Ludwigshafen Fleischer als Feingeist

Die Metzgerei ist eine Bühne, die Fleischwurst ein Kunstwerk, der Metzger ein Künstler. In Wolfgang Marschalls kabarettistischem Monolog „Wurst oder die Musen des Metzgers“ ist das jedenfalls so. Hans Georg Sütsch zeigte das satirische Stück in der Mannheimer Klapsmühl’ am Rathaus.

Einen Ring Fleischwurst hat er für alle sichtbar in der Vitrine ausgestellt. Hans Georg Sütsch als namenloser Metzger hängt die Europäische Kammerpreismünze, mit der das Produkt ausgezeichnet wurde, ans Glas, damit sie auch jeder sieht. Der Metzger ist stolz auf seine Produkte, besonders auf diese Fleischwurst, die er in den Rang eines Kunstwerks erhebt. Es ist der Tag der Eröffnung seines Geschäfts, den er nicht wie seine Konkurrenz mit Schnittchen, Fassbier und Blasmusik begehen möchte, sondern mit Sekt in Champagnergärung, modernem Tanztheater und klassischen Dekonstruktionen am E-Piano. Sein Laden sei schließlich keine „Kadaver-Verkostungsklitsche“, erklärt der Metzger, dessen Krawatte farblich zur Schürze passt, sondern eine Avantgarde-Fleischerei mit Edelstahltheke und Ambiente. Statt schnöder Fressalien liefert er filigrane Feinkost. Hans Georg Sütsch vom Mannheimer Kabarett Dusche spielt mehr den Feingeist als den Fleischer. Dieser ist ein Mann, der einerseits einen Beruf ausübt, der nicht recht zu ihm zu passen scheint, andererseits Metzger mit Leib und Seele ist. Führt er das richtige Leben im falschen? Der Wurstmacher bezeichnet seine Hände als „Metzgerpranken“, die er neben dem Betrieb vom Vater geerbt habe, und spielt doch mit ihnen, um sich und uns die Zeit zu vertreiben, ganz ordentlich Chopins Fantaisie-Impromptu am Klavier. Er erwartet einen echten Pianisten, dazu weitere Künstler, lokale Prominenz, Gäste und Kunden zu seiner Eröffnungsfeier. Doch niemand kommt. Darüber gerät er, befeuert vom Sekt, ins Monologisieren und Schwadronieren. Von seiner Familie erzählt er, vom Vater, dem Metzger, den Geschwistern, die alle in die Hochkultur abgewandert sind, und von zwei gescheiterten Ehen. Er lässt sich über die Fehlschläge seines Bruders, eines Choreografen, und seiner Schwester, einer Regisseurin, aus, ohne recht zu bemerken, dass sein eigenes Projekt, die ambitionierte Fleischerei, gerade einen heftigen Fehlschlag erleidet. Einmal nur fragt er sich, ob er nur ein simpler Provinzmetzger ist, der sich zu Höherem berufen fühlt? Aber kurz darauf gibt er der Provinz und ihren rückständigen Bewohnern die Schuld an seiner Misere. Sein Konzept sei großstädtisch, in Berlin wäre jetzt die Hölle los in dieser Metzgerei und kein Tropfen Sekt mehr in den Gläsern, ist er sich sicher. Hier dagegen, leidet und verperlt der Sekt, Champagnergärung hin oder her. Und der enttäuschte Metzger tischt uns sein geballtes Wurstwissen auf, seine persönliche Verwurstungsphilosophie.

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