality“ nennt sich das vorwiegend industriell genutzte Verfahren, das hier in Gestalt einer fast kindlichen Spielerei auftritt. Wer weiß, was daraus noch wird? Da passen die Post-Pop-Siebdrucke von Marcos Torres prima dazu – als bunt lärmende Gegenbilder aus längst vergangenen Zeiten. Mit der gestisch-freien, gleichwohl geordneten Malerei des 2010 verstorbenen Georges Noel (zusammen mit Gerhard Hoehme ist ihm die nächste Galerieausstellung gewidmet) ist Peter Zimmermann auf jeden Fall auf der richtigen Seite. Und wenn die von der März Galerie ins Rennen geschickte Schweizerin Susanne Lyner Farbe auf Bildträger aufschlägt (oder farbige Punkte dicht an dicht setzt, so dass so etwas wie eine bestimmte „Farbe“ entsteht), spricht das ebenso für die Tragfähigkeit eines künstlerischen Konzepts wie die verformten, verzerrenden und auf jeden Fall beunruhigenden Spiegelobjekte von Victor Bonato. Die teilen sich bei Sebastian Fath mit den von bemalten Spanplatten abgeleiteten Folien-Siebdrucken von Joachim Grommel die Wand: Ein Triumph des Geistreichen und Verzwickten, der sich bei dem mit einheimischen Hölzern arbeitenden Holzbildhauer Joseph Stephan Wurmer aufs Handwerklich-Rustikale zurückzieht. Geometrische Grundformen wie Quader oder Kugel werden sukzessive geöffnet, der Blick ins Innere des Holzes freigelegt. Die Arbeiten des seit 2009 von Ursula Keller vertretenen Künstlers sind ein letzter, von der Frankfurter Kollegin Kim Behm kuratierter Gruß an die erst kürzlich verstorbene Galeristin. Malerei und Fotografie von Ingeborg van Look beenden den Mannheimer Teil der Galerientage, denn die mattfarbigen Keramiken kommen von Marianne Heller aus Heidelberg, Linde Hollinger residiert in Ladenburg, die Galerie Nisters in Speyer und UP Art in Neustadt. Eindrucksvoll ist, wie raffiniert die von Arthea am Rosengarten ins Rennen geschickte Ingeborg van Look mit Unschärfen arbeitet, die für die Fotografie als „untypisch“ gelten, wie sie Malerei und fotografisches „Bild“ so in Kontraste und Nachbarschaften bringt, dass etwas Neues entsteht, von dem man meint, dass es weder mit dem einen noch dem anderen Medium ganz umschrieben wäre. Die einfache Haltungen ausprägenden Kleinbronzen von Hannes Helmke sind eine gute Begleitung. Und dann auch dies: Stille, Grübeleien, Zurückgezogenheit, Skepsis und eine fragile, fast prekäre Gegenstandslosigkeit. Dazu Titel, die manchmal wie isolierte Gedichtzeilen wirken. Der von Julia Philippi (Dossenheim) geschätzte Österreicher Friedrich Siegel ist ein Virtuose psychologisch hoch kontaminierter Aquarellkunst, in der das Spirituelle als dynamischer, keineswegs leicht zu rezipierender Prozess manchen Exegeten in Verlegenheit setzen kann. Das ist meilenweit entfernt von den gegenüber hängenden, mittelgroßen Männerköpfen der katalanischen Gitana Lita Cabellut, die zu den Favoriten der Galerie Zulauf in Freinsheim gehört. Es handelt sich (kaum zu glauben bei der meisterlichen Ausarbeitung) um Studien zu größeren Porträts der aus dem vergangenen Jahr stammenden Serie „Disturbance“. In dieser bricht sich die expressive, vor Dynamik schier berstende Menschenbildnerei der Malerin mit großer Würde Bahn. Termine Galerientage vom 8. bis 10. April im Mannheimer Kunstverein. Eröffnung heute von 19 bis 21 Uhr. Samstag art & cocktail von 12 bis 22 Uhr, Sonntag art & brunch von 12 bis 17 Uhr. Eintritt frei.

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