Ludwigshafen Ein Preis gegen das schnelle Vergessen

Im vergangenen Jahr ist der New Master of Cinema neu eingeführt und nun zum zweiten Mal vergeben worden. Nach Frédéric Fonteyne 2013 ging der Preis abermals an einen belgischen Regisseur, an Geoffrey Enthoven. „Was aber nicht heißt, dass unser Preis jetzt grundsätzlich nur an Belgier gehen muss“, erklärte Festivaldirektor Michael Kötz in seiner Laudatio im Mannheimer Stadthaus.

Völlig unabhängig vom Herkunftsland gehe der Preis stets an jemanden, der noch gar nicht so lange dabei ist, es aber, wie man so schön sage, geschafft hat, so Kötz. Der New Master of Cinema Award wolle nicht nur darauf verweisen, welch wunderbare Talente beim Filmfestival schon entdeckt wurden, „der Preis ist auch als ein Hinweis darauf gedacht, dass wir aufpassen sollten“. Viel zu oft verschwänden die eben noch auf dem Festival mit Beifall bedachten Newcomer-Regisseure wieder vom Bildschirm öffentlicher Aufmerksamkeit. Unsere Kultur, führte Kötz weiter aus, sei in hohem Maße geprägt vom Denken in Kategorien des Ökonomischen. Investitionen würden nur noch getätigt, um schnell Gewinn abschöpfen zu können. „Wagnisse werden vorher immer gut durchrechnet, bis sie keine mehr sind.“ So werden nach Ansicht des Festivaldirektors immer neue Kinokünstler auf den Markt geworfen und ausprobiert, aber die Talente nicht gepflegt. Es fehle an Geduld, Rat und Unterstützung für die jungen Filmemacher, die erst mit dem zweiten oder dritten Film belegen könnten, ob sie ihr Talent zu echtem Können zu transformieren wüssten und aus dem gewählten Metier dauerhaft einen Beruf machen könnten. „Das ist eine gigantische Verschwendung von Talenten und eine selbst verschuldete Schwäche der Filmbranche“, bemängelte Kötz. Er verwies darauf, wie beständig das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg gerade Geoffrey Enthovens Karriere über die Jahre begleitet hat. „Les enfants de l’amour“ („Children of Love“), Enthovens erster langer Film nach dem Studium an der Kunstakademie in Gent, habe das hiesige Publikum derart begeistert, dass es den Newcomer aus Flandern geradezu bejubelt habe. Die internationale Jury sprach damals immerhin eine lobende Erwähnung aus. Im Rückblick attestiert Kötz dem Debüt-Drama alle Qualitäten, die Enthoven auszeichneten: „Dass er hinschaut bis in die geringsten Details, dass er sich dabei gegebenenfalls verliebt in das, was er sieht, und dass er dann daraus eine Geschichte baut, in der menschliche Wärme und Anteilnahme zum Vorschein kommt.“ Sein zweiter Film „Vidange perdue“ („The Only One“) gewann 2006 den „Großen Preis von Mannheim-Heidelberg“, den Hauptpreis des Festivals. Kleiner Schönheitsfehler: In der Jury saß damals neben anderen Thierry Vandersanden vom belgischen Centre du Cinéma et de l′Audiovisuel. 2009 eröffnete Enthovens „Meisjes“ („The Over the Hill Band“) das Festival in Heidelberg. Das Musikdrama hätte ebenso einen Preis verdient gehabt, urteilte Kötz, wäre es denn im Wettbewerb gelaufen. 2014 zeigt das Festival zu Ehren Enthovens „Hasta la Vista – Pflücke das Leben!“, eine lebenskluge und nachdenkliche Komödie über die abenteuerliche Reise dreier junger Männer, im Rollstuhl, gelähmt oder fast blind, die endlich ihr „erstes Mal“ erleben möchten. Der erste Film Enthovens übrigens, der es im Sommer 2012 auch außerhalb von Festivals in die deutschen Kinos schaffte. Nur noch am letzten Festivaltag jeweils einmal in Mannheim und Heidelberg zu sehen ist „Halfweg“, Enthovens jüngste Komödie, die mit überschaubarem Personal durchweg in einer beeindruckenden Jugendstilvilla des bekannten belgischen Architekten Victor Horta spielt. Stef Aeltermann (Koen De Graeve) hat das stattliche Anwesen erworben, aber es gehört ihm nicht wirklich, solange noch der Vorbesitzer Theo Valcke (Jurgen Delnaet) darin herumspukt und es ihm streitig macht. Der 40-jährige Geoffrey Enthoven war mit seinem Produzenten Mariano Vanhoof und dem Drehbuchautor Pierre de Clercq angereist und nahm die Auszeichnung erfreut persönlich entgegen. Die Produktion von Filmen setze Teamarbeit voraus, erklärte er im Stadthaus N1. „Ich bin stolz, der Kapitän zu sein. Aber ich bin nicht der Einzige an Bord.“

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