Ludwigshafen Hex! Hex!

In den, ja, tatsächlich, bald 20 Jahren, die ich jetzt für die RHEINPFALZ tätig bin, habe ich schon einige Artikel über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschrieben. Da ging es bisher allerdings immer um andere Leute, nie um mich. Bis jetzt. Seit einer Woche bin ich selbst eine „working mum“, eine arbeitende Mama. Rückblick. Mein Sohn hatte sich sehr, sehr viel Zeit gelassen. Fast zwei Wochen nach dem errechneten Termin kam er endlich zur Welt. Deswegen war ich vor der Geburt noch zwei Monate zu Hause. Mir war langweilig, ein völlig neues Gefühl. Ich habe noch einmal alle sieben „Harry Potter“-Bände gelesen, vier Staffeln „Mad Men“ geguckt und ein 1500-Teile-Puzzle mit der Weltkarte gemacht. Zu noch einem werde ich bis zum Ruhestand in 30 Jahren wohl nicht mehr kommen. Ganz leicht ist es mir nicht gefallen, jeden Morgen in die Zeitung zu schauen, ohne etwas dazu beigetragen zu haben. Am 23. Oktober 2014 zum Beispiel war ich gerade auf dem Heimweg von einem Kaffeetrinken mit meiner früheren Kollegin Laura Estelmann, als ich kurz vor dem Oggersheimer Kreuz im Radio von der Gasexplosion in Oppau hörte. „Sofort hinfahren und berichten“, war mein erster Gedanke. Und der zweite: „Die Kollegen brauchen dich nicht. Die können das alleine.“ Das Jahr von Anfang Dezember 2014 bis Anfang Dezember 2015 habe ich dann komplett meinem sehr süßen Sohn gewidmet. Und, natürlich, dem Trinken von Milchkaffee (vormittags) und Sekt (nachmittags, spätestens) mit anderen Müttern. Zwischendurch habe ich nach dem Vorbild meiner Kindheitsheldin Bibi Blocksberg „Hex! Hex!“ gerufen, und dann lagen die Berge schmutziger Kleider auch schon gewaschen, getrocknet, gebügelt und zusammengefaltet im Schrank, die Spülmaschine hatte sich selbst ausgeräumt, der Kartoffel-Gemüse-Brei war gekocht und der Impftermin beim Kinderarzt erledigt. Mit Vorurteilen gegenüber Menschen in Elternzeit darf sich jetzt mein Mann auseinandersetzen. „Kinderferien“ hat es ein Kollege vor ein paar Tagen so schön genannt. Das war netter als die Begrüßung, die ich Anfang der Woche bei einem Termin erlebte: „Na, du Rabenmutter lässt jetzt also dein Kind allein?“ Eine Frage, die sofort in die Liste meiner Lieblingsfragen aufgenommen wird. Gleich nach: „Und? Schläft er schon durch?“ Die Kolumne Fünf Redakteure berichten für die RHEINPFALZ über Ludwigshafen. Ihre Erlebnisse aus dem (Arbeits-)Alltag nehmen die Redakteure in der Kolumne „Quintessenz“ wöchentlich aufs Korn.

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